Wintergerste: Wie reagieren Linien- und Hybridsorten auf Herbst- und Frühjahrs-N-Düngung?
Prof. Dr. Antje Herrmann, Fachinformation Pflanzenbau
Wintergerste ist mit einer Anbaufläche von rund 62000 ha in 2025 die zweitstärkste Ackerkultur in Hessen. Entscheidende Kriterien für die Sortenwahl sind Ertrag, Rohproteingehalt, hl-Gewicht und Tausendkornmasse (TKM), die jedoch stark durch die Umweltbedingungen beeinflusst werden. Durch intensive Züchtung konnte der Kornertrag in den letzten Jahrzehnten deutlich gesteigert werden, vor allem durch eine Verbesserung der Kornzahl pro m². Im Jahr 2008 wurden erstmals Hybriden vom Bundessortenamt zugelassen, die sich u.a. durch eine hohe Ertragsleistung auszeichnen.
Wintergerste ist eine der wenigen Kulturen, die als Nachfrucht anderer Getreidearten noch eine Herbstdüngung erhalten kann. Die Herbstdüngung reduziert jedoch die N-Menge, die im Frühjahr ausgebracht werden kann.
Über welche Mechanismen (grüne Pflanzenfläche, Strahlungsaufnahme und -ausnutzung, Kornzahl, Tausendkornmasse) Herbst- bzw. Frühjahrs-N-Düngung auf wichtige agronomische und ökonomische Kenngrößen von Linien- und Hybridsorten einwirken, war bislang noch nicht ausreichend untersucht.
Neue Untersuchung aus Norddeutschland
In einem mehrjährigen Feldversuch am Standort Hohenschulen, in der Nähe von Kiel, wurde daher seitens der Universität Kiel der Effekt einer unterschiedlichen Herbst- und Frühjahrs-N-Düngung auf Linien- bzw. Hybridgerste analysiert. Die Gerste wurde in einer Fruchtfolge aus Winterraps, Winterweizen, Hafer und Wintergerste angebaut, wobei die N-Düngung lediglich bei Weizen und Gerste variiert wurde. Hybridgerste wurde im Mittel mit 220 Körnern/m², Liniensorten mit 280 Körnern je m² ausgesät.
Um Effekte einer N-Nachwirkung zu vermeiden, erhielten die Parzellen mit der höchsten N-Düngung zu Weizen die geringste N-Düngung in der Gerste, und umgekehrt. Der Versuch wurde im Jahr 2004 angelegt, wobei jede Kultur in jedem Jahr auf der Fläche stand. Die Erfassung der Ertrags- und weiterer Parameter erfolgte in den Jahren 2016 bis 2024. Die N-Düngungsvarianten und Gerstensorten sind in Tabelle 1 dargestellt.
Tabelle 1: N-Düngungsvarianten und Wintergerstensorten
Erntejahr | Sortentyp | Sorte | Herbstdüngung (kg N/ha) | Frühjahrsdüngung (kg N/ha) |
2016-2020 | Linie | KWS Meridian | 0 bzw. 30 | 0 / 0 / 0 oder 40 / 40 / 0 oder 80 / 40 / 40 oder 80 / 80 / 80 |
Hybride | Wootan | |||
2021-2024 | Linie | KWS Flemming | ||
Hybride | SY Galileo |
Herbstdüngung steigert vor allem die N-Bilanz
Mit zunehmender Frühjahrs-N-Düngung näherte sich der Kornertrag erwartungsgemäß einem Plateau an, während der Proteingehalt und die N-Bilanz mit steigender Düngung zunahmen (Abbildung 1). Demgegenüber nahm die N-Nutzungseffizienz (NUE, kg Korn-N/kg N-Düngung) mit höherer N-Versorgung ab.
Eine zusätzliche Herbstdüngung förderte zwar die vegetative Entwicklung der Bestände (Abbildung 2, GAI), hatte jedoch im Vergleich zur Frühjahrsdüngung nur einen geringen Einfluss auf den Kornertrag, der zudem mit steigenden Frühjahrs-N-Gaben abnahm. Es konnte ein ähnlicher Effekt für die NUE festgestellt werden.


Demgegenüber steht die Beobachtung, dass die Herbstdüngung den nachteiligen Einfluss einer steigenden Frühjahrsdüngung auf die N-Bilanz verstärkt. Eine Beeinflussung des Proteingehaltes durch die Herbstdüngung war nicht erkennbar. Dies ist darauf zurückzuführen, dass der im Herbst ausgebrachte N weniger effektiv aufgenommen bzw. in Kornertrag und Protein umgesetzt wird als die Frühjahrsdüngung.
Im Rahmen des Versuchs verblieb das Stroh der Getreidearten nach der Ernte auf der Fläche. In diesem Zusammenhang wird immer wieder diskutiert, ob eine N-Ausgleichsdüngung im Herbst sinnvoll ist, um einer N-Immobilisierung entgegen zu wirken. In der Regel ist der über Mineralisierung im Herbst freigesetzte N aber ausreichend, sofern die verbleibenden Strohmengen nicht zu hoch sind. Dies bestätigen Ergebnisse der LfL aus Bayern, die Ertragseinbußen durch eine Herbst-N-Düngung feststellten, wenn diese N-Menge in der Frühjahrsgabe zum Abzug kam.
Mehrertrag von Hybriden durch bessere Ausnutzung der Strahlung und mehr Körner
Hybridsorten zeichneten sich im Vergleich zu den Liniensorten durch einen höheren Kornertrag aus (Abbildung 1), der vor allem auf eine bessere Ausnutzung der aufgenommenen Strahlung und eine höhere Kornzahl (Abbildung 2) zurückzuführen ist. Die Liniensorten wiesen zwar eine höhere grüne Pflanzenoberfläche (GAI) auf, und konnten darüber etwas mehr Strahlung aufnehmen, aber trotz einer höheren TKM nicht in einen höheren Ertrag umsetzen. Mit zunehmender Frühjahrs-N-Düngung vergrößerten sich die Unterschiede zwischen den Sortentypen.
Der höhere Kornertrag von Hybriden resultierte bei vergleichbaren Proteinkonzentrationen in einer besseren NUE und einer tendenziell geringeren N-Bilanz. Es konnte keine unterschiedliche Reaktion der Sortentypen auf die Herbst- bzw. Frühjahrsdüngung festgestellt werden.
Einschränkend muss erwähnt werden, dass im Versuch jeweils nur eine Sorte eingesetzt wurde. Zwar verfügen Hybridsorten generell über ein hohes Ertragspotenzial, aber auch Liniensorten können in der oberen Ertragsliga mitspielen. Eine neutrale und unabhängige Einschätzung der Leistungen von Hybrid- und Liniensorten bieten die Landessortenversuche.
Höhere N-Bilanz wiegt geringen ökonomischen Vorteil der Herbst-N-Düngung auf
Ob eine Herbstdüngung ökonomische Vorteile bieten kann, wurde für zwei N-Düngungsszenarien untersucht, (i) einer Düngung nach ökonomischem N-Optimum und (ii) nach geltender Düngeverordnung (Tabelle 2).
Beide Düngungsszenarien resultierten in ähnlichen N-Düngungsmengen und vergleichbaren Kornerträgen. Die geringere N-Effizienz der Herbstdüngung machte jedoch eine etwas höhere Gesamt-N-Düngung notwendig, um das ökonomische Optimum zu erreichen. In beiden Szenarien und für beide Sortentypen führte eine Herbstdüngung zu etwas höheren N-kostenfreien Leistungen, aber z.T. deutlich geringeren Proteinkonzentrationen. Letzteres und die zusätzlichen Ausbringungskosten machen eine Herbst-N-Düngung unattraktiv. Darüber hinaus führt eine Herbst-N-Düngung zu höheren N-Bilanzen, die in keiner der Varianten unter den vom Bundesumweltamt angestrebten Zielwert von 30 kg N/ha blieb. Unabhängig vom Düngeszenarium erreichte Hybridgerste stets einen höheren Kornertrag, eine höhere N-kostenfreie Leistung, und eine etwas geringere N-Bilanz. Die N-kostenfreie Leistung berücksichtigt nicht die etwas höheren Saatgutkosten von Hybridgerste.
Tabelle 2: Effekte einer Herbst-N-Düngung (0 versus 30 kg N/ha) gemäß ökonomisch optimaler N-Düngung bzw. nach Düngeverordnung zu Linien- bzw. Hybridgerste
N-Düngungsszenario | ||||||||
Ökonomisches N-Optimum | Nach Düngeverordnung | |||||||
Sortentyp | Linie | Hybride | Linie | Hybride | ||||
Herbst-N-Düngung (kg N/ha) | 0 | 30 | 0 | 30 | 0 | 30 | 0 | 30 |
Gesamt-N-Düngung (kg N/ha) | 183 | 205 | 187 | 208 | 190 | 190 | 190 | 190 |
Frühjahrs-N-Düngung (kg N/ha) | 183 | 175 | 187 | 178 | 190 | 160 | 190 | 160 |
Kornertrag (t/ha) | 10,8 | 11,0 | 11,3 | 11,5 | 10,9 | 10,9 | 11,4 | 11,3 |
Protein-Konzentration (%) | 11,4 | 11,1 | 11,4 | 11,0 | 11,6 | 10,6 | 11,4 | 10,5 |
N-Ertrag (kg N/ha) | 164 | 163 | 173 | 170 | 168 | 155 | 174 | 160 |
N-kostenfreie Leistung (€/ha) | 1512 | 1522 | 1618 | 1627 | 1512 | 1519 | 1616 | 1624 |
N-Bilanz (kg N/ha) | 19 | 42 | 15 | 38 | 22 | 35 | 16 | 30 |
N-Nutzungseffizienz (kg N/kg N) | 0,9 | 0,8 | 0,9 | 0,8 | 0,9 | 0,8 | 0,9 | 0,8 |
Fazit
Die Ertragsvorteile einer N-Düngung resultieren aus einer optimierten Strahlungsaufnahme, welche wiederum die Kornzahl erhöht. Hybridgerste erzielte einen höheren Kornertrag, der vor allem auf einer gesteigerten Effizienz der Strahlungsausnutzung beruhte. Die verschiedenen Sortentypen reagierten ähnlich auf die Wirkung der N-Düngung hinsichtlich Ertrag, Proteingehalt und N-Bilanz. Eine Herbst-N-Düngung kann zwar die vegetative Entwicklung der Bestände fördern, die Effizienz für den Kornertrag ist jedoch gering. Bei einem praxisüblichen Düngungsniveau überwiegen die Nachteile einer Herbst-N-Düngung in Form erhöhter N-Bilanzen.