Hitzestress im Rinderstall vermeiden

Carina Führer, Beratungsteam Tierhaltung

Wenn die Temperaturen steigen, steigt auch der Stress – nicht nur für uns Menschen, sondern besonders für Rinder. Hitzestress im Stall wirkt sich negativ auf das Wohlbefinden, die Futteraufnahme und die Milchleistung der Tiere aus. Umso wichtiger ist es, rechtzeitig Maßnahmen zu ergreifen, die für Abkühlung und Entlastung sorgen. In diesem Beitrag zeigen wir Ihnen, wie Sie Ihre Rinder wirksam vor Hitzestress schützen und gleichzeitig die Tiergesundheit sowie die Produktivität Ihres Betriebs sichern.

Personengruppe in einem Rinderstall.
Abbildung 1: LLH-Rinderberatungskräfte auf einer Fortbildungsveranstaltung

1. Viel Frischluft und hohe, natürliche Luftwechselraten erreichen

1.1 Stallausrichtung, Dächerwahl und benachbarte Gebäude

Um ein möglichst optimales Klima mit einer hohen Frischluftzufuhr und gleichzeitig maximalem Luftaustausch zu erreichen, sollte der Stall offen und quer zur Hauptwindrichtung gebaut werden. Dabei ist es von Vorteil, wenn der First je 3 m Stallbreite ca. 5 cm offen ist, um mit einer natürlichen Lüftung hohe Luftwechselraten zu erzielen. Des Weiteren sollte die Traufenhöhe mindestens 4 m betragen und mit verstellbaren Curtains versehen sein. Es wird empfohlen, diese witterungsabhängig möglichst gänzlich geöffnet zu lassen. Auch Lochbleche im Giebelbereich fördern den natürlichen Luftaustausch.

Das Dach sollte so gewählt werden, dass der Wärmeeintrag so gering wie möglich gehalten wird. Hier kommen gedämmte Sandwichelemente oder eine PV-Anlage auf dem Dach infrage. Zudem können helle Dächer zu einer besseren Thermik beitragen.

Eine direkte Sonneneinstrahlung in den Stall ist zu vermeiden. Vor allem in älteren Gebäuden sind häufig Lichtplatten vorzufinden, die zu einer hohen Sonneneinstrahlung beitragen. Problematisch werden diese, wenn die Sonne in den Liegebuchtenbereich scheint. Ein Austausch mit lichtbrechenden Platten verhindert die direkte Einstrahlung.

Neben der Dachauswahl und der Ausrichtung des Stalles, sollte dieser möglichst frei, ohne benachbarte Gebäude, stehen. Die freie Anströmung ist vor allem bei Milchkuhställen schwerer umzusetzen, da sich die Futter- und Güllelagerung häufig in unmittelbarer Nähe des Stalles befinden bzw. dort vorgesehen sind. Hierbei sollten Kompromisse gewählt werden, die dennoch möglichst hohe Luftwechselraten erzielen.

2. Wenn die natürliche Lüftung über Thermik nicht mehr ausreicht

2.1 Förderung der Wärmeabgabe über Ventilatoren

An warmen und windstillen Tagen kommt die freie Lüftung aufgrund fehlender Thermik zum Erliegen, sodass die Rinder mehr Wärme produzieren als abgeben können. Durch Ventilatoren kann die Wärmeabgabe gefördert werden, indem das Wärmepolster der Kuh durchbrochen und die Verdunstungskälte genutzt wird. Um diesen Effekt zu erreichen, müssen Windgeschwindigkeiten von mindestens 2 m/s an das Tier abgegeben werden. Erst dann kommt es zu einem ausreichenden Kühleffekt. Die Luftgeschwindigkeit eines Ventilators kann mit einem Messgerät geprüft werden (siehe Abb. 2).

Drei Personen in einem Rinderstall, die rechts stehende Person hält ein Messgerät in der Hand
Abbildung 2: Messung der Luftgeschwindigkeit im Laufstall bei einer Fortbildungsveranstaltung für Beratungskräfte (v.r.: Referent Alfons Fübbeker, LWK Niedersachsen, André Peter und Immo Georg, beide LLH)

Es gibt Deckenventilatoren, Axialventilatoren und Schlauchbelüftungen. In Milchkuhställen soll die Luftgeschwindigkeit durch den Einsatz von Ventilatoren erhöht werden. Hohe Luftgeschwindigkeiten bewirken einen Kühlungseffekt und damit eine Verringerung der Wärmebelastung bei den Tieren. Zur Erzielung hoher Luftgeschwindigkeiten am Tier (über 2m/s) sind Axialventilatoren gut geeignet.  

2.1.1 Axialventilatoren sollten längs über den Liegebuchten ausgerichtet werden

Es gibt verschiedene Möglichkeiten die Axialventilatoren auszurichten. Grundsätzlich sollten Axialventilatoren über dem Liegebuchtenbereich in Hauptwindrichtung und über den Liegebuchten selbst längs ausgerichtet werden. Die Abstände zwischen zwei Ventilatoren sind abhängig von der Reichweite und von der Einstellung des Neigungswinkels eines Ventilators. Ziel ist es, möglichst viele Liegebuchten gleichmäßig zu kühlen. Eine optimale Ausrichtung ist jedoch nicht in jedem Stall umsetzbar und erfordert oft Kompromisse.

2.1.2 Gitter um Ventilatoren bei zu niedriger Einbauhöhe verpflichtend

Axialventilatoren mit einer Einbauhöhe von unter 2,70 m (Ventilatorunterkante) müssen mit einem Gitter geschützt werden. Dies ist in der Regel bei äußeren Liegeboxenreihen an der Traufenseite der Fall. Zudem sollten die Gitter und Ventilatoren stets sauber und fest installiert sein, um Leistungseinbußen zu minimieren.

2.1.3 Doppelliegebuchtenreihen mit Ventilatoren ausstatten

Viele Ställe mit Doppelliegebuchtenreihen können bei ausreichender Deckenhöhe optimal mit großen, gitterlosen Axialventilatoren ausgestattet werden. Ist die Reihenmitte z.B. durch Ständer verbaut, bieten sich zwei kleinere Ventilatoren an, die links und rechts neben dem Hindernis montiert werden.

2.2 Zwei Klimazonen im Melkstand/Vorwartebereich

Im Bereich des Melkstands sollen Ventilatoren Fliegen vertreiben, die Luftfeuchtigkeit geringhalten und Frischluft zuführen Hier ergibt sich ein Zielkonflikt: Kühe benötigen eine Mindestluftgeschwindigkeit von 2 m/s, um einen Kühleffekt zu spüren, während bei Menschen Luftgeschwindigkeiten über 0,5 m/s oft zu Erkältungssymptomen führen. Demnach müssen im Melkstand zwei Klimabereiche hergestellt werden: Im Kuhbereich sorgen auf die Kühe ausgerichtete Ventilatoren für eine gute Abkühlung und im Melkerbereich sollten nur kleinere Ventilatoren installiert werden, die für den Menschen unbedenklich sind, aber beispielsweise den Fliegenbestand minimieren.

3. Und was sagen die Kälber dazu?

3.1 Frischluft ja, Zugluft nein

Eine Person steht in einem Stall vor einem Tor. Neben einer weißen Wand ist Rauch zu sehen.
Abbildung 3: Visualisierung von Zugluft durch kleine Öffnung am Tor mithilfe einer Nebelpatrone
Person in einem Kälberabteil, im Hintergrund steht eine Person am Fenster und hält ein Messgerät in die Höhe.
Abbildung 4: Messung der Luftgeschwindigkeit an einem gekippten Fenster mithilfe eines Messgerätes

In der Kälberaufzucht spielt die Frischluft eine ähnlich wichtige Rolle wie bei der Mutter- und Milchkuhhaltung. Anders als bei ausgewachsenen Rindern, sollte die Luftgeschwindigkeit im Kälberbereich möglichst geringgehalten werden. Je nach Witterungslage darf eine Luftgeschwindigkeit von 0,2 m/s (im Sommer bis 0,5 m/s) nicht überschritten werden. Temperatur- und windgesteuerte Curtains können hier helfen. Windnetze sind gute Alternativen: Sie garantieren ausreichend Frischluftzufuhr, reduzieren aber gleichzeitig die Windgeschwindigkeit.

Zugluft ist unbedingt zu vermeiden. Diese kann etwa durch gekippte Fenster, Risse im Kälberiglu, Schlitze in Curtains oder leicht geöffnete Tore entstehen. Es ist besser, wenn Fenster oder Tore komplett geöffnet und mit Windnetzen versehen werden, anstatt diese nur zum Teil zu öffnen. Um Schwachstellen zu erkennen, können Nebelpatronen eingesetzt werden, die den Luftaustausch und Zugluft-Schwachstellen im Stall visualisieren (siehe Abbildung 3 und 4).

3.2 Nutzung von Altgebäuden für die Kälber- und Jungviehaufzucht

Einige Betriebe nutzen ihre Altgebäude für die Kälber- und Jungviehaufzucht. Lässt sich eine natürliche Frischluftzirkulation nicht einrichten, ist die Schlauchlüftung oft die beste Lösung. Wie bereits erwähnt, wird Frischluft durch einen Ventilator in den Schlauch gesaugt und diese über Löcher in den Stall abgegeben. Bei der Schlauchlüftung ist es essentiell, regelmäßig den Luftdruck über die gesamte Schlauchlänge zu überprüfen und diesen stabil zu halten. Die Luftgeschwindigkeit am Kalb darf nicht höher als 0,2 m/s betragen und die Temperatur muss konstant gehalten werden. Bei hohen Temperaturschwankungen (z.B. Tag/Nacht) und Luftgeschwindigkeiten werden Kälber krank. Des Weiteren muss der Schlauch in regelmäßigen Abständen auf Sauberkeit überprüft werden. Auch eine hohe Keimbelastung in der Umgebungsluft trägt zu einer Verschlechterung der Kälbergesundheit bei.

4. So können Sie Hitzestress im Stall feststellen

4.1 Das Verhalten der Tiere sagt viel über ihr Wohlbefinden aus – wir müssen nur hinsehen

Es gibt zahlreiche, sichtbare Anzeichen, die Rinder zeigen, wenn sie unter Hitzestress leiden. Das Offensichtlichste bei akut hitzegestressten Rindern ist die deutlich erhöhte Atemfrequenz. Aber auch nicht direkt sichtbare Anzeichen können bei guter Beobachtung erkannt werden: Beobachten Sie ihre Tiere in regelmäßigen Abständen hinsichtlich des Liegeverhaltens, der Wiederkauaktivität und hinsichtlich des Stehverhaltens. Stehen die Tiere mehr als gewöhnlich? Strecken sie den Hals und den Kopf aus? Liegen sie weniger? Wenn sie liegen, wo liegen sie? Gibt es räumliche Präferenzen zu einem bestimmten Tageszeitpunkt? Kauen sie in unregelmäßigen Abständen wieder? Bei Roboterbetrieben: Präferieren Kühe bestimmte Tageszeiten zum Melken bzw. ändern sie ihre gewohnten Melkzeiten bei wärmeren Tagen? Bei Kälbern: Präferieren sie bestimmte Ecken oder liegen sie verteilt im Stall?

4.2 Messung der Luftgeschwindigkeit und Visualisierung des Luftaustausches

Die einfachsten, schnellsten und kostengünstigsten Methoden zur Feststellung des Klimas im Stall sind zum einen Messgeräte zur Bestimmung der Luftgeschwindigkeit und zum anderen Nebelpatronen zur Visualisierung der Luftzirkulation. Gehen sie zusammen mit Ihrer Beratungskraft durch den Stall und messen sie an verschiedenen Stellen die Luftgeschwindigkeit. Achten Sie vor allem auf die Unterschiede zwischen beliebten Liegebereichen und unbeliebten.

Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen
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