Nachlese Agroforst-Exkursion 2025: Von der Nuss bis zur Weidenfaser
Oliver Döll, Fachinformation Biorohstoffnutzung
Am 22.05.25 haben sich Agroforst- und Nussinteressierte auf einer Exkursion in Nordhessen zusammengefunden. Landwirtinnen und Landwirte waren ebenso vertreten wie Vertreterinnen und Vertreter von Verbänden, Behörden, Kommunen und Universitäten. Thema war der Anbau von Walnüssen und Haselnüssen sowie Weiden zur stofflichen Nutzung im Keyline-Design. Die Exkursionsgruppe besuchte drei verschiedene Orte in Nordhessen und Südniedersachsen. Organisiert und durchgeführt wurde die Exkursion vom Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen (LLH) im Rahmen des Klimaplans Hessen in Kooperation mit der Universität Kassel.
Station 1: Fläche bei Trendelburg-Stammen

Die Exkursion startete auf dem Betrieb von Matthias Moos in Trendelburg. Der Nebenerwerbslandwirt, der bei der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt (NW-FVA) für die Erhaltung forstlicher Genressourcen zuständig ist, baut auf seinen Flächen Walnüsse, Esskastanien und Pekannüsse an.
Für einen vermehrten Nussanbau in Deutschland und Hessen, insbesondere unter dem Aspekt der Klimaveränderungen, sind stete Sortenversuche essentiell, um eine wirtschaftliche Produktion von Nüssen zu ermöglichen.
Dazu nimmt Moos jährlich Aufnahmen an verschiedenen, teils regionalen Sorten vor. Bei den Walnüssen werden der Ertrag, das Gewicht der Nüsse, das Verhältnis von Schale zu Kern, die Qualität der Nüsse und der Zeitpunkt des Austriebs im Frühjahr gemessen. All diese Merkmale werden in einem Bewertungssystem zusammengefasst, um einzuschätzen, wie gut sich die einzelnen Sorten für den Anbau und eine wirtschaftliche Nutzung eignen.

In einer Scheune hat Moos eine Walnussverarbeitungsstraße errichtet. Hier werden die Nüsse getrocknet und anschließend mit einfacher und preisgünstiger Technik geknackt und sortiert. Dies erfolgt mittels eines Siebs und kurbelgetriebenem Gerät. Ein händisches Nachlesen der Kerne ist erforderlich. Besonders herausfordernd ist die richtige Trocknung der Nüsse. Werden die Nüsse nicht unmittelbar nach der Abreife gesammelt und sorgfältig getrocknet, kommt es schnell zu Schimmelbefall, der ganze Chargen unbrauchbar machen kann.
Bisher ist der Ertrag der noch jungen Bäume überschaubar, weswegen auch Nüsse von anderen Erzeugenden zugekauft und vermarktet werden. Perspektivisch sollen genügend Nüsse wachsen, um einen nennenswerten Ertrag generieren zu können. Wenn die Mengen größer werden und sich weitere Betriebe finden können, die ebenfalls Walnüsse anbauen möchten, lohnt sich eine weitere Mechanisierung der Verarbeitungsstraße.

Steffen Fehrenz von der Firma Dendroquant betonte, wie wichtig erschwingliches Pflanzgut ist. Walnusssorten sind wegen der aufwendigen Veredelung vergleichsweise teuer. Eine Möglichkeit, die Kosten zu senken, ist die In-vitro-Vermehrung (Stecklinge in Nährlösung), ein Schwerpunkt von Dendroquant.
Station 2: Fläche bei Trendelburg-Gottsbüren
Die nächste Station befand sich auf einer Fläche oberhalb des Ortsteils Gottsbühren. Im Zuge des Modell- und Demonstrationsvorhabens SALIX AFS wurden hier drei Gehölzstreifen im Keyline-Design angelegt. SALIX AFS ist ein Teilprojekt des MODEMA-Verbundvorhabens, in dem verschiedene agroforstliche Aspekte untersucht werden. Auf der Weidefläche in Gottsbühren, die zum Betrieb von Karoline Kronenberg gehört und von der Firma Dendroquant bewirtschaftet wird, wurden im März dieses Jahres verschiedene Weidenarten zweireihig in der Art eines Kurzumtriebes gesteckt. Diese sollen jährlich geerntet werden, um aus ihrem Holz mithilfe moderner Technik einen Endlosfaden zu erzeugen, der in verschiedenen bautechnischen und textilen Bereichen Verwendung finden kann. Thorsten Michaelis und Birge Wolf von der Universität Kassel, die das Projekt mit begleiten, haben zur Veranschaulichung Exponate mitgebracht. Manche der gesteckten Weidenarten zeichnen sich zudem durch einen besonders hohen Salicin-Gehalt in der Rinde aus. Nach der Ernte werden die Ruten geschält und die Rinde getrocknet. Der Wirkstoff findet in vielen medizinischen und kosmetischen Produkten Verwendung und soll entsprechend aufbereitet und verarbeitet werden.

Neben den Weiden stehen in größeren Abständen auch fruchttragende Gehölze. Perspektivisch können hier in fünf bis zehn Jahren Walnüsse, Mostbirnen und Elsbeeren geerntet werden und in fünfzig Jahren die Stammstücke auf den Holzmarkt gehen. Zum Schutz der Anlage wurde die gesamte Fläche mit einem Zaun umgeben.
Die drei Gehölzstreifen stehen auf den Dämmen von zuvor ausgebaggerten Retentionslinien. Regenwasser, insbesondere wenn eine große Menge in kurzer Zeit niedergeht, soll sich entlang der Linien auf der Fläche verteilen, zurückgehalten werden und langsam versickern. Die Planung und Begleitung bei der Anlage des Systems im Keyline-Design wurde von Phillip Gerhard von der Firma Baumfeldwirtschaft vorgenommen. Die Sickergräben folgen einem genau ausgerechneten Verlauf, der sich am Höhenprofil orientiert. Das Agroforstsystem hat somit zwei Funktionen: Rohstoffproduktion und Starkregen abpuffern.

Dem Hochwasserschutz kommt in der Gemeinde eine hohe Bedeutung zu. Erst letztes Jahr gab es in Gottsbühren eine Überschwemmungskatastrophe. Der Bürgermeister von Trendelburg, Manuel Zeich, unterstützt das Projekt ausdrücklich. Er nahm sich die Zeit, Fragen aus kommunaler Sicht zu erläutern und zur Diskussion zu stellen. Zeich wünscht sich in der Umgebung weitere Flächen wie diese, insbesondere auf gefährdeten Hängen.
Station 3: Fläche bei Uslar-Schönhagen (SollingNuss)
Auf der dritten Station fanden sich die Teilnehmenden zu einem Mittagsimbiss auf der Haselnussplantage des Betriebs „SollingNuss“ https://www.sollingnuss.de/ in Uslar ein. Vor 6 Jahren hat Betriebsleiter Hendrik Hoffmann den Haselnussanbau als neuen Betriebszweig aufgebaut. Auf insgesamt ca. 4 ha werden verschiedene Haselnüsse angebaut, hauptsächlich die Sorten ‚Hallesche Riesen, ‚Katalonski‘ und die durch ihr rotes Laub bestechende ‚Rote Zellernuss‘. Er teilte seine Erfahrungen bei der Planung und Anlage der Haselnussplantagen, nützliche Informationen zur Pflege und Ernte sowie die perspektivische Entwicklung der Haselnusserzeugung in der Region mit der Gruppe.
Da es bislang in Niedersachsen und Hessen nur wenige Betriebe gibt, die Haselnüsse anbauen, hatte sich Hoffmann im Vorfeld in Süddeutschland und den USA informiert. Ein Aspekt, den er für seine Flächen mitgenommen hat: Die Haselnusspflanzen sind nicht, wie bei den meisten Plantagen, auf Baumhaseln veredelt, sondern wurzelecht. Dies hat zum Vorteil, dass die gewünschte Verzweigungshöhe individuell anpassbar ist. Zudem kann, sollte mal eine Pflanze abgängig sein, ein austreibender Schosser leicht zu einem neuen Stamm erzogen werden. Nachteilig ist der höhere Pflegeaufwand, da die Gewöhnliche Hasel im Gegensatz zur Baumhasel viele Wurzeltriebe und bodennahe Verzweigungen ausbildet, die immer wieder zurückgeschnitten werden müssen.

Geerntet werden die Nüsse mit Netzen. Um einen guten Arbeitsablauf sicherzustellen werden die Flächen gemulcht. Die meisten seiner Pflanzen werden in der betriebseigenen Baumschule vermehrt. Dies garantiert die gewünschte Qualität des Pflanzgutes und macht den Betrieb unabhängiger. Neben Haselnüssen werden auch Walnüsse, Mandeln und Pimpernüsse produziert und angebaut. Zurzeit wird eine Verarbeitungslinie für Haselnüsse aufgebaut. Auch externe Betriebe können dann ihre Nüsse hier im Lohn knacken lassen. Ab 2026 erfolgt die Umstellung des Betriebes auf biologische Produktion.

Aufgrund der windexponierten Lage hat der Betriebsleiter auf den Westseiten der Flächen Miscanthus (Miscanthus × giganteus) und Durchwachsene Silphie (Silphium perfoliatum) gepflanzt. Diese 3 bis 4 m hoch werdenden Dauerkulturen sollen den einfallenden Wind bremsen und so die Haselnusspflanzen schützen. Gleichzeitig bietet die Silphie ein üppiges Nahrungsangebot für bestäubende Insekten. Im Frühjahr werden die Streifen dann gemulcht und treiben erneut aus. Eine andere Plantagenflächen wird längs von einem Gehölzstreifen durchbrochen, der verschiedene Beerensträucher, Ölweiden und Nussarten enthält. Sogar Rhabarber wächst in dieser Reihe. Der Streifen steigert die Biodiversität, bietet zusätzlich Früchte und wirkt optisch ansprechend.
Fazit
In der gut besuchten Veranstaltung konnten die Teilnehmenden viel mit nach Hause nehmen. Die Produktion von Nüssen oder Holz für stoffliche Zwecke auf landwirtschaftlichen Flächen ist zwar noch immer ein Nischenthema, doch steigt die Zahl der interessierten Betriebe. Auch aufgrund des Klimawandels und der daraus resultierenden Effekte wie Starkregen nimmt dessen Bedeutung zu.