Vorratsschutz im Ökologischen Landbau
Anke Schneider, Beratungsteam Ökologischer Landbau
In den letzten Jahren hat der Druck durch Vorratsschädlinge in Bio-Betrieben spürbar zugenommen. Einerseits begünstigt die Klimaerwärmung mit milderen Wintern und längeren warmen Phasen die Entwicklung vieler Vorratsschädlinge, andererseits führte die schwierige Marktsituation bei Bio-Getreide zu Überlagerungen, und damit zu einem höheren Risiko für Befall. Der Vorratsschutz ist daher nicht mehr nur ein Randthema, sondern zentrale Vorsorgemaßnahme für den Erhalt der Qualität unserer Ernte.
Sauberkeit und Monitoring: Der Anfang von allem
Eine konsequente Lagerhygiene ist die wichtigste Grundlage im Vorratsschutz.

- Leere Läger und Maschinen sollten vor jeder Einlagerung gründlich gereinigt werden, inklusive Ecken, Ritzen, Förderanlagen und schwer erreichbaren Stellen.
- Die Kontrolle des gefüllten Lagers erfolgt idealerweise mit Stechfallen zur Prüfung auf Käfer und Larven sowie Pheromonfallen zur Überwachung von Mottenflug.
- In der kalten Jahreszeit sind viele Insekten inaktiv, hier empfiehlt es sich, Proben zu ziehen und diese bei Zimmertemperatur auf Befall zu prüfen.
Wer früh einen Schädlingsbefall erkennt, kann gezielt und wirkungsvoll reagieren – das spart Aufwand und schützt die Qualität.
Nützlinge: stark in der Prävention, begrenzt bei Befall
Biologische Gegenspieler wie Lagererzwespen, Motten- oder Trichogramma-Schlupfwespen sind eine wertvolle Ergänzung im Vorratsschutz, aber vor allem vorbeugend. Denn Nützlinge töten nicht alle Schädlinge, sie leben von ihnen. Würden sie diese vollständig eliminieren, würden sie sich selbst die Lebensgrundlage entziehen. Deshalb ist es besonders sinnvoll, Nützlinge in leeren, zuvor gereinigten Lagern einzusetzen. Dort können sie überlebende Käfer, Motteneier oder versteckt sitzende Insekten parasitieren und so helfen, den Druck schon vor der Einlagerung möglichst gering zu halten.
Wichtig:
- Nützlinge dürfen niemals gleichzeitig mit mineralischen Präparaten wie SilicoSec® oder Insektiziden angewendet werden, da sie dadurch abgetötet würden.
- Bei starkem Befall, z. B. bei Mottenflug oder Kornkäfer-Fraß im Getreide, reichen Nützlinge alleine nicht aus. Hier sind zugelassene Pflanzenschutzmittel wie Pyrethrum oder Kieselgur Produkte gefragt.
Kieselgur und Pyrethrum: Anwendung nur mit Sachkunde und Zulassung
Präparate wie z.B. SilicoSec, auf Basis von Diatomeenerde, und Pyrethrum, ein natürlicher Pflanzenextrakt aus Chrysanthemen Blüten, sind für den Einsatz im Ökolandbau zugelassen.
- Diatomeenerde wirkt physikalisch: Die feinen Partikel reiben die schützende Wachsschicht der Insekten ab, die Tiere trocknen dadurch aus und verenden.
- Pyrethrum wirkt neurotoxisch auf Insekten: Es greift das Nervensystem an, führt zu Lähmung und schnellem Tod, insbesondere bei fliegenden Mottenarten.
Aber wichtig zu wissen:
- Auch wenn beide Wirkstoffe natürlichen Ursprungs sind, gelten sie rechtlich als Pflanzenschutzmittel und unterliegen dem Pflanzenschutzgesetz.
Was bedeutet das konkret?
- Nur zugelassene Produkte dürfen mit Lebensmitteln oder Futtermitteln in Kontakt kommen.
- Billigprodukte aus dem Internet, etwa „Diatomeenerde“ oder „Kieselgur“ von Onlineplattformen, sind meistens nicht als Pflanzenschutzmittel zugelassen, ihr Einsatz ist daher rechtlich unzulässig. Zudem ist bei solchen Produkten oft unklar, ob es sich um nicht-amorphe oder kristalline Silikate handelt. Diese können beim Einatmen zu ernsthaften Lungenschäden führen, da sich kristalline Silikastrukturen dauerhaft im Lungengewebe festsetzen können. Bei zugelassenen Produkten wie SilicoSec handelt es sich hingegen um amorphe, hydrophile Diatomeenerde, die wesentlich gesundheitsschonender ist. Dennoch ist auch hier das Tragen geeigneter Atemschutzmasken (FFP2 oder besser) beim Ausbringen Pflicht.
- Wer solche Mittel ausbringt, muss sachkundig sein, d. h. einen gültigen Pflanzenschutz-Sachkundenachweis besitzen.
Sie sind unsicher, ob ein Produkt zugelassen ist? Die FiBL-Betriebsmittelliste gibt Auskunft über die Zulassung im Ökolandbau.
Bevor Kieselgur ins Getreide eingemischt wird, unbedingt mit dem Abnehmer Rücksprache halten, ob er das behandelte Getreide annimmt. Nicht alle Mühlen sind dafür ausgestattet oder bereit, behandelte Ware zu verarbeiten.
Das ideale Lager: Leider oft nur Theorie
Nicht jedes Lager ist perfekt, aber es lohnt sich, die Schwachstellen zu kennen und wo möglich zu verbessern:

- Dicht abschließen: Vorratsschädlinge finden Getreide über weite Strecken durch Geruch.
- Tageslicht & Dunkelheit gezielt nutzen: Tagsüber hell ausleuchten, denn Motten meiden grelles Licht. Nachts hingegen gut abdunkeln, um das für Motten attraktive Dämmerlicht zu vermeiden.
- Glatt & fugenfrei: Viele Läger, gerade ältere, sind innen aus rauem Holz. Doch Schädlinge sind winzig und überleben in feinsten Ritzen. Glatte, gut zu reinigende Oberflächen machen es ihnen schwer. Wer umbaut oder saniert, sollte auf fugenlose, hygienische Materialien achten.
- Keine Lagerung an Außenwänden, um Kondensation zu vermeiden, Temperaturdifferenzen fördern Schimmel und Feuchteverlagerung.
Klima im Lager: kühle, trockene Luft ist bares Geld wert
Neben Sauberkeit, Dichtigkeit und Struktur ist das richtige Lagerklima ein wesentlicher Faktor im Vorratsschutz.
Das eingelagerte Getreide sollte möglichst trocken sein. Zielwert sind maximal 14 % Feuchtigkeit, besser noch darunter. Auch die Lagertemperatur spielt eine zentrale Rolle: Je höher die Temperatur, desto schneller vermehren sich Vorratsschädlinge und Mikroorganismen von Schimmelpilzen bis zu Milben.
Unter 10 °C entwickeln sich Insekten kaum; die biologische Aktivität der meisten Vorratsschädlinge kommt zum Erliegen. Daher ist es aus Sicht des Vorratsschutzes betriebswirtschaftlich absolut sinnvoll, auf eine gezielte Kühlung des Getreides zu achten.
Dabei kommt es nicht nur darauf an, ob gelüftet wird, sondern wann und wie: In den zunehmend heißen und feuchten Sommern kann eine Lüftung mit warmer Tagesluft sogar kontraproduktiv sein. Wird feuchte Außenluft in das Lager eingeblasen, kann sie zu Schwitzwasserbildung und unerwünschtem Wärmeeintrag führen mit entsprechendem Risiko für Kondensation und Schädlingsförderung.
- Die Lüftung sollte idealerweise nachts oder frühmorgens stattfinden. Dann ist die Außenluft am kühlsten und trockensten.
- Temperatur- und Feuchteverläufe der Außenluft sollten mit einfachen Sensoren überwacht werden, um den idealen Lüftungszeitpunkt gezielt zu steuern.
- Eventuell kann sich die Investition in ein mobiles Kühl- oder Entfeuchtungsgerät lohnen. Damit lässt sich trockene, kalte Luft gezielt einbringen unabhängig von den Außenbedingungen.
Solche Systeme sind heute auch für kleine Betriebe erhältlich und oft wirtschaftlich sinnvoll – besonders, weil Schädlings- oder Schimmelbefall schnell zu großen Qualitätsverlusten führen und den Wert einer ganzen Getreidelieferung mindern können.
Fazit: Vorratsschutz ist anspruchsvoll, aber mit dem richtigen Know-how gut umsetzbar. Wichtig ist eine Kombination aus Hygiene, Monitoring, sinnvoll eingesetzten Nützlingen und zugelassenen Präparaten. Eine gute Vorbereitung beginnt vor der Ernte, sprechen Sie frühzeitig mit Ihrer Beratungskraft, der Mühle und ggf. Ihrer Kontrollstelle, um gemeinsam eine sichere und nachhaltige Strategie zu entwickeln.