Liquidität geht vor Rentabilität
Martin Mees, Beratungsteam Ökonomie und Verfahrenstechnik
„Liquidität geht vor Rentabilität“ – ein oft vergessener, aber stets entscheidender Grundsatz. Die Fähigkeit, jederzeit offene Rechnungen, Löhne und Tilgungen begleichen zu können, ist für das Fortbestehen eines landwirtschaftlichen Unternehmens unerlässlich. In der Praxis fehlt jedoch oft eine systematische Liquiditätsplanung.
Eine Liquiditätsplanung kann sehr einfach aufgebaut sein oder viele Details berücksichtigen. Der wichtigste Schritt ist, überhaupt mit der Liquiditätsplanung anzufangen – denn wer einmal beginnt, wird schnell den Nutzen erkennen.
Die Grundlage einer Liquiditätsplanung bildet immer die Buchführung. Die Gewinn- und Verlustrechnung arbeitet auf der Ebene der Erträge und Aufwendungen. Um die liquiditätswirksamen Ein- und Auszahlungen zu ermitteln, sind nur wenige Korrekturen notwendig: Erträge, bei denen sich das Bankguthaben nicht erhöht, wie Veränderungen von Beständen oder Auflösungen von Sonderposten, werden nicht berücksichtigt. Gleiches gilt für Aufwendungen, die das Bankkonto nicht belasten, wie Abschreibungen oder Veränderungen von Beständen. Hinzugerechnet werden Tilgungen. Viele Steuerbüros oder Buchhaltungsprogramme stellen die zahlungsrelevanten Daten, unterteilt in Monate oder Quartale, auf Anfrage zur Verfügung.
Diese Werte lassen sich gut in eine Excel-Tabelle übertragen. Für einen groben Überblick reicht eine Betrachtung auf Quartalsbasis, genauer wird es mit einer monatlichen Betrachtung. Für eine einfache Datenübertragung können Sammelpositionen gebildet werden.
Anhand der Vorjahreswerte lässt sich die Tabelle nun Zeile für Zeile aktualisieren. Sondereffekte wie verspätete Prämienzahlungen, der Verkauf von Maschinen oder Tieren, Investitionen, Nachzahlungen usw. werden für das aktuelle Jahr angepasst. Gleiches gilt für die wichtigsten Verkäufe und Betriebsmittel: eine Prognose für den Milchpreis der nächsten zwölf Monate, die Kontrakte für den Verkaufsweizen, Dieselpreise usw.
Szenarioanalyse und Risikomanagement
Ein wichtiger Bestandteil der Liquiditätsplanung ist die Berücksichtigung von Szenarien und potenziellen Risikofaktoren. Was passiert, wenn beispielsweise der Milchpreis unerwartet sinkt oder Einnahmen verzögert eingehen? So sollte ein Unternehmen nicht nur die „beste“ Annahme eines konstanten Milchpreises verwenden, sondern auch Worst-Case-Szenarien (z.B. drastische Preissenkungen) einplanen. Eine Szenarioanalyse kann helfen, verschiedene Risiken und deren Einfluss auf die Liquidität des Unternehmens zu kalkulieren und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.
Schwer einzuschätzen sind derzeit leider Prämienzahlungen. In den letzten Jahren schwankten die Auszahlungstermine stark. Im Zweifel gilt für nicht planbare Zahlungstermine: Einzahlungen später und Auszahlungen früher einplanen. Damit wird die Liquidität sichergestellt.
Steuerliche Vorauszahlungen und Nachzahlungen
Eine besondere Herausforderung stellen Zahlungstermine für Steuern dar. Es empfiehlt sich eine enge Abstimmung mit der Steuerberatung. Während Grundsteuern bereits im Bescheid festgelegt sind und regelbesteuerte Unternehmen im regelmäßigen Turnus Umsatzsteuer zahlen bzw. erstattet bekommen, ist die Streuung bei der Einkommensteuer größer. Die regelmäßigen Vorauszahlungen sollten auf jeden Fall bei den Auszahlungen berücksichtigt werden. Der Termin eventueller Nachzahlungen lässt sich allerdings nur grob aus den Fristen für die Erstellung des Jahresabschlusses und der Abgabe der Steuererklärung abschätzen. Zwei Ansätze können hier weiterhelfen:
- Überschlägig wird der monatliche Zahlungsüberschuss als Gewinn des Monats betrachtet, und davon werden 30 % für die Einkommensteuer zurückbehalten, indem entweder die Vorauszahlungen bestritten oder auf ein Tagesgeldkonto eingezahlt werden.
- Alternativ kann der Vorjahresgewinn nach dem Jahresabschluss – mit einem passenden Steuersatz versehen und um Vorauszahlungen gemindert – auf einem Tagesgeldkonto angespart werden.
Tagesgeldkonten sind nicht nur ein gutes Werkzeug, um zukünftige Steuerzahlungen abzufedern. Aufgrund der derzeit guten Zinsen können sie auch für saisonale Liquiditätsüberschüsse, zum Beispiel nach der Prämienzahlung, genutzt werden. Generell empfiehlt sich ein Liquiditätspuffer in Höhe von bis zu 50 % des Jahresumsatzes.
Die Höhe ist betriebsindividuell festzulegen: Solide Betriebe mit einer starken Eigenkapitalfinanzierung und guten Leistungen können weniger Liquidität vorhalten als Betriebe, die auf schwankenden Märkten handeln und mit viel Pachtland sowie Fremdkapital wirtschaften.
Ein großer „Puffer“ verhindert Sorgen und Engpässe, wenn Märkte plötzlich durch eine Tierseuche oder einen Handelskrieg abstürzen oder größere Reparaturen anstehen. Er dient letztlich auch der psychischen Gesundheit der Betriebsleiterfamilie.
Eine dauerhafte Nutzung des Kontokorrentkredits (Dispo / Überziehungskredit) ist nicht zu empfehlen. Die damit verbundenen hohen Zinsen und die schlechtere Einstufung durch die Bank wirken sich langfristig negativ auf die finanzielle Stabilität des Betriebs aus. Wenn Ihr Konto auch in guten Jahren überwiegend im Minus läuft, bieten sich eine Beratung zur Umschuldung sowie Gespräche mit Ihrer Bank an.
Investitionen und Liquidität
Den größten Einfluss auf die Liquidität haben Investitionen. Gerade in guten Zeiten lässt sich vom Konto eine Menge betriebsnotwendiger Maschinen und Geräte oder kleinerer Bodenkäufe tätigen. Doch ohne eine gute Liquiditätsplanung können jedoch auch „kleine“ Investitionen schnell zur Falle werden, wenn Steuernachzahlungen oder sinkende Verkaufspreise nicht berücksichtigt werden. Die klare Empfehlung lautet daher, zuerst eine realistische Liquiditätsplanung zu erstellen und anschließend Investitionen einzuplanen.
Ziel sollte es sein, immer einige Monate in die Zukunft zu planen. Wenn der letzte Jahresabschluss oder die Geldrückmeldung erst gegen Ende des Kalenderjahres vorliegen, sollte die Planung für das gesamte Folgejahr erfolgen. Wer selbst bucht oder Geldrückmeldungen früher erhält, kann auch das laufende Wirtschaftsjahr planen. Eine ständige Korrektur aufgrund laufender Ereignisse erhöht die Genauigkeit, ist jedoch arbeitsintensiv. Bei sehr schwerwiegenden Änderungen oder großen Entscheidungen, die anstehen, sollte der Liquiditätsplan jedoch überarbeitet werden.
Eine durchdachte Liquiditätsplanung schafft Klarheit, sichert finanzielle Handlungsspielräume und unterstützt eine vorausschauende Betriebsführung. Sie ist eine Versicherung, um im stressigen Alltag nicht plötzlich mit einem leeren Konto und einer ausgeschöpften Kreditlinie dazustehen. Sie bietet Entscheidungshilfen in herausfordernden Zeiten. Wenn es gut läuft, hilft sie, ausreichend Rücklagen aufzubauen, und wenn es schlecht läuft, lässt sie Löcher frühzeitig sichtbar werden. Genau wie Futtermengen, Tierzahlen sowie Saatgut- und Düngermengen geplant werden, sollte die Liquiditätsplanung eines Betriebes sicherstellen, dass dieser immer zahlungsfähig bleibt und die richtigen Entscheidungen trifft.