Marktfruchtbau
Rückschau: Geringe Weizenerträge und schlechte Qualitäten – woran hat es gelegen?
Die Getreideernte 2024, insbesondere die Winterweizenerträge und -qualitäten, waren für viele hessische Betriebe enttäuschend. Gründe hierfür wurden vor allem in den Witterungsbedingungen gesehen: überdurchschnittlich hohe Niederschläge und Starkregen, die die Entwicklung der Bestände negativ beeinflussten und die Befahrbarkeit der Flächen einschränkten.
Hinzukommt eine möglicherweise zu geringe Einstrahlungsintensität in wichtigen Entwicklungsphasen des Weizens, die die Ertragsbildung limitiert hat.
Nicht nur die Witterung…
Die Ursachen der Ertragseinbußen sollen in diesem Beitrag etwas eingehender am Beispiel der Anbauregion Friedberg beleuchtet werden. Grundlage hierfür sind die Ergebnisse der Besonderen Ernteermittlung, der Landessortenversuche (LSV) des Landesbetriebes Landwirtschaft Hessen sowie ein an der Universität Kiel entwickeltes Weizenwachstumsmodell (https://agronomykiel.shinyapps.io/shinyHUMEWheat). Mögliche produktionstechnische Unzulänglichkeiten auf Schlag- oder Betriebsebene, wie z. B. eine ungünstige Fruchtfolgegestaltung, werden in diesem Beitrag nicht thematisiert.
Betrachtet man die hessischen Weizenerträge der letzten Jahrzehnte, so fällt auf, dass bis zum Jahr 2000 im Landesdurchschnitt ein linearer Ertragsanstieg realisiert werden konnte (Abb. 1). In den Folgejahren stagnieren die Erträge jedoch und weisen ab 2021 sogar unterdurchschnittliche Werte auf. Ein ähnliches Bild zeichnet sich für eine Reihe weiterer Kulturen in den meisten Bundesländern ab. Der züchterische Fortschritt scheint also nicht mehr in der Praxis anzukommen. Kommen dann noch Witterungsextreme und eine ggf. nicht angepasste Bestandesführung hinzu, steigt das Risiko von Ertragseinbußen.
Zu viel Wasser und hoher Krankheitsdruck
Die vergangene Weizensaison war geprägt von überdurchschnittlich hohen Niederschlägen (Abb. 2) mit entsprechend hohen Bodenwassergehalten. Dies führte im Herbst zu Problemen bei der Aussaat und im Frühjahr in Kombination mit hoher Luftfeuchtigkeit zu einem massiven Infektionsdruck durch pilzliche Schaderreger. Längere Trockenstressperioden können für 2023/24 mit einiger Sicherheit ausgeschlossen werden. Staunässe hingegen war sowohl im Herbst als auch im Frühjahr und Sommer in vielen Regionen Hessens vorhanden. Für den LSV-Standort Butzbach-Niederweisel zeigt Abbildung 3 beispielsweise eine deutliche Überversorgung (nutzbare Feldkapazität (nFK) > 100%) über längere Zeiträume bis in den Sommer hinein.
Wasserüberschuss oder Staunässe vermindern die Sauerstoffverfügbarkeit im Boden und führen zu einer geringeren Wurzelatmung und damit einem Energiemangel der Pflanze. Das Wurzelwachstum wird eingeschränkt, die Wasser- und Nährstoffaufnahme vermindert, was letztlich das Sprosswachstum und den Kornertrag reduziert. Darüber hinaus kann Stickstoff (N) in Form von Nitratauswaschung und Denitrifikation (d.h. gasförmige N-Verluste in Form von N2O oder N2) verloren gehen. Dies erklärt vermutlich auch, warum in diesem Jahr auf den leichteren Standorten oft höhere Erträge erzielt wurden als auf den eigentlich ertragsstärkeren schwereren Standorten.
Entscheidend für die Auswirkung von Wasserüberschuss bzw. Staunässe auf Pflanzenbestände ist der Zeitpunkt des Auftretens und die Dauer der Einwirkung. Auf Staunässe in der vegetativen Entwicklung reagieren die Bestände in der Regel weniger empfindlich als bei einem Wasserüberschuss in der generativen Phase (Abb. 4). Beispielsweise wurde eine Verringerung der Kornzahl pro Ähre (Weizen) und der Ährenzahl pro Pflanze beobachtet. Dabei reagieren nicht alle Kulturarten gleich empfindlich, und Weizen scheint toleranter zu sein als Gerste, Raps oder Erbsen.
In den LSV für Weizen wird die Leistungsfähigkeit der Sorten sowohl bei optimierter auch bei reduzierter Pflanzenschutzintensität geprüft. Während in Normaljahren die Ertragsdifferenz zwischen den beiden Varianten bei den Sorten, die als Bezugsbasis dienten, bei 5-10 dt/ha lag, betrug der Mehrertrag am Standort Friedberg in diesem Jahr rund 23 dt/ha (86,3 vs. 109,4 dt/ha). Geht man davon aus, dass die Pflanzenschutzmaßnahmen in den Versuchen termingerecht durchgeführt werden konnten, so scheint dies in der Praxis nicht immer möglich gewesen zu sein.
Witterungsbedingt waren die Infektionsbedingungen für Blattkrankheiten über längere Zeiträume sowohl in den Herbst- und Wintermonaten als auch im Frühjahr/Frühsommer günstig, wie Berechnungen des Entscheidungshilfesystems ISIP (Abb. 5) erkennen lassen. Übereinstimmend dazu zeigt das Befallsmonitoring, welches im Rahmen des hessischen ISIP-Beitritts eingeführt wurde, einen hohen Befall mit Septoria tritici im Weizen. Beim Braunrostbefall traten erwartungsgemäß deutliche Sortenunterschiede auf. Die große Differenz in der Tausendkornmasse (40,8 g in ‚reduziert‘ vs. 48,0 g in ‚optimal‘) unterstreicht die Bedeutung, die Spätinfektionen in der Abreife 2024 gespielt haben müssen.
Geringere Strahlungsaufnahme
Während im Herbst 2023 die Globalstrahlung über dem langjährigen Mittel lag, konnte im Frühjahr und Sommer 2024 für Friedberg eine durchschnittliche Einstrahlung beobachtet werden. Die Vermutung, dass zeitweise eine zu geringe Strahlung zu Ertragseinbußen geführt hat, kann somit nicht bestätigt werden.
Allerdings führten die überdurchschnittlichen Temperaturen (Abb. 6), insbesondere auch im Herbst, dazu, dass die verschiedenen Entwicklungsstadien des Weizens (Abb. 7) und der für die Strahlungsaufnahme wichtige optimale Blattflächenindex zeitlich nach vorne verschoben wurden und somit in Zeiträume mit geringerer Einstrahlung fielen. Es war also nicht die Höhe der Einstrahlung an sich, die zu Ertragseinbußen geführt hat, sondern die geringere Strahlungsaufnahme.
Die Totreife wurde in diesem Jahr deutlich früher erreicht als im Mittel der anderen Jahre. Aufgrund der Witterungsbedingungen simulierte das Weizenwachstumsmodell der Universität Kiel einen Kornertrag von knapp 90 dt/ha, was etwa um 4 dt/ha unter dem simulierten langjährigen Mittel liegt. Sorten- und Pflanzenschutzeffekt sind dabei allerdings nicht berücksichtigt.
Stickstoffbedarf konnte nicht gedeckt werden
Die Witterung beeinflusst nicht nur das Pflanzenwachstum, sondern auch die N-Dynamik im Boden. Hohe Temperaturen begünstigen die Mineralisation von organisch gebundenem Stickstoff. Es ist davon auszugehen, dass aufgrund der überdurchschnittlich hohen Temperaturen bereits im Herbst vermehrt N freigesetzt wurde, der aber vom Weizen nicht aufgenommen werden konnte (Weizen kann normalerweise ca. 20 – 30 kg N/ha vor Winter aufnehmen) und daher mit den hohen Winterniederschlägen zumindest teilweise ausgewaschen wurde. Gleichzeitig scheint ein frühes hohes N-Angebot aus dem Boden die Bestockung gefördert zu haben. Darauf deuten die Ergebnisse eines N-Steigerungsversuchs der Universität Kiel auf dem Versuchsgut Hohenschulen hin. Danach war in diesem Jahr die Betonung der 2. Teilgabe zum Schossen für die Erzielung hoher Erträge vorteilhaft gegenüber einer hohen 1. N-Gabe zu Vegetationsbeginn. Gleichzeitig lag das aus der Ertragsfunktion abgeleitete ökonomische Düngeoptimum über dem N-Düngebedarf nach Düngeverordnung. Besteht ein erhöhter N-Bedarf, der aufgrund der gesetzlichen Vorgaben nicht gedeckt werden kann, ist insbesondere in roten Gebieten mit Ertragseinbußen zu rechnen.
Nach dem Zwischenbericht zur Besonderen Ernte- und Qualitätsermittlung des Max-Rubner-Instituts bewegten sich die Gehalte an gesundheitlich nicht erwünschten Stoffen (Mykotoxine) trotz der feuchten Bedingungen während der Vegetationsperiode bundesweit auf einem allgemein niedrigen Niveau. Die Fallzahlen und Sedimentationswerte weisen auf eine allgemein gute Backqualität hin. Dagegen erreichten die Kornproteinkonzentrationen trotz des geringeren Ertragsniveaus nur selten die geforderten Werte, was auf ein unzureichendes N-Angebot während der Kornfüllungsphase (N-Nachlieferung aus dem Boden und 3. N-Gabe) hinweist. Es müssen aber noch andere Faktoren eine wesentliche Rolle gespielt haben, denn in den LSV wies die Variante mit reduziertem Pflanzenschutz trotz deutlich tieferem Ertragsniveau nur geringfügig höhere Kornproteinkonzentrationen auf als die optimal behandelte Variante (12,5 vs. 12,0 %). Insgesamt entzogen die Weizensorten der Bezugsbasis bei optimaler Pflanzenschutzintensität mit knapp 200 kg N/ha rund 35 kg N/ha mehr als bei reduzierter Intensität.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das unbefriedigende Ertragsniveau 2024 von Winterweizen in Hessen vermutlich vor allem auf ein erhöhtes, aber nicht ausreichend kontrollierbares Schaderregeraufkommen zurückzuführen ist. Daneben spielten ertragsphysiologische Faktoren wie eine verminderte Strahlungsaufnahme eine Rolle. Die niedrigen Kornproteinkonzentrationen scheinen dagegen vor allem die Folge einer unzureichenden N-Versorgung nach der Blüte zu sein.