Geflügel
Minimierung des Federpickens bei Mastputen
An dem Netzwerk „Minimierung des Federpickens bei Mastputen“ nahmen deutschlandweit sechs Putenmastbetriebe teil. Die Betriebe erhielten intensive Beratung und setzten Maßnahmen um, die dazu beitrugen, das Risiko für Federpicken zu minimieren. Betriebsdaten, die in Bezug zur Problematik des Federpickens im Betrieb stehen, wurden systematisch erfasst und analysiert.
Die Betriebe haben eigenständig die Entscheidung getroffen Projektgruppen mit intaktem Schnabel einzustallen. Es wurden Verlustzahlen bei Vergleichsherden mit kupiertem Schnabel von 3 – 8 % und bei den Projektherden mit intaktem Schnabel von 2,75 – 16,4 % ermittelt. Jede Herde ist individuell. Federpicken und Kannibalismus können kaum bis stark auftreten, wobei sich Herden mit intaktem Schnabel sehr schnell tiefgreifende Verletzungen bis hin zum Tod zufügen. Ein Pickgeschehen tritt häufig ganz plötzlich „ohne Ankündigung“ auf. Im Rahmen des Projektes konnten keine Ursachen/Auslöser für Beschädigungspicken festgestellt werden. Tiere mit tiefgreifenden Verletzungen müssen nicht direkt notgetötet werden. Oft verheilen Wunden oder die Tiere kommen so gut in der Herde oder im Krankenabteil klar, dass ein vernünftiger Grund für eine Nottötung nicht gegeben ist. Den Zeitpunkt für eine Nottötung nicht zu verpassen, um Tiere nicht unnötig leiden zu lassen, ist eine Herausforderung. Tiere mit Verletzungen im Bestand zu haben ist wie das Nottöten eine große mentale Belastung für die Tierhalter. Maßnahmen wie Beschäftigungsmaterialien oder Unterschlupf- und Aufsprungmöglichkeiten werden durch die Tiere gut angenommen, aber: Beschäftigungsmaterialien werden teilweise nach kurzer Zeit uninteressant, sie werden unterschiedlich gut angenommen und Verhaltensstörungen treten auch trotz Anreicherung der Umwelt auf. Hinsichtlich einer Reduzierung der Besatzdichte war in diesem Projekt kein Effekt auswertbar. Allerdings empfanden die Landwirte die Besatzdichtenreduzierung nach der Initiative Tierwohl (ITW) sehr angenehm (Bundeseinheitliche Eckwerte für eine freiwillige Vereinbarung zur Haltung von Mastputen max. 52 kg Lebendgewicht / m² nutzbarer Stallfläche bei Hennen, max. 58 kg Lebendgewicht bei Hähnen / nach ITW max. 48 kg Lebendgewicht bei Hennen und 53 kg Lebendgewicht bei Hähnen). Ein Effekt / Einfluss hinsichtlich Alter, Genetik und Geschlecht konnte bei diesem Praxisprojekt nicht herausgearbeitet werden. In allen Projektherden mussten tierärztliche Behandlungen durchgeführt werden. Diese auf ein minimales Maß zu reduzieren sollte ein großes Ziel in den Betrieben sein. Dabei muss die Problematik beachtet werden, dass unkalkulierbare Effekte wie Kükenqualität, jahreszeitbedingte Witterungseinflüsse, Einstreuqualität, Futterqualität, etc. mit einkalkuliert werden sollten. Federpicken und Kannibalismus können nur minimiert werden, wenn die Möglichkeit besteht, in Absprache mit dem Tierarzt, die Ställe zeitweise in der Lichtintensität zu reduzieren und gleichzeitig gut zu durchlüften. Damit unnötiges Tierleid reduziert wird, wäre es empfehlenswert, vorerst Maßnahmen weiterhin mit kupiertem Schnabel umzusetzen und auszutesten.
In der folgenden Tabelle sind die im Projekt umgesetzten Maßnahmen mit Benotungen und kurzen Begründungen, die sich auf die Benotungen beziehen, aufgelistet. Die Benotungen und Begründungen stammen von den Projektlandwirten.
Maßnahme | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | Begründung |
Mehrarbeit | x | Ganz wichtig bei Puten mit intaktem Schnabel, Tierbetreuung, Eintrag von Beschäftigungsmaßnahmen, Selektion, etc. | |||||
Spezialberatung | x | Sehr wichtig für die Unterstützung der Betriebe, präventives Handeln wird ermöglicht. | |||||
Stroh-Quaderballen | x | Sehr gute Annahme bis Mastende. Die Tiere ziehen sich auf die Strohballen zurück bepicken und fressen diese aber auch. | |||||
Beschattungsmöglichkeit (u.a. Verdunklungsjalousie, Wandventile, Ablufthauben) | x | Die Möglichkeit Ställe zeitweise zu verdunkeln ist bei intaktem Schnabel derzeit noch unerlässlich. | |||||
dimmbare, hochfrequente, Leuchtmittel | x | Generell sehr wichtig bei Herden mit intaktem Schnabel | |||||
Luxmeter | x | Wichtig für die Überprüfung des Managements | |||||
Baustellenradio | x | Eignet sich zur Desensibilisierung hinsichtlich Geräuschen | |||||
Optimierung Stallklima, Ventilatoren | x | Im Falle von Verdunklungsmaßnahmen im Offenstall muss die Lüftung optimal darauf abgestimmt sein (bei Wegfall des natürlichen Lufteintrags in den Stall muss eine Zwangsbelüftung gegensteuern) | |||||
Sprühkühlung | x | Verbessert Wohlbefinden bei Hitzestress | |||||
Wasseraufbereitungsanlage | x | Tränkehygiene steigert die Tiergesundheit | |||||
automatische Wiegeeinrichtungen, Wiegecomputer
| x | Über die regelmäßige Gewichtserfassung können Rückschlüsse hinsichtlich Tiergesundheit ermittelt werden | |||||
Aufsprung- und Unterschlupfmöglichkeiten: Aufsitztische (mit und ohne Rampen, frei stehend oder wandständig) | x | Gute Annahme durch die Tiere, bringt Struktur in den Stall | |||||
Luzerne / Heu | x | Gute Annahme, arbeitsintensiv | |||||
Möhren | x | Gute Annahme, arbeitsintensiv | |||||
Schleifvlies | x | Ob die Schnäbel sich wirklich durch das Schleifvlies abarbeiten konnte in diesem Projekt nicht gemessen werden. Eine Annahme durch Bepicken war gegeben. | |||||
Kabelbinder | x | Gute Beschäftigungsmaßnahme, die Farben grün und gelb werden stark angenommen | |||||
Reduzierung der Besatzdichte | x | In diesem Projekt kein Effekt auswertbar. Allerdings empfinden die Landwirte die Besatzdichtenreduzierung nach ITW sehr angenehm. | |||||
Tarnnetz | x | Bringt eine zusätzliche Struktur mit unterschiedlichen Lichtverhältnissen in den Stall. Wird durch die Tiere angenommen. Es schränkt beim Nachstreuen ein und muss nach Ausstallung zusätzlich gereinigt werden. Die Praktikabilität hinsichtlich der Arbeitswirtschaft ist eingeschränkt. | |||||
Stallspezifischer Impfstoff | x | Trägt zu einem besseren Gesundheitsstatus bei, arbeitsintensiv, teuer | |||||
Körbe / Raufen | x | Einfach zu befüllen, Annahme mittelmäßig | |||||
Heunetze | x | Gute Annahme, aufwendig zu befüllen | |||||
Picksteine | x | Bei Annahme gut, ansonsten muss über Härtegrad nachgedacht werden. Eintrag in den Stall ist aufwendig. Aufhängung beachten, die Tiere sollten unter den Picksteinen herlaufen können | |||||
Spielbälle, Altpapier, Plastikrohrelemente | x | Nur kurzfristig interessant | |||||
Bau des Projektabteils
| x | Zum Herantasten an die Haltung mit intaktem Schnabel war die Maßnahme notwendig, im Nachhinein mit größeren Herden zumindest im Maststall überflüssig. | |||||
Futterstreuautomat | x | Die Tiere erschraken bei Aktivierung des Maisauswurfs, Maispartikel waren uninteressant. Andere Materialien und Futterstreuautomaten sollten getestet werden. | |||||
Effektive Mikroorganismen | x | Kein ersichtlicher Effekt in diesem Projekt. Die Häufigkeit der Ausbringung und die Menge des Produkts waren wahrscheinlich zu gering. |
Legende: Note 1 = sehr gut; Note 6 = ungenügend
Unterschiedliche Maßnahmen, die u. a. im Rahmen des Projektes umgesetzt wurden
Pickblock aufgehängt im Eimer. Der Landwirt hat Öffnungen in den Eimer geschnitten, damit die Tiere den Pickblock seitlich nutzen konnten.
Luzerneheu wurde von den Tieren sehr gerne gefressen. Der wandzugewandte Korb war gegen Ende des Projektes die verbesserte Lösung gegenüber einem freischwingenden Korb, da weniger Material in der Einstreu verloren geht und die Ballen komplett passend eingelegt werden können.
Die Strohkörbe und Netze hingen extra hoch, damit sich die Tiere langfristig mit den Materialien beschäftigen konnten und sich keine schwächeren Tiere unterhalb der Beschäftigungsmaterialien zurückzogen, bzw. Vermeidung, dass die Materialien den Tieren nicht im Weg hingen.
Der Futterstreuautomat hat mehrmals täglich für ca. drei Sekunden Mais hinausgeworfen. Die Tiere erschraken und sprangen von dem Gerät weg. Die Maiskörner in der Einstreu waren uninteressant. Die hier getestete Technik war nicht erfolgreich, daher sollten andere technisierte Geräte mit unterschiedlichen Komponenten bei Puten getestet werden.
Im Projektabteil des Aufzuchtstalls dienten Eigenbaugestelle, verkleidet mit einem Förderbandgewebe seitlich und einem Tarnnetz oberhalb als Rückzugsort und Ruhezone. Der Landwirt wollte mit dem ungleichmäßigen Lichteinfall unter dem Tarnnetz eine Atmusphäre schaffen, die an einen Waldrand erinnert.
Hinsichtlich Aufsitzmöglichkeiten und Strukturelemente machten die Projektbetriebe sehr gute Erfahrungen mit qualitativ hochwertigen Stroh-Quaderballen. Neben dem Aufbaumen auf die Ballen pickten die Tiere an den herausstehenden Strohhalmen, was bis Mastende attraktiv blieb und zur Beschäftigung beitrug.
Es wurden unterschiedliche Aufsitz- und Unterschlupfmöglichkeiten getestet: selbstgebaute Bänke aus einem Brett mit zwei Kanistern, Tische ohne Rampen, wandhängende Tische und Tische mit Rampen.
Maßnahmen zum Thema Verdunklung
Bau einer Beschattungsmöglichkeit im Außenbereich des Stalles: Wandventile mit manueller Verdunklungsmöglichkeit im Austausch der Lüftungsjalousie und Ablufthauben für Ventilatoren.
Die Doppelstegplatten an den Lüftungsklappen dienen dem indirekten Lichteinfall in den Stall bei einer flach stehenden Sonne. Von Innen sind diese zusätzlich mit einer dunklen Folie behaftet, da die Platten ansonsten noch zu lichtdurchlässig wären. Die Folie wird wahrscheinlich durch eine Farbanwendung ersetzt, da sie sich zu einem Schmutzfang entwickelt hat.
Alte, transparente Verdunklungsjalousie links im Bild; neue, dickere Jalousie rechts.
Hintergrund
Im Rahmen des Netzwerks „Minimierung des Federpickens bei Mastputen“ wurde innerhalb von 2 Jahren (10/2016 bis 9/2018) ein vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) gefördertes Modell- und Demonstrationsvorhaben (MuD) Tierschutz betreut. Projektträger ist die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE). Die Umsetzung erfolgte durch die Bietergemeinschaft Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen (LLH) und dem Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL Projekte GmbH) mit dem Unterauftragsnehmer Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft e.V. (KTBL). Bei MuD Tierschutz handelt es sich nicht um Forschungsprojekte, sondern um die modellhafte Umsetzung neuer Erkenntnisse der Nutztierwissenschaften und innovativer Maßnahmen in der landwirtschaftlichen Praxis. Ziele sind die Verbesserung des Tierschutzes auf Betriebsebene, die Unterstützung der Tierhalter bei der Vorbereitung auf Themen wie Kupierverzicht oder Medikamentenreduzierung. Zusätzlich soll die gesellschaftliche Akzeptanz gestärkt werden. Die Betriebsleiter des Netzwerks nahmen regelmäßig an Netzwerktreffen teil und legten ihre relevanten Daten und Erfahrungen offen. Die Netzwerktreffen fanden abwechselnd auf den Betrieben statt. Zudem organisierte jeder teilnehmende Landwirt für interessierte Fachkollegen mindestens vier Multiplikatorenveranstaltungen auf seinem Betrieb. Dabei kommen Fachleute aus dem vor- und nachgelagerten Bereich auf den Betrieb, um beispielsweise an einer Betriebsführung mit Projektvorstellung teilzunehmen. Aber auch Fachartikel, Messebesuche oder Referententätigkeiten zählten zu der externen Kommunikation der Projektbetriebe.
Mud-Poster - Putenhaltung 26.06.2019
Dieser Artikel ist im Rahmen der Arbeit im Projekt MuD Tierschutz entstanden.