Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen

Geflügel

Umgang mit kranken und verletzten Jung- und Legehennen

Nottöten oder Verbringung ins Genesungsabteil?

Wie sind die rechtlichen Vorgaben zum Nottöten und wann und wie können Hennen in einem Genesungsabteil untergebracht werden? In der praktischen Umsetzung ist das oft gar nicht so einfach.

Rechtliche Vorgaben zum Umgang mit kranken und verletzten Tieren sowie zum Nottöten

Nach dem Tierschutzgesetz (TSchG) hat jeder Tierhalter/in und Tierbetreuer/in dafür Sorge zu tragen, dass jedes Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernährt, gepflegt und verhaltensgerecht untergebracht ist. Schmerzen, Leiden und Schäden dürfen einem Tier nicht ohne vernünftigen Grund zugefügt werden. Im Fall von kranken oder verletzten Nutztieren wird der Umgang in der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutztV) noch weiter konkretisiert. So sind, „soweit erforderlich, unverzüglich Maßnahmen für die Behandlung“ zu treffen. Zudem sollte eine „Absonderung in geeignete Haltungseinrichtungen mit trockener und weicher Einstreu oder Unterlage“, ggf. auch „die Tötung kranker oder verletzter Tiere“, erfolgen. Sofern erforderlich, ist ein Tierarzt hinzuzuziehen.

Muss ein Tier notgetötet werden, bildet hierzu die rechtliche Basis das Tierschutzgesetz, die Verordnung (EG) 1099/2009 über den Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Tötung sowie die Tierschutz-Schlachtverordnung (TierSchlV). Grundsätzlich darf nach dem Tierschutzrecht ein Tier nur getötet werden, wenn ein vernünftiger Grund vorliegt. Rein wirtschaftliche Gründe scheiden hierbei aus.

Vernünftige Gründe wären:

  1. Das Tier leidet über längere Zeit an erheblichen, nicht behebbaren Schmerzen
  2. Das Tier leidet an einer schweren Krankheit ohne Aussicht auf Heilung
  3. Von einem erkrankten Tier geht eine anders nicht behebbare Ansteckungsgefahr für den Tierbestand aus

Welche Kenntnisse und Fertigkeiten sind für das Nottöten von Legehennen notwendig?

Insbesondere müssen die Personen, die Tiere nottöten, tierschutzrelevante Kenntnisse und Fertigkeiten über den Umgang mit dem Tier vor der Betäubung sowie den zulässigen Betäubungs- und Tötungsverfahren haben. Die praktischen Fertigkeiten sind sicherzustellen z.B. indem der Halter / die Halterin die von ihm / ihr zur Betreuung und Nottötung beauftragten Personen in die entsprechenden tierschutzrelevanten Kenntnisse und Fertigkeiten einweist und anleitet. Generell wäre die regelmäßige Teilnahme des Tierhalters an Fortbildungsveranstaltungen zum aktuellen rechtlichen Stand zulässiger Betäubungs- und Tötungsmethoden, der fachgerechten Durchführung sowie der Entscheidung wann eine Tötung erforderlich ist, wünschenswert. Auch sollten, soweit möglich, alle Personen, die Nottötungen durchführen, die Möglichkeit haben, an solchen Kursen teilzunehmen.

Grundsätzlich dürfen Legehennen nur unter vorheriger Betäubung und nur unter Vermeidung von Schmerzen getötet werden. In der Praxis hat sich bei Legehennen der Kopfschlag zur Betäubung mit anschließendem Genickbruch als rechtlich zulässiges Verfahren zur Tötung bewährt. Hierbei werden Rückenmark und  Halsschlagadern durchtrennt. Ob der Tod des Tieres eingetreten ist, muss sorgfältig überprüft werden, z.B. indem der Augenreflex geprüft wird.

Welche Tiere sollten aus der Herde genommen werden?

  • Schwache, untergewichtige Tiere, die weder Futter noch Wasser aufnehmen
  • Tiere mit blutenden oder größeren Verletzungen
  • Tiere mit Kloakenvorfall
  • Tiere mit starkem Ausfluss bzw. Durchfall aus der Kloake
  • Tiere, die sich nicht mehr normal Fortbewegen (laufen, fliegen) können

Warum sollten die Tiere aus der Herde genommen werden?

In §2 des Tierschutzgesetztes heißt es, „dass Schmerzen, Leiden und Schäden“ zu vermeiden sind. Das Herausnehmen von Tieren ist demnach dann nötig, wenn hierdurch (weitere) Schmerzen, Leiden oder Schäden am einzelnen Tier vermieden werden können und ist damit praktizierter Tierschutz. Geschwächte Tiere werden häufig von gesunden, ranghohen Tieren vertrieben und können sich oft nur noch schwer in der Herde durchsetzen. Sie trauen sich dann oft nicht mehr an die Futter- und Wasservorrichtungen, womit eine Versorgung innerhalb der Herde nicht mehr hinreichend gewährleistet ist. Tiere mit Kloakenvorfall oder blutenden Verletzungen sind gefährdet, da sie häufig von anderen Tieren bepickt werden, was Schmerzen verursacht. Außerdem können sich die Verletzungen entzünden, was zu Infektionen z.B. mit E. Coli führen kann. Dies führt wiederum zu einer weiteren Schwächung betroffener Tiere. Auch kann sich im Fall von Kannibalismus das Geschehen weiter ausbreiten, da immer mehr Tiere lernen, andere blutige Tiere zu bepicken. Im Falle von Infektionen (v.a. Kloakenausfluss und Durchfall) schützt man aber auch die Herde vor einer Verbreitung der Erreger.

Geschwächte oder Verletzte Tiere finden

Tägliche Kontrollgänge sollten mindestens zweimal am Tag stattfinden. Dabei sind alle Bereiche des Stalles und des Auslaufs in Augenschein zu nehmen. Hierbei sollte besonders darauf geachtet werden, ob es Tiere gibt, die der oben angeführten Beschreibung entsprechen. Viele geschwächte oder bepickte Tiere verstecken sich in dunkleren Ecken oder in den Nestern. Andere suchen tagsüber die höheren Sitzstangen auf, da dieser Bereich tagsüber durch die ranghohen Tiere weniger frequentiert ist. Fitte Tiere verlassen die Sitzstangen, um zu den Futterketten oder in den Auslauf zu gelangen. Bei den täglichen Kontrollgängen muss vor allem in diesen Bereichen nach solchen Tieren gesucht werden.

Wie fangen?

Um entscheiden zu können, ob ein Tier aus der Herde genommen und ob es in ein Genesungsabteil gebracht oder notgetötet werden muss, muss es zunächst gefangen und begutachtet werden.

Bei Tieren, die sich nicht gut fortbewegen können oder zu schwach sind, ist das Einfangen in der Regel kein Problem, denn sie sitzen oft auf dem Boden und können ganz einfach hochgenommen werden. Bei Tieren, die von anderen Tieren bepickt werden, ist das oft nicht einfach, da sie dann nicht nur vor pickenden Hennen, sondern meistens auch vor dem Menschen flüchten.

Ob das Einfangen gut gelingt, ist davon abhängig, wie gut die Herde insgesamt an den Menschen gewöhnt ist. Flüchten die Tiere vor dem Menschen, ist das Fangen und Beurteilen von Tieren ohnehin sehr schwierig. Das trifft vor allem bei weißen Herkünften zu, die viel mehr Kontakt zum Menschen, auch schon in der Aufzuchtphase benötigen, um nicht ängstlich zu reagieren. Aber auch die Übersichtlichkeit der Anlage, die Zugriffsmöglichkeiten in der Anlage (Anlagenbreite) sowie die Gruppengröße und die Höhe der oberen Etage der Volierenanlage sind entscheidende Faktoren, die das Fangen von Tieren erschweren.

Nottöten oder Genesungsabteil?

Genesungsboxen
Krankenabteil

Ist das Tier gefangen, muss entschieden werden, ob es in der Herde bleiben kann, ein „vernünftiger Grund“ zum Töten vorliegt, oder das Tier nach einer angemessenen Genesungszeit wieder in die Gruppe zurückgesetzt werden kann. Hierbei sind die oben aufgeführten Gründe (1. bis 3.) zu prüfen. Auch wenn der Tierbetreuer ein verletztes oder krankes Tier von Schmerzen, Leiden und Schäden zu erlösen hat, kann es in der Praxis nicht immer „sobald als möglich“ notgetötet werden. Nicht jeder Tierbetreuer will und kann dies alleine entscheiden bzw. ist in der Lage das Tier zu töten. Oftmals möchte sich der Tierbetreuer mit dem Tierhalter oder dem Verantwortlichen für den Stall abstimmen oder tierärztlichen Rat einholen, um zu entscheiden, ob die geplante Nottötung tierschutzfachlich gerechtfertigt ist.

Die meisten Menschen fühlen mit anderen Lebewesen in Not oder Krankheit mit. Gerade diese Menschen sind oft sehr gute Tierbetreuer und sind in der Lage, kleine Veränderungen und Probleme in der Herde wahrzunehmen. Wenn es aber um die Entscheidung geht, ein leidendes Tier, das keine Aussicht auf Genesung hat, notzutöten, kann es vorkommen, dass der Tierbetreuer sich emotional nicht in der Lage sieht das Betäuben und Töten durchzuführen. Ist die Hemmschwelle für eine Nottötung extrem hoch, können bei der Durchführung der Nottötung auch eher Fehler passieren (z.B. ein zu schwach ausgeführter Betäubungsschlag). In diesen Fällen muss das leidende oder im Sterben liegende Tier sofort aus der Herde entnommen werden. Hierfür muss ein ruhiger, eingestreuter Bereich vorhanden sein, wo die Tiere möglichst kurz bis zum Eintreffen einer sachkundigen Person oder des Tierarztes verwahrt werden können. Ist eine solche Regelung nicht möglich, kann es dazu führen, dass solche Tiere vom Tierbetreuer nicht aus dem Bestand genommen werden, um das Nottöten zu umgehen. Diese werden dann möglicherweise von anderen Tieren bepickt und können sich höchstwahrscheinlich nicht mehr ausreichend mit Futter versorgen.

Abtrennung in der Voliere

Wenn Genesungsaussichten bestehen, muss das Tier unverzüglich in ein Genesungsabteil gebracht werden. Dieses sollte vor allem für geschwächte Tiere und für Tiere vorgehalten werden, die blutige Verletzungen haben (Rangordnungsauseinandersetzungen oder Kannibalismus). Auch Tiere, die eine Umgebung ohne sozialen Stress durch Artgenossen benötigen, weil z.B. eine Beinverletzung ausheilen muss, sind in ein Genesungsabteil zu verbringen. Nach Bedarf sind bei den Tieren, die in ein Genesungsabteil verbracht werden, Maßnahmen, wie z.B. die direkte Gabe von Wasser ggf. Futter sowie die Behandlung von Wunden mit abdeckenden, wundheilungsfördernden Sprays (z.B. Zinksprays) angezeigt.

Was ist hinsichtlich separater Ställe oder Abteile zu beachten?

Bei Planung, Bau und Gestaltung eines Genesungsabteiles sind einige grundlegende Dinge zu beachten. So ist für eine tiergerechte Unterbringung neben der Sicherstellung der Versorgung mit Futter und Wasser, ein eingestreuter Bereich zum Picken und Scharren, ein Nest zur Eiablage sowie Sitzstangen zum erhöhten Ruhen anzubieten (gemäß TierSchNutztV).

Wie viele Genesungsabteile sind sinnvoll?

Verwarungskiste

Unabhängig von der Bestandsgröße ist es für jeden Geflügelhalter ratsam, mindestens ein Genesungsabteil (oder auch Genesungsstall) vorzuhalten – besser wären sogar zwei oder mehr. Wenn im Genesungsstall verletzte Tiere auf fittere Tiere treffen, ist die Gefahr hoch, dass die schwächeren Tiere nicht störungsfrei gesunden können. Trotzdem sollten kranke Hühner mit Aussicht auf Genesung niemals alleine gehalten werden. Hierbei ist auch darauf zu achten, ob verletzte Tiere von anderen Tieren bepickt werden. Ist dies der Fall, muss das Pickende oder das verletzte Tier mit Sichtkontakt zu den anderen Tieren separiert werden.

Mehrere separate Abteile haben zudem den Vorteil, dass brütige Hennen für 4 bis 7 Tage ohne Nest und Eier separat aufgestallt werden können, damit sie die Legeaktivität wieder aufnehmen. Zwar stören die brütigen Hennen die kranken oder verletzten Tiere nicht, aber damit wird sichergestellt, dass keine Eier vorhanden sind, auf die sie sich setzen könnten. Zudem kann der Wiedereintritt des Legens kontrolliert werden.

Wie sollte ein Genesungsabteil gestaltet sein?

Nach Möglichkeit sollte sich ein Genesungsabteil im Stall mit Sichtkontakt zu der Herde befinden. In der Regel ist die Integration der Tiere in die Herde dann einfacher. Hierzu kann ein abgetrennter Volierenbereich dienen, wenn z.B. durch Einlage von Pappe ein eingestreuter Bereich gestaltet wird. Ein Vorteil ist, dass hier das Lichtprogramm wie gewohnt automatisch weitergeführt wird und in den Volierenabteilen auch Futter und Wasser vorhanden ist.

Darüber hinaus eignen sich, abhängig von den betriebseigenen Strukturen, Abtrennungen im Stall oder Wintergarten, ältere Ställe, Pferdeboxen oder auch Bauwagen zur vorübergehenden Separation von Tieren.

Bei der Unterbringung ist Hygiene sehr wichtig. Eine regelmäßige Reinigung bzw. Austausch der Einstreu, täglich frisches Futter und Wasser, eine staubarme Umgebung sowie eine für das Tier optimale Umgebungstemperatur ohne Zugluft sind wichtig. Zudem muss die Durchführung von Gesundheitsmaßnahmen in der gesamten Herde wie Impfungen, Entwurmung und Vitamingaben auch im Genesungsabteil möglich sein.

Möglichst kurze Wege zwischen dem Genesungsabteil und den Produktionsställen vereinfachen das Verbringen und Integrieren der Tiere.

Integration von genesenen Tieren in die Herde

Bei großen Gruppen (> 80 Tiere) ist das Integrieren von wieder genesenen Tieren in die Herde in der Regel kein Problem. Beim Rückversetzen genesener Tiere sollte darauf geachtet werden, dass die Tiere in den Stall gesetzt werden und nicht in den Wintergarten oder Auslauf. Sie sind oft eher rangniedrig und werden von Artgenossen direkt als solche erkannt. Zur Klärung der Rangordnung werden diese oft gejagt oder erhalten Pickschläge gegen den Kopf. Beim Zurücksetzen in den Stall können rangniedrige Tiere besser ausweichen, und kommen einfacher an Futter und Wasser. Bei kleinen Herden sollte eine Integration unter Aufsicht erfolgen, damit ggf. eingegriffen werden kann, falls es durch Rangordnungsauseinandersetzungen erneut zu Verletzungen kommt.

Fazit

Der Umgang mit kranken und verletzten Tieren stellt eine besondere Herausforderung alle Menschen dar, die Tier betreuen. Neben der Aufgabe, das kranke oder verletzte Tiere erst einmal aus der Herde zu fangen, um es begutachten zu können, muss dann eine Entscheidung getroffen werden, wie mit diesem Tier weiter verfahren wird. Für die Absonderung überlebensfähiger Hennen ist ein Genesungsabteil vorzuhalten, das den arteigenen Bedürfnissen der Tiere gerecht wird aber auch hygienische Anforderungen erfüllt. Hier können Hennen bis zur Genesung gehalten und nach Bedarf behandelt werden. Muss ein Tier notgetötet werden, sind tierschutzrelevante Kenntnisse und praktische Fertigkeiten der durchzuführenden Person sicherzustellen. Grundsätzlich dürfen Legehennen nur unter vorheriger Betäubung und nur unter Vermeidung von Schmerzen getötet werden.

Regelmäßige Fortbildungen zum Umgang mit kranken und verletzten Tieren mit Entscheidungshilfen einzuleitender Maßnahmen sowie der fachgerechten Durchführung einer Nottötung mit aktuellem rechtlichen Stand zulässiger Betäubungs- und Tötungsmethoden sollten für alle beteiligten Personen angeboten und entsprechend regelmäßig genutzt werden.

Verordnung (EG) 1099/2009: Nottötung:

Die Tötung von verletzten Tieren oder Tieren mit einer Krankheit, die große Schmerzen oder Leiden verursacht, wenn es keine andere Möglichkeit gibt, diese Schmerzen oder Leiden zu lindern (Art 2d). Im Fall der Nottötung ergreift der Halter der betroffenen Tiere alle Maßnahmen, die erforderlich sind, um die Tiere sobald als möglich zu töten (Art. 19).

Hinweis auf Literatur: MTool Basiswissen S. 35, 122, 123

DLG-Merkblatt 477:
Umgang mit krankem und verletztem Haus- und Wirtschaftsgeflügel


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