Direktvermarktung
Neue Möglichkeiten in der regionalen Schlachtung
Für kurze Wege und mehr Tierwohl
Immer mehr regionale Schlachtstätten schließen infolge des Strukturwandels. Besonders für kleinere und mittlere Mastbetriebe erscheinen Tiersammeltransporte in entfernte Schlachtstätten häufig als einzige Möglichkeit. Die weiten Transporte können jedoch mit Stress und auch Verletzungsrisiko für die Tiere verbunden sein.
Diese Entwicklung steht im Widerspruch zu dem gesellschaftlichen Wunsch nach mehr Regionalität und kürzeren Vermarktungswegen bei Lebensmitteln. Auch Tierwohlaspekte gewinnen in gesellschaftlichen Diskussionen an Relevanz. Dabei werden sowohl die Haltungsbedingungen als auch der Prozess des Schlachtens thematisiert. Mit dem Fachgebiet Erwerbskombinationen berät der Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen (LLH) Betriebe unter anderem zum Thema Direktvermarktung. In diesem Zusammenhang hielt vor einigen Jahren das Thema mobile Schlachtung Einzug in die Beratungstätigkeit des Fachgebiets und wird in Form von einzelbetrieblichen Beratungen, Vorträgen oder Fortbildungen an interessierte Betriebe vermittelt.
Um regionale Verarbeitungsmöglichkeiten sowie neue Vermarktungswege von Fleischprodukten zu erschließen, wurde das Europäische Innovations-Partnerschafts-Projekt (EIP) „Extrawurst“ mit einer Laufzeit von 2017-19 initiiert. Damit setzten sich Landwirtinnen und Landwirte, Metzger und Metzgerinnen, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Verbände und Verwaltungen als Ziel, eine hofnahe und stressfreie Schlachtung für Rinder, Schafe und Ziegen zu entwickeln.
Die Erkenntnis daraus ist: Hofnahe bzw. mobile Schlachtung stellt für alle einen Gewinn dar. Den Tieren bleiben lange Transportwege und der damit verbundene Stress erspart, was zum einen Tierwohl-Ansprüche erfüllt, gleichzeitig für eine höhere Fleischqualität sorgt. Die landwirtschaftlichen Betriebe können mit der tiergerechten Schlachtung werben und erschließen sich möglicherweise durch eine damit verbundene Direktvermarktung neue Absatzwege. Und auch der Verbraucherwunsch nach regionalem, qualitativ hochwertigem Fleisch wird erfüllt.
Mittlerweile existieren drei Alternativen einer hofnahen bzw. mobilen Schlachtung:
- Vollmobil: Ein vollmobiler „Schlachthof“ in Form eines entsprechend ausgebauten Containers, Anhängers oder Transporters kommt auf den Betrieb. Dort werden alle Arbeiten von der Betäubung über die Tötung, bis hin zur Zerlegung bzw. Wurstherstellung durchgeführt.
- Teilmobil: Die Schlachtung wird in einer mobilen Schlachteinheit im Herkunftsbetrieb (Hoftötung) durchgeführt. Der Schlachtkörper wird anschließend zur Weiterverarbeitung in eine maximal zwei Stunden entfernt liegende EU-zugelassene Schlachtstätte transportiert.
- Weideschuss: Ganzjährig im Freien gehaltene Rinder, aber auch Damwild, können unter bestimmten Voraussetzungen per Kugelschuss auf der Weide getötet werden. Die weiteren Arbeitsschritte erfolgen analog zur teilmobilen Schlachtung.
Seit Juli 2021 gelten neue Gesetzesregelungen, die die Möglichkeiten der hofnahen Schlachtungen zusätzlich erleichtern. So muss die mobile Einheit nicht mehr an einen EU-zugelassenen Schlachthof gekoppelt sein, sondern kann unabhängig davon von Einzelpersonen oder Gemeinschaften (z. B. Genossenschaften oder Stiftungen) betrieben werden. Während vor der Gesetzesänderung Tiere zwar hofnah betäubt werden durften, für die Tötung jedoch eine EU-zugelassenen Schlachtstelle angesteuert werden musste, sind nun Betäubung und Tötung in der mobilen Einheit erlaubt. Fleischbeschau und Zerlegung dagegen findet an einem kooperierenden EU-zugelassenen Schlachthof statt. Davon profitieren vor allem Erzeugergemeinschaften in Regionen, in denen kein Schlachthof in direkter Nähe vorhanden ist. Jede mobile Einheit muss zuvor einen Eignungstest durchlaufen, für den in Hessen das Regierungspräsidium Kassel zentral zuständig ist.
Mobile Schlachtanhänger für Geflügel in Hessen
Auch für Landwirtinnen und Landwirte, die Geflügelfleisch regional direktvermarkten, war es bisher schwierig, eine nahegelegene Schlachtmöglichkeit zu finden. Mit eigener Schlachtstätte dürfen Betriebe nach dem aktuell geltenden Lebensmittelrecht bis zu 10.000 Tiere pro Jahr schlachten und regional vermarkten, eine Lohnschlachtung ist nicht erlaubt. Die dafür notwendige EU-Zulassung ist an viele Auflagen gebunden, der finanzielle Aufwand groß.
Vor diesem Hintergrund startete im Jahr 2019 das Projekt „Geflügelfleisch aus artegerechter Freilandhaltung – erzeugt durch stressfreie Schlachtung ohne Tiertransport“, initiiert durch das Hessische Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (HMUKLV) sowie durch weitere Beteiligte. Die praktische Umsetzung erfolgte als Leuchtturmprojekt in der Ökomodellregion Wetterau durch Unterstützung des Fachdienstes Landwirtschaft. Das Ergebnis ist eine mobile Schlachtstätte, die von geflügelhaltenden Betrieben in Hessen für eine Lohnschlachtung gemietet werden kann. Die Tiere werden stallnah elektrisch betäubt und vor Ort fachgerecht geschlachtet. Vor allem für ökologische Betriebe entwickelt kann der Anhänger auch von konventionellen Betrieben mit kleinerer, artgerechter Haltung genutzt werden.
Die hohe Anzahl an Beratungsanfragen, die zum Thema mobile Schlachtung im FG 17 eingehen, lässt erahnen, wie stark der Wunsch nach solch innovativen Lösungsansätzen in der Praxis ist. Interessierte, die eine mobile Einheit betreiben möchten oder sich zunächst über die genauen Bedingungen informieren wollen, können sich jederzeit an das Beratungsteam Erwerbskombinationen wenden.
Dieser Beitrag stammt aus dem LLH-Jahresbericht 2021.
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