Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen

Weitere Versuche & Projekte

Projekt Tilvita: Regenerative Landwirtschaft im konventionellen Ackerbau

Klimawandel, Biodiversitäts­verlust und weitere Umweltprobleme stellen die Landwirtschaft vor zentrale Herausforderungen. In den letzten Jahrzehnten wurden daher alternative Konzepte der Landbewirtschaftung entwickelt, wie beispielsweise die konservierende Landwirtschaft, Permakultur oder ökologische Intensivierung. Im Fokus dieser Konzepte steht die Förderung von Ökosystemfunktionen bei gleichzeitigem Erhalt der Produktivität.

In den letzten Jahren hat das Konzept der rege­nerativen Land­wirtschaft zunehmend Aufmerksamkeit erlangt, in dessen Zentrum die Bodenge­sund­heit als Ansatzpunkt zur Regeneration multipler Ökosystemdienstleistungen steht.

Während viele der als regenerativ beworbenen pflanzenbaulichen Maßnahmen, wie Zwischen­fruchtanbau oder reduzierte Bodenbearbeitung, zentrale Bausteine der guten fachlichen Praxis sind, ist die Wirksamkeit anderer Maßnahmen, wie der Einsatz von Substanzen zur Vitalisierung von Pflanzenbeständen bzw. Bodenleben, wissen­schaftlich noch nicht belegt.

Versuchsaufbau

Seit April 2020 prüfen die Universitäten Kassel und Gießen, die Hochschule Geisenheim und der Landes­betrieb Landwirtschaft Hessen (LLH) im über den Integrierten Klimaschutzplan des Landes Hessen geförderten Projekt AKHWA, ob regenerativer Ackerbau einen Beitrag zur Anpassung an den Klimawandel (Erhöhung der Wasserretention, Kühlfunktion der Landschaft) und zum Klimaschutz (Minderung THG-Emission) leisten kann.

Im Teilprojekt TilVita (Tiefenlockerung- und Vitalisierungseffekte) wird untersucht, inwieweit sich folgende zentrale Elemente der regenerativen Landwirtschaft auf Ertragsfähigkeit, Wasser­speicherung und Indikatoren der Bodenfruchtbarkeit auswir­ken:

  • Anwendung von Komposttee als Pflanzenstärkungsmittel
  • Tiefenlockerung
  • Einsatz von Ferment bei der Tiefenlockerung
  • Applikation von Ferment zur „Flächenrotte“ beim Einarbeiten von Ernteresten und Zwischenfrüchten

Der LLH untersucht die Fragestellung unter den Bedingungen des konventionellen Acker­baus auf einem Praxisstandort in der Nähe Bad Hersfelds. Um regenerative An­bauverfahren auch unter den Bedingungen der am stärksten in der Praxis verbreiteten Boden­bearbei­tungsform prüfen zu können, wurde das Versuchsdesign um die Faktor­stufe „Pflug“ sowie „Pflug mit Ferment­ein­sprit­zung“ er­weitert (Tab. 1, Abb. 1). Somit können auch mögliche Inter­aktio­nen zwischen oberir­dischen Applikati­onen und Bodenbe­arbei­­tungs­verfahren quantifi­ziert werden. Im ers­ten Versuchs­jahr (2021/2022) wurde Win­tergerste mit einer nachfolgen­den sogenannten doppelten Zwischen­frucht auf der Versuchsfläche ange­baut, auf die im Früh­jahr 2023 Silomais mit Un­tersaat folgt.

Tab. 1: Zu prüfende Versuchsfaktoren im TilVita-Versuch des LLH

FaktorFaktorstufen
Bodenbearbeitung
  • Kontrolle (keine Tiefenlockerung oder Pflug; standortübliche reduzierte Bodenbearbeitung)
  • Tiefenlockerung ohne Ferment
  • Tiefenlockerung mit Ferment
  • Pflug ohne Ferment
  • Pflug mit Ferment
Vitalisierung
  • Kontrolle (keine Applikation)
  • Komposttee
  • Ferment
  • Komposttee und Ferment

Ergebnisse und Diskussion

Abb. 2: Kornertrag Wintergerste (2022) bei 14 % Kornfeuchte, in Abhängigkeit von Bodenbe¬ar-bei¬tung und Vitalisierung. pB: pflügende Bodenbearbeitung, Fe: Fermenteinspritzung, rB: reduzierte Bodenbearbeitung, Tl: Tiefenlockerung

Grundsätzlich ist nicht davon auszugehen, dass die Umstellung auf regenerative Anbau­verfahren bereits im ersten Jahr nachweisbare Effekte zeigt. Darüber hinaus konnte die Win­tergerste die im Boden gespeicherten Winterniederschläge zur Ertragsbildung nutzen, so dass die ab Mai 2022 einsetzende Trockenheit keine großen Ertragsverluste ver­ursachte. Im Versuchsmittel wurden 89 dt/ha Kornertrag erzielt. Die statistische Auswertung ist ak­tuell noch in Bearbeitung, jedoch liegt die Vermutung nahe, dass weder Bodenbearbei­tung noch Vitalisierung einen Ertragseffekt zeigten (Abb. 2). Auch für den Rohproteinge­halt (Mittel: 11,4 %) und das Hektolitergewicht (Mittel: 66,6 kg/hl) scheinen sich die Vari­anten nicht zu unterscheiden (nicht dargestellt). In einem Trockenjahr hätten sich Unter­schiede zwischen den Bodenbearbeitungsvarianten möglicherweise stärker ausgeprägt über ihren Effekt auf die Durchwurzelungsintensität und -tiefe und daraus resultierend die Wasser- und Nährstoffaufnahme. Bodenstruktur und Aggregatstabilität werden über den Gefügeindex bewertet, der ebenfalls noch keine belastbaren Aussagen ermöglicht. Tendenziell zeigten die gepflügten Varianten sowie die reduzierte Bodenbearbeitung mit Tiefenlockerung und Fermenteinbringung bessere Gefügeindex-Werte (nicht dargestellt).

Fazit

Potentielle Effekte regenerativer Maßnahmen auf Stoffumwandlungsprozesse, Bodenstruktur, Bodenorganismen und ein daraus resultierender Beitrag auf Wasserhaushalt, Ertragsleistung und Pflanzengesundheit können auf Basis der vorliegenden Ergebnisse noch nicht beurteilt werden und werden in Projektphase II weiter geprüft.

 


Dieser Beitrag stammt aus dem LLH-Jahresversuchsbericht 2023. Die gesamte Broschüre finden Sie hier.

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