Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen

Rinder-Haltung

Nottötung mit dem Bolzenschussgerät

Im Rahmen des Projekts „Netzwerk Fokus Tierwohl“ wurde an der Universität Kassel, Standort Witzenhausen, ein Seminar zum Umgang mit einem Bolzenschussgerät zur Betäubung und Nottötung von Rindern durchgeführt.

Die 21 Studierenden der Fachrichtung Agrarwissenschaften (B.Sc.) zeigten sich sowohl im Theorie- als auch im Praxisteil sehr interessiert. Die Seminarinhalte wurden einem Kuhkopf‑Phantom mit einem funktionsfähigen und geladenen Bolzenschussgerät dargestellt.

Warum werden Tiere notgetötet und welche Optionen hat die Landwirtin bzw. der Landwirt?

Nach § 1 des Tierschutzgesetzes (TierSchG) sind Tierhaltende rechtlich dazu verpflichtet, das Leben und Wohlbefinden eines Tieres zu schützen. Zudem darf „niemand dem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden und Schäden zufügen.“ Dieser Grundsatz gilt auch, wenn ein Tier erlöst werden muss.

Für Landwirtinnen und Landwirte ist es schwer, den Entschluss zu fassen, das eigene Tier zu töten bzw. tierärztlich töten zu lassen. Jedoch lässt sich die Frage dahingehend „leicht“ beantworten, dass aus Tierschutzsicht sowie aus ethischen und wirtschaftlichen Gründen ein Tier notgetötet werden muss, wenn dieses nicht aus eigener Kraft den Weg aus dem Stall in einen Transporter bewältigen kann und somit transportunfähig ist. Die Fahrt zum Schlachthof ist dann nicht möglich. Der Tierschutz steht dabei immer an erster Stelle. Wenn das Tier nicht lebensfähig ist, eine unheilbare Krankheit oder schwere Verletzungen hat, sind Besitzende dazu verpflichtet, das Tier zu erlösen oder erlösen zu lassen.

Das Nottöten bei Rindern kann entweder durch einen Tierarzt erfolgen, indem das Tier euthanasiert wird oder durch Befugte selbst. Eine Möglichkeit der Nottötung durch Tierhaltende selbst ist die Betäubung mittels Bolzenschussgerät mit anschließender Tötung durch Entbluten. Diese Option empfiehlt sich, wenn das Tier schnell erlöst werden muss und ein Tierarzt nicht unmittelbar zur Verfügung steht, um das Tier einzuschläfern. Dies stellt die tierwohlgerechteste Tötungsart dar. Zudem ist von großer Bedeutung, ob der Tierbesitzer bzw. die ‑besitzerin selbst physisch und psychisch dazu in der Lage ist, ein Tier zu töten. Wenn dies nicht der Fall ist, sollte immer ein Tierarzt kontaktiert werden.

Wer darf ein Tier nottöten?

Alle Tierhaltenden, die eine abgeschlossene landwirtschaftliche Ausbildung oder einen Hochschulabschluss im landwirtschaftlichen Bereich haben, sind befugt, das eigene Tier notzutöten. Es wird kein zusätzlicher Sachkundenachweis über die ordnungsgemäße Betäubung und Tötung benötigt. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass Tierhaltende die Gerätschaften zur Betäubung und zur Tötung fachgerecht bedienen müssen, um dem Tier keine weiteren Schmerzen und Schäden zuzufügen. Lediglich eine Tierärztin oder ein Tierarzt wie auch eine Metzgerin oder ein Metzger dürfen neben der Landwirtin bzw. dem Landwirt ein Tier nottöten. Da Metzgerinnen und Metzger aus beruflichen oder gewerbsmäßigen Zwecken regelmäßig Wirbeltiere töten, muss gegenüber der zuständigen Behörde ein Sachkundenachweis erbracht werden, um Tiere töten zu dürfen (TierSchG § 4, 1a). Die Option, das Tier durch eine Tierärztin oder einen Tierarzt einzuschläfern zu lassen, besteht immer. Diese Methode ist – neben ethisch‑moralischen Gründen – auch die hygienischste Variante, um ein Tier zu töten, da dieses nicht ausbluten muss und der gesamte Körper beseitigt werden kann.

Was ist der Unterschied zwischen Nottöten und Notschlachten?

Der wesentliche Unterschied zwischen einer Tötung und einer Schlachtung ist das weitere Vorgehen nach der Tötung des Tieres. Eine Schlachtung bedeutet immer, dass das Fleisch verwertet wird. Notgetötete Tiere, unabhängig mit welcher Methode das Tier getötet wird, dürfen nicht für den menschlichen Verzehr genutzt, sondern müssen ordnungsgemäß entsorgt werden. Anders kann das Fleisch notgeschlachteter Tiere behandelt werden. Voraussetzung für eine Notschlachtung auf dem Hof ist, dass eine Tierärztin oder ein Tierarzt das Tier vor der Tötung untersucht und eine entsprechende Bescheinigung ausstellt. Nur wenn festgestellt wird, dass keine chronischen und älteren Krankheiten, sondern akute und frische Verletzungen wie ein Knochenbruch oder ausgegrätschte Hinterläufe vorliegen, wird eine Bescheinigung ausgehändigt. Bei der Haus‑Notschlachtung ist neben den behördlichen Vorgaben für das Töten und der Fleischverwendung auch zu beachteten, dass das Fleisch ausschließlich für den Eigenbedarf zur Verfügung steht ­­– auch dahingehend müssen Maßnahmen getroffen werden. Das Fleisch muss ordnungsgemäß verarbeitet, gekühlt und gelagert werden, was häufig ein logistisches Problem darstellt. Im Falle einer Notschlachtung für den Weiterverkauf des Fleisches an andere Konsumentinnen und Konsumenten muss eine Schlachttier‑ und Fleischuntersuchung durch amtliche Tierärzte erfolgen. Der Genehmigung durch amtliche Tierärzte, notgeschlachtete Tiere weiterzuverkaufen, stehen jedoch häufig behördliche Hürden im Weg. Dies erschwert den Prozess der Notschlachtung für den Weiterverkauf erheblich.

Wieso setzt man ein Bolzenschussgerät zur Betäubung von Rindern ein und was muss danach gemacht werden?

Zu sehen ist auf der rechten Seite eine Frau, die ein Bolzenschussgerät mit beiden Händen an ein Kuhkopf Phantom hält. Auf der linken Seite ist der künstliche Kuhkopf zu sehen im seitlichen Profil. Der Kopf ist auf einer Metallstange aufgestellt.
Demonstration der korrekten Haltung eines Bolzenschussgerätes auf ein Kuhkopf-Phantom; Foto: Netzwerk Fokus Tierwohl

Für die Nottötung, aber auch allgemein für die Tötung eines Tieres, ist eine vorherige Betäubung gesetzlich vorgeschrieben (TierSchG § 4 (1)). Diese hat das Ziel, eine vollkommene Bewusstseins- und Wahrnehmungslosigkeit beim Tier hervorzurufen, um das Schmerzempfinden während des Tötungsprozesses gänzlich auszuschalten. Die korrekte Verwendung eines Bolzenschussgerätes zur Betäubung von Rindern führt zu einer sofortigen, tiefen und anhaltenden Bewusstlosigkeit. Auch die Reaktionsfähigkeit des Gehirns auf Außenreize ist durch den Schuss vollständig erloschen. Wird der Bolzenschuss sachgerecht durchgeführt, führt dies zum einen zu einer schweren Gehirnerschütterung und zum anderen zu schweren Gehirnschädigungen bis hin zu einer Atemlähmung. Die Tötung durch z.B. Blutentzug muss innerhalb von 60 Sekunden nach dem Einsatz des Bolzenschussgerätes erfolgen. Aufgrund vieler wissenschaftlicher Studien ist bewiesen, dass dieses Verfahren eine tierschutzgerechte Betäubungsmethode ist (z.B. Daly et al., 1987; Fricker et al., 1981; Schwarz (2015)).

Wie wird eine korrekte Betäubung durch den Bolzenschuss durchgeführt?

Frontales Bild eines gezeichneten Kuhkopfes auf der linken Seite der Abbildung. Einzeichnung zweier diagonal gestrichelter Linien, die vom Hornansatz bis zur gegenüberliegenden Mitte der Überaugenwulst reichen. Markierungspunkt zum Anhalten des Bolzenschussgerätes liegt genau oberhalb des Kreuzungspunktes der gestrichelten Linien. Auf der rechten Seite der Abbildung wird ein Kuhkopf im Seitenprofil gezeigt. Zu sehen ist außerdem das Hirn und das korrekt angesetzte Bolzenschussgerät. Unterhalb des Bolzenschussgerätes steht 90° als zusätzlicher Hinweis für den korrekten Ansatz des Gerätes.
Schemazeichnung zum korrekten Anhalten eines Bolzenschussgerätes an einem Kuhkopf; © Dipl. Ing. Stefan Heusel (2017). Fortbildungsveranstaltung Notschlachtung. Überprüfung von penetrierenden Bolzenschussapparaten (Niedersächsisches Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, Hrsg.).

Wenn die Landwirtin, der Landwirt oder andere befugte Personen sich dafür entschieden haben, das Tier aufgrund bereits aufgezählter Ursachen zu töten, sollten einige Vorgehensweisen beachtet werden. Einer der wichtigsten Grundsätze ist, „Ruhe zu bewahren“ und sich in der Vorbereitung ausreichend Zeit zu lassen. Bevor man das Tier fixiert, sollte die Funktionsfähigkeit des Bolzenschussgerätes geprüft sowie geeignete Munition bereitgelegt werden. Wenn diese Arbeitsschritte abgeschlossen sind, können weitere Maßnahmen getroffen werden. Das Tier muss im Kopfbereich gut fixiert werden, damit die Kopfbewegung so gut wie möglich eingeschränkt wird. Je nach Gesundheits‑ und Kraftzustand des Tieres kann man dieses beispielsweise in ein Fressgitter fixieren oder mit einem Halfter festbinden. Es ist zu beachten, dass stehende Tiere nach dem Abschuss fallen. Des Weiteren ist wichtig zu wissen, dass unterschiedliche Tierarten verschiedene Fallrichtungen aufweisen. Während Rinder in sich hinein bzw. zur Seite fallen, fallen Pferde nach vorne. Für das ausführende Personal ist dieses Wissen hinsichtlich der Arbeitssicherheit von großer Bedeutung.

Korrekte Schussposition:
Bei Rindern ist die Position zum Ansetzen des Gerätes der Kreuzungspunkt zwischen der diagonalen Linie vom linken Hornansatz und der Mitte der rechten Überaugenwulst sowie vom rechten Hornansatz zur linken Mitte der Überaugenwulst. Vorteilhaft und leichter ist es, wenn die Stelle rasiert und markiert wird. Der Schussapparat muss senkrecht im 90°-Winkel auf die Stirn des Rindes gehalten werden. Bei Schuss muss mit einem Rückstoß gerechnet werden, sodass empfohlen wird, die Apparatur leicht auf die Stirn zu drücken.

Nach der Betäubung muss unverzüglich die Entblutung, die zum Tod des Tieres führt, erfolgen. Um eine schnelle Ausblutung zu gewährleisten, sollten beide Halsschlagadern durchtrennt oder alternativ der Bruststich durchgeführt werden. Das Blut muss dabei aufgefangen und zusammen mit dem restlichen Kadaver ordnungsgemäß entsorgt werden.

Das Projekt „Netzwerk Fokus Tierwohl“ wird vom BMEL gefördert. Die Teilnahme an diesem Seminar war kostenlos.


Literatur

Daly, C.C., N.G. Gregory u. S.B. Wotton (1987): Captive bolt stunning of cattle: effects on brain function and role of bolt velocity. British Veterinary Journal 143, 574-580

Fricker, Ch. u. Riek, W. (1981): Die Betäubung von Rindern vor dem Schlachten mit Hilfe des Bolzenschuß Apparates. Fleischwirtschaft 61, 124-127

Schwarz, J.H. (2015): Klinisch-neurologische Untersuchungen zur Effektivität der Bolzenschussbetäubung bei Jungbullen und deren Potenzial zur Entwicklung eines automatischen Überwachungssystems.


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