Klimaschutz
Klimaschutz in der Milchproduktion auf viele verschiedene Weisen möglich
ClieNFarms-Exkursion begeistert französische Teilnehmende
Im Zusammenhang mit dem EU Horizon 2020-Projekt „ClieNFarms“ tauschten sich französische Landwirtinnen und Landwirte kürzlich auf einer Exkursion in Hessen mit Interessierten aus der landwirtschaftlichen Praxis, Beratung und Forschung aus. Thematisiert wurden Maßnahmen um Treibhausgas (THG) zu reduzieren wie auch zur Anpassung an den Klimawandel. Das Projekt ClieNFarms zielt darauf ab, agronomische, ökologische und technische Maßnahmen sowie organisatorische und finanzielle Lösungen auf betrieblicher Ebene aufzuzeigen, zu bewerten und zu verbessern. Dies soll ermöglichen, klimaschonende und klimaresiliente Maßnahmenempfehlungen für europäische landwirtschaftliche Betriebe zu entwickeln. Der Schwerpunkt der Exkursion lag in der klimaangepassten und emissionsvermeidenden Milchviehhaltung. Kooperationspartner in dem Bereich Wertschöpfungskette der Milcherzeugung sind die hessische Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) und die Upländer Bauernmolkerei. Der Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen (LLH) beteiligt sich an dem Projekt als assoziierter Partner.
Die französischen Landwirtinnen und Landwirte, die in Hessen zu Gast waren, bewirtschaften sowohl ökologische als auch konventionelle Höfe in der Bretagne. Bei den teilnehmenden Betrieben handelte es sich vor allem um gras- und weidebetonte Milchviehbetriebe. In der Bretagne herrschen milde Winter vor, daher können die Kühe bereits im März auf die Weide.
Wichtiger Bestandteil der Treibhausgas-Reduktion ist die Minimierung der Kohlenstoffdioxid- (CO2), Methan- (CH4), Lachgas- (N2O) und Ammoniak-Emissionen (NH3). Während CO2 vor allem bei Verbrennungsprozessen entsteht, wird Methan durch Verdauungsaktivität und mikrobiellen Umsatz im Dung erzeugt. Lachgas und Ammoniak entstehen durch Abbauprozesse von Stickstoffverbindungen. Dabei wird Ammoniak zum indirekten Klimagas, da es erst durch den Eintrag aus der Luft und mikrobiellen Umsatz zu Lachgas-Emissionen führt.
Gladbacherhof als Forschungsplattform und Demobetrieb
Neben den 10 Pilotbetrieben im ClieNFarms-Projekt fungiert der ökologisch bewirtschaftete Gladbacherhof der JLU als Demonstrationsbetrieb. Hier wurde 2022 ein Modell-Kuhstall in Betrieb genommen und das GreenDairy-Projekt gestartet. Letzteres wird über das hessische LOEWE-Exzellenzprogramm finanziert. Im Projekt werden zwei Holstein-Herden mit möglichst identischem Management gehalten – bis auf den Unterschied, dass eine 6.500 kg-Herde komplett ohne Mais sowie kraftfutterreduziert und eine weitere Herde mit einer Leistung von 8.500 kg mit Maissilage und Kraftfutter gefüttert wird. Eine automatische Fütterung und ein automatisches Weidetor sind Beispiele für eine arbeitstechnische Erleichterung. Futteranschieber, Güllesauger, Gülleseparator und ein isoliertes Dach sind beispielhaft für Klimaanpassungs- oder Klimagasreduzierende Maßnahmen. Neben der Milcherzeugung konzentriert sich der Betrieb auf die Saatgutvermehrung und Forschung im Bereich Klimaschutz und Klimaanpassung in der Landwirtschaft. Seit 2020 helfen Agroforstanlagen in hängigem Gelände Erosion zu vermeiden und langfristig Kohlenstoff im Boden und Gehölz zu binden. Auf der Exkursion wurde nach der Betriebsbesichtigung die Klimabilanzierung des Gladbacherhofs vorgestellt. Da auch die französischen Betriebe bereits Klimabilanzen durchgerechnet hatten, gab es einen angeregten Austausch über die verschiedenen Einflussfaktoren und Maßnahmen rund um Treibhausgasreduktion.
Management im Stall / Tierwohl
Die Exkursion hat gezeigt, dass tiergerechtes Management ein wichtiger Weg für den Klimaschutz ist. Wenn die Tiere gesund sind und das Futter gut aufgenommen wird, kann die Tierhaltung effizienter werden. Mit weniger Tieren können somit bessere Leistungen erzielt werden. So sorgen die Liegeboxen eines Betriebs, angelegt als Tiefstreuboxen mit Sandbettwaben und Stroh- Kalkeinstreu, für einen angenehmen Liegekomfort – und für neugierige Fragen bei den französischen Gästen, für die das Konzept neu ist. Die gut angenommenen Liegeboxen schonen den Tierstoffwechsel und sorgen für ungestörte Wiederkau-Tätigkeit. Die Waben verhindern, dass übermäßig viel Sand von der Kuh aus der Box getreten wird. Der Sand dämmt die Keimbelastung ein, sodass die Eutergesundheit unterstützt wird. Nachdem im Gangbereich Gummimatten in Verbindung mit einem Schiebersystem eingebaut worden sind, konnte die Milchleistung auf einem anderen Betrieb um 1-2 kg Milch pro Kuh und Tag gesteigert werden. Durch die Gummimatten wurden die Klauen entlastet, der Stand am Fressgitter angenehmer und dadurch ein ruhigeres Fressverhalten erzielt. Der Einsatz von Spaltenbodenschiebern mit einem Abschiebeintervall von zwei Stunden sorgte für eine Minderung der Ammoniakemissionen. Auf anderen Exkursionszielen war ein weiteres System zur Vermeidung von Ammoniakemissionen anzutreffen: der Saugroboter.
Effiziente Futterwirtschaft für mehr Klimaschutz
Eine gute Kraftfutterverwertung kann sich nicht nur positiv auf die Milchleistung auswirken, sondern auch die Freisetzung der Methanemissionen aus der Verdauung pro kg Milch reduzieren. Durch eine gute Futterverwertung besteht die Möglichkeit, mit einer durchschnittlich geringeren Tieranzahl eine vergleichbare Milchleistung zu erzielen. Zu beachten ist hierbei, dass Anbau, Aufbereitung und Transport von Kraftfuttermitteln meist höhere Emissionen verursachen, als vor Ort erzeugtes Grundfutter. Totale Mischrationen (TMR) garantieren, dass das Futter auf dem Futtertisch zu einem hohen Anteil gefressen wird und keine selektierten Futterbestandteile übrig bleiben. Insgesamt können durch ein gut durchdachtes Futtermanagement Trockenmasseverluste von bis zu 25% (KTBL 2017) vermieden werden. Neben dem TMR ist z.B. eine gute Siloführung entscheidend.
Ein anderer Teil der landwirtschaftlichen Betriebe setzt auf ein „Low Input“-System, bei dem weniger Treibhausgasemissionen in der Futterproduktion und beim Dunganfall entstehen. Auf diesen Betrieben wird auf eine hohe Grundfutterleistung aus Gras gesetzt, kombiniert mit einem geringen Kraftfuttereinsatz (1-2 kg) mit überwiegend Reststoffen aus der Humanernährung. Beispielsweise werden ausgereinigtes Getreide und Maisreste verfüttert, die sonst ungenutzt bleiben würden. Bei der Bewirtschaftung von Graslandsystemen werden im Vergleich zu Ackerbausystemen häufig weniger Treibhausgase emittiert. Ursachen sind wenig Bodenbewegung, eine kontinuierliche Humusspeicherung und bei Weidesystemen ein getrenntes Absetzten von Kot und Harn. Auch der Maschineneinsatz erfordert größtenteils weniger Kraftstoffeinsatz. Für eine effiziente und qualitativ hochwertige Futterwerbung setzt z.B. der Betrieb Emden ein Doppelmessermähwerk mit einer Arbeitsbreite von 9 m ein. Das Doppelmessermähwerk hat einen geringeren Leistungsbedarf als andere Mähsystemen mit ähnlichen Arbeitsbreiten. Daher können kleinere Schlepper eingesetzt werden. Neben geringerem Spritverbrauch und einem geringen Bodendruck ist auch die hohe Flächeneffizienz vorteilhaft. Die Teilnehmenden der Exkursion zeigten sich erstaunt, dass die Werbung des täglichen Futters lediglich eine Stunde erfordert.
Biogas und Düngung
Ein großes Potenzial in der Treibhausgasreduktion bieten Biogasanlagen. Sie können gegenüber der Güllelagerung im offenen Behälter mit Schwimmschicht, mit Folienabdeckung und in der Unterflurlagerung bis zu 82 % der Treibhausgase in CO2eq einsparen (KTBL 2017). Dabei entfällt ein Großteil der Reduktion auf die Vermeidung von Methangas aus den Wirtschaftsdüngern. Zwei der besuchten Betriebe erfreuen sich aber nicht nur an der Treibhausgaseinsparung. Auf den Höfen der Familie Geißler in Fronhausen und der Familie Hewecker in Stadtallendorf/Wolferode bilden die Biogasanlagen ein wichtiges Betriebsstandbein. Familie Geißler betreibt eine Biogasanlage mit 500 kW, die unter anderem mit der Gülle der 1.100 Mastschweine und 150 Milchkühe befüllt wird. Familie Hewecker bewirtschaftet die Flächen des Betriebes in einer GbR mit einem weiteren Milchviehbetrieb, welcher zwei Orte entfernt liegt. Mit diesem Betrieb betreiben sie zusätzlich zwei Biogasanlagen mit 650 kW und 75 kW als GmbH & Co. KG.
Zum Thema Düngung wurde das Interesse der Exkursionsteilnehmenden auf dem Schwalbenhof Lorenz geweckt. Der Betrieb setzt den „Schleppfix“ für die Gülleausbringung ein. Der Gülleverteiler ist so konzipiert, dass die Gülle in einen breiten Blechkasten fließt und anschließend über eine Feinverteilung auf kleinen „Ausbringscharen“ den Kasten breit und gleichmäßig verteilt wieder verlässt. Vorteil der Technik ist eine geringe Verstopfungsgefahr bei Stroh in der Gülle. Sollte sich das Gerät doch einmal zusetzen, kann mit einfachen Handgriffen die Technik gewartet werden. Der „Schleppfix“ ermöglicht eine Reduktion der Ammoniak-Emissionen durch eine bodennahe Ausbringung trotz geringer Strohbeimengung in der Gülle.
Klimafarm in Nordhessen
Im Zuge der Exkursion wurde auch die Klimafarm von Nestlé und Hochwald besucht. Die Klimafarm ist der Betrieb von Mario Frese nahe Homberg (Efze). Der Betrieb wird von der Hochschule Nürtingen-Geislingen unter der Leitung von Prof. Dr. Stephan Schneider begleitet. Die Analysen und Maßnahmen zur Reduktion der betrieblichen Treibhausgasemissionen werden vor Ort durchgeführt. Neben der Hochschule unterstützen das Thünen-Institut und die Bodensee-Stiftung. Die enge Zusammenarbeit ermöglicht praxisnahe Umsetzungen von betrieblichen Maßnahmen. Letztere erläuterte Prof. Dr. Schneider auf einem Rundgang über den Hof. In der Maschinenausstattung ist vor allem das Güllefass hervorzuheben, das mit einem selbst angebauten Ansäuerungstank versehen wurde. Die bei der Ausbringung angesäuerte Gülle setzt weniger Ammoniak frei. Ein weiterer Aspekt ist die Futterlagerung. Es war herausfordernd, die bisherigen Futtersilos anzulegen, da zwei Seitenwände die Hänge des umliegenden Geländes bilden und das Siliergut so leichter verschmutzt werden konnte. Deswegen wird in 2024/2025 ein neues großes Silo gebaut. So kann sauberer gearbeitet werden, sodass weniger Futter verdirbt und ungenutzt auf dem Mist landet. Im Stall sorgen ein Futteranschieber für eine bessere Futteraufnahme bei den Milchkühen und ein Güllesauger für saubere Flächen im Stall, die weniger klimaschädliches Ammoniak freisetzen. Zu mehreren Abläufen auf dem Hof hat die Hochschule Handlungsanweisungen zusammengestellt, um ein optimal klimaschonendes Wirtschaften zu erreichen. Exemplarisch zeigte Prof. Dr. Schneider die Handlungsanweisungen in der Kälberaufzucht, die vor allem darauf abzielt, dass den Kälbern zu jedem Zeitpunkt Milch im Nuckeleimer, Wasser, Heu und Kraftfutter geboten werden. Mit diesen Maßnahmen werden gute Zuwachsraten und neben anderen Aspekten wie den hygienischen Bedingungen eine gute Kälbergesundheit erzielt.
Klimaschutz in der Milchverarbeitung
Ein weiteres Ziel der Exkursion war die Upländer Bauernmolkerei in Usseln. Diese Molkerei strebt an, ihre Produktion möglichst klimaschonend auszurichten. Da aus Hygienegründen die Produktionshallen nicht betreten werden dürfen, ging es einmal um die Produktionsstätte herum. Die Halle ist so konzipiert, dass durch große Fenster Einblicke in den Produktionsvorgang möglich sind. Besonderheiten in der Upländer Bauernmolkerei sind die im Gebäude verarbeiteten regionalen Materialien wie Holz aus dem Solling, das komplett aus Holz oder Holzisolierstoffen gebaute Kühlhaus, das Beziehen von 100% Strom aus regenerativen Energiequellen inklusive einer eigenen Solaranlage auf dem Dach sowie die in Deutschland einzigartig eingesetzte Tiefenfiltration der Milch. Bei der Tiefenfiltration wird die Milch durch eine sehr feine Filtermembran geleitet, wodurch Keime abgeschieden werden.
Insgesamt brachte die Exkursion einen intensiven Austausch mit vielen Fragen vonseiten der französischen Gäste und der besuchten Betriebe. Insbesondere das Agroforstsystem begeisterte die Teilnehmenden durch die schattenspendende und kohlenstoffspeichernde Wirkung. Die weiteren Klimaschutzmaßnahmen, wie das Erreichen von Langlebigkeit bei Milchkühen, die Fütterung, das Erreichen einer hohen Milchleistung pro Kuh, das Vergären der Gülle usw., zeigen die Vielfalt der Maßnahmen, die in der Milchproduktion ergriffen werden können. Die ClieNFarms-Pilotbetriebe haben alle das gemeinsame Ziel, den eigenen Treibhausgas-Ausstoß zu mindern – der Weg, den sie einschlagen, ist jedoch für jeden Betrieb anders und sehr individuell.