Rinder-Haltung
Digitalisierung in der Kälberhaltung
Tierbetreuung per App wird in die Überbetriebliche Ausbildung integriert
Eine genaue Beobachtung, tiergerechte Haltung und optimale Fütterung sorgen für gesunde Kälber, die sich zügig entwickeln. Gesunde Kälber mit guten Tageszunahmen sind wiederum Grundvoraussetzung für eine lebenslange gute Konstitution, ein niedriges Erstkalbealter, leistungsfähige Milchkühe und hohe Zunahmen bei Masttieren. Um dies zu erreichen und um das Tierwohl zu verbessern, nutzen bereits einige landwirtschaftliche Betriebe erfolgreich die Möglichkeiten der Digitalisierung.
Am Landwirtschaftszentrum (LWZ) Eichhof kommen in der Kälberaufzucht seit einigen Monaten Kälberstationen mit einer dazugehörigen Kälberbetreuungs-App zum Einsatz. Seit September ist diese Technik Bestandteil der Überbetrieblichen Ausbildung beim Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen (LLH).
Gesundheitsdaten werden automatisiert erfasst
Ab dem 21. Lebenstag beginnt für die Kälber am LWZ Eichhof ein neuer Aufzuchtabschnitt: Die Haltung im Kälberiglu wird durch die Gruppenhaltung mit Kälberstationen abgelöst. Eine Kälberstation besteht aus Tränkeautomat, Waage und Wassertränke; 15 Kälber können pro Station versorgt werden.
Zudem wird jedes Tier mit einem Halsband mit Tiererkennung, Agilitätsmessung und LED-Leuchte ausgestattet. Alle Komponenten sind „smart“, d.h. über das Internet mit der App verbunden.
Zu jedem Einzeltier werden automatisiert folgende Informationen erfasst:
- Menge zugeteilter und davon abgerufener Milch laut Tränkeplan
- Sauggeschwindigkeit
- Anzahl und zeitliche Abstände der Tränkestationsbesuche
- Wassermenge, die zusätzlich von dem Kalb aufgenommen wird
- tägliche Zunahme des Tieres
- Aktivität des Kalbes
Über die App erhalten Tierhaltende in Echtzeit Informationen über den Gesundheitsstatus eines Kalbes. Alle erfassten Kälberdaten werden in einer Cloud gesammelt, dort verarbeitet und sind von den Tierbetreuungskräften jederzeit und überall abrufbar.
Muss ein Tier besonders beobachtet werden, kommen die LED-Leuchten zum Einsatz. Sie können über die App auch vom PC oder Mobiltelefon gesteuert werden. Die LEDs leuchten etwa rot, wenn die Milchaufnahme unvollständig ist (Abb. 2). Das betroffene Tier ist im Stall gut zu erkennen – so erleichtert die Technik gerade in großen Tierbeständen die Beobachtung ungemein. Die Möglichkeit, bei Unstimmigkeiten rasch handeln zu können, fördert das Tierwohl.
Am Eichhof bleibt jedes Kälbchen etwa 55 Tage an dieser Kälberstation. Die Kosten für die vorgestellte 24/7-Betreuung belaufen sich auf 53 Cent pro Kalb und Tag.
Digitale Anwendungen unterstützend einsetzen
Damit die Kälberbetreuungs-App in die Lehrgänge der Überbetrieblichen Ausbildung integriert werden kann, werden die Auszubildenden wie auch die Lehrenden während des Lehrgangs mit einem mobilen Gerät mit Internetzugang ausgestattet. So können alle Auszubildenden vor Ort die automatisiert erfassten Kälberdaten beispielsweise über Tablets einsehen, auswerten und den Gesundheitszustand der Tiere beurteilen.
Gleichwohl ersetzt die Digitalisierung nicht den persönlichen Eindruck: Den körperlichen Zustand und das Verhalten eines Kalbes müssen Tierhaltende selbst einschätzen lernen. Die Beobachtungen, die die Auszubildenden im Stall machen, können in die App eingespeist werden und decken sich im Idealfall mit den digital erfassten Daten. Auch die Schlussfolgerungen müssen letztlich immer die Landwirtinnen und Landwirte treffen. Das können weitere Beobachtung, Futterumstellung oder tierärztliche Behandlung sein.
Diese Übung trainiert den Blick für das Tier und den Umgang mit Tablets, Daten und deren Auswertung. Den Auszubildenden wird verdeutlicht, dass die gesammelten Daten bei Entscheidungen unterstützen und die Arbeit erleichtern können.
In den vergangenen Jahren haben die angehenden Landwirte und Landwirtinnen am automatischen Melksystem bereits die Möglichkeiten der Technik und Digitalisierung kennengelernt. Ab diesem Winterhalbjahr bildet die Digitalisierung der Kälberhaltung einen weiteren festen Bestandteil der Überbetrieblichen Ausbildung am Eichhof.