Bildungsseminar Rauischholzhausen
Akademie hilft, den Blick fürs Detail zu erlernen
Neues Fortbildungsformat zum ländlichen Bauen erfolgreich gestartet
Vorhandenes Wissen zu konservieren und an nachkommende Generationen weiterzugeben, wird in Zeiten des demografischen Wandels auch in den Kreisverwaltungen immer wichtiger. Erstmals haben daher zahlreiche Fachdienste aus den hessischen Kreisverwaltungen, zusammen mit der Akademie für den ländlichen Raum Hessen (ALR), die „Fortbildung Ländliches Bauen“ für neue Mitarbeitende in der Dorf- und Regionalentwicklung (DE/RE) organisiert.
Regionaltypisches, ländliches Bauen spielt eine bedeutende Rolle in den hessischen Förderprogrammen der DE/RE. Gewachsene Strukturen und regionaltypische Besonderheiten sollen einerseits erhalten werden, denn Gebäude prägen Ortsbilder und sind identitätsstiftend für die Menschen vor Ort. Gleichzeitig ist aber auch eine behutsame Weiterentwicklung hin zu aktuellen Wohnbedürfnissen und gesetzlichen Anforderungen erforderlich. Die DE/RE-Mitarbeitenden in den hessischen Landkreisen treten dabei als Bindeglied zwischen Bevölkerung und rechtlichen Rahmenbedingungen auf. Dafür ist Fachwissen erforderlich, etwa um fundierte Aussagen bei der Sanierung eines Fachwerkhauses zu treffen und Bauvorhaben einschätzen zu können. Kenntnisse über die regionaltypischen Bauweisen sind grundlegend, um zu Fördermittelanträgen gewissenhaft beraten und diese bewilligen zu können.
Erfahrene geben ihr Wissen weiter
Verwaltungskräfte in der DE/RE müssen sich neben den gesetzlichen Richtlinien auch Wissen aus vielen Bereichen des Bauwesens, wie der Architektur, aneignen. Zusammen mit Gitta Schnaut von der ALR, die beim Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen (LLH) angesiedelt ist, haben sich daher zahlreiche hessische Fachdienste verbunden, um eine Grundlagenschulung für neue DE/RE-Mitarbeitende zu entwickeln. Ziel war es, dass erfahrene Mitarbeitende aus den Kreisverwaltungen ihr Wissen gebündelt an die neu Eingestellten weitergeben. Dafür konzipierte Gitta Schnaut – mit maßgeblicher Unterstützung der Landkreise Fulda, Lahn-Dill, Main-Kinzig und Waldeck-Frankenberg – ein zweitägiges Veranstaltungsformat, welches am 18. und 19. Juli 2023 im osthessischen Bad Salzschlirf stattfand. Die Inhalte wurden dabei vorrangig durch die erfahrenen und qualifizierten Mitarbeitenden aus den Kreisverwaltungen selbst erstellt, da diese am besten einschätzen konnten, welches Wissen „die Neuen“ benötigen. Die auflockernden Pausen zwischen den Vorträgen haben die Teilnehmenden genutzt, um sich kennenzulernen und miteinander zu vernetzen.
Breiter, offener und wertschätzender Austausch
32 DE/RE-Mitarbeitende aus zwölf landrätlichen Fachdiensten und dem hessischen Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (HMUKLV) nahmen an der thematisch vielfältigen Veranstaltung teil. Zu Beginn führte Dr. Jürgen Römer, Historiker und DE/RE-Fachdienstleiter des Landkreises Waldeck-Frankenberg, die Teilnehmenden durch die Jahrhunderte der hessischen Baukultur und Siedlungsgeschichte – und was davon bis heute zu sehen ist. Unter der Fragestellung „Was steht in unseren Dörfern und warum?“ erläuterte der Referent beispielsweise, welche ursprünglichen Nutzungen die Fachwerkbauten hatten und wie diese erkennbar sind.
Einen weiteren Themenschwerpunkt setzte Eva Götz, die als Planerin und DE/RE-Fachdienstleiterin im Lahn-Dill-Kreis Grundbegriffe und Bestandteile eines Fachwerkhauses erklärte. Dazu erhielten die Teilnehmenden Ansichts- und Schnittzeichnungen eines beispielhaften Fachwerkbaus, die gemeinsam besprochen wurden. In einer kurzen Übung konnte die Gruppe die erlernten Fachbegriffe direkt anwenden und aufzeigen, wo etwa „Schwelle“ und „Kehlbalken“ liegen. Ein wichtiges Thema war auch die Baustoffkunde, bei der Eva Götz erklärte, welche Materialien in Fachwerkbauten (nicht) verbaut sein sollten und warum.
Viola Reusing vom Fachdienst „Entwicklung Ländlicher Raum“ des Main-Kinzig-Kreises fokussierte unter anderem darauf, wie Bestandsgebäude durch Sanierungen zum Klimaschutz beitragen und an Klimaveränderungen angepasst werden können.
In einem kurzen Impuls sensibilisierte Jürgen Römer für das Thema Barrierefreiheit. Mithilfe eigener Beispiele aus dem Arbeitsalltag machte er deutlich, wie simple Maßnahmen auch in ländlichen Bestandsgebäuden Barrieren reduzieren – und wie viele Menschen davon profitieren.
Weitere Vorträge behandelten Fragen, wie
- das Einhalten von Förderbedingungen bei Bauvorhaben überprüft wird.
- Baugenehmigungsverfahren bei Gebäuden ablaufen.
- Baukosten ermittelt werden und welche Hilfsmittel es dafür gibt.
Den Abschluss der zweitägigen Veranstaltung gestaltete Tanja Matschinsky von der Hessischen Gartenakademie (HGA), die ebenfalls dem LLH zugehörig ist. Matschinsky stellte vor, wie Grün- und Freiflächen im öffentlichen Raum des Dorfes geschaffen werden können. Ob Bäume, Kletterpflanzen oder Stauden: Die Expertin gab den DE/RE-Mitarbeitenden Inspirationen, wie Grün- und Freiflächen neben der reinen Funktionalität auch gestalterische und ökologische Aspekte erfüllen können.
Veranstaltungsformat soll fortgesetzt werden
Das Feedback zum Veranstaltungsformat war durchweg positiv. Durch die Kooperation zwischen der ALR und den Landkreisen konnten den Teilnehmenden berufsrelevante Informationen praxisorientiert und auf Augenhöhe vermittelt werden. Die Erkenntnisse der ersten Veranstaltung sollen nun genutzt werden, um das Format weiterzuentwickeln und fortzusetzen.