Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen

Humus

Humus im Klimawandel

Humusmonitoring – die bisherige Entwicklung

Einige Bundesländer untersuchen seit Jahrzehnten landwirtschaftlich genutzte Böden auf ihren Gehalt und z.T. den Vorrat an Corg [1-3]. Auch aus anderen europäischen Staaten liegen Bodenuntersuchungsergebnisse als Zeitreihe vor (zusammengefasst, diskutiert und zitiert in [1]).

Die Resultate für Ackerböden lassen sich knapp so zusammenfassen: Bei den meisten Mineralböden ist keine signifikante Veränderung der Gehalte an Corg festzustellen. Standorten, die Corg verloren haben, stehen andere Standorte mit Gewinnen gegenüber. Ging Humus verloren, dann handelt es sich zumeist um Böden, die mit einem hohen Ausgangsgehalt an Corg in die Messreihe eingingen. Oft sind es organische Böden, Böden unter Grundwassereinfluss oder Ackerböden, die früher als Grünland genutzt wurden. Beim Bodendauerbeobachtungsprogramm Niedersachsens [2] liegt die Schwelle bei etwa 2% Corg – Böden, die im Verlauf von 30 Jahren Corg verloren haben, lagen anfangs über diesem Wert.

Klimatische Einflussfaktoren

Humusaufbau und Humusabbau sind komplexe Prozesse, in die viele Faktoren hineinspielen: Bodentextur, Bodentyp und damit Geologie, Grund- und Stauwasser, Klimafaktoren wie Temperatur und Niederschlag sowie Bewirtschaftung [4, 5]. Für den Unterboden sind meist Bodentyp und Textur, hier vor allem der Tongehalt entscheidend. Für den Oberboden spielen auch Bewirtschaftung und klimatische Einflussfaktoren eine wichtige Rolle. Regressionsrechnungen haben gezeigt [6, 7], dass für Mineralböden Temperatur und Niederschlag – näherungsweise die Höhenlage – bestimmende klimatische Standortfaktoren für die Humusentwicklung sind. Oft werden aufgrund der einfacheren Verfügbarkeit Jahresdurchschnittswerte verwendet. Feiner aufgelöste Daten finden in Humusmodellierungen Eingang, so z.B. für die Bestimmung der Wirksamen Mineralisationszeit im Modell Candy/CCB [8, 9]. Ein klassisches Beispiel für hohe Humuswerte ist die Schwarzerde (Tschernosem). Der Abbau der gebildeten organischen Substanz wird durch die Kombination von Sommertrockenheit und Winterkälte gehemmt.

Die Analyse der Ergebnisse aus den Bodendauerbeobachtungsflächen in Bayern, laufend seit 1985/86, ergab für Grünlandböden, dass auf Flächen mit Verlusten an Corg höhere Herbst- und Wintertemperaturen und geringere Sommerniederschläge (mit mutmaßlichen Einbußen an Corg-Input) wichtige klimatische Variablen zur Erklärung der negativen Humusentwicklung sind [10].

Das Klima in den nächsten Jahrzehnten

Aktuelle regionale Klimamodelle für Deutschland wie ReKliEs-De [11] oder Cordex Eur11, die auch vom Deutschen Wetterdienst verwendet werden, berechnen in ihren Projektionen einen Anstieg der Jahresmitteltemperatur um 1,5-2 °C (0,7-2,5 °C) bis 2050 und im Mittel um knapp 4 °C (2,8-5,2 °C) bis 2100 (Szenario „Weiter-wie-bisher“, RCP8.5). Der Temperaturanstieg bewegt sich sommers wie winters in einer ähnlichen Größenordnung. Die Anzahl der Hitzetage soll sich mehr als vervierfachen.

Die Mehrzahl der Klimaprojektionen für den Zeitraum 2071-2100 simuliert für den Sommer eine Niederschlagsabnahme. Im RCP8.5 reichen die Änderungssignale im Sommer allerdings von –60 % bis +40 %. Alle Modelle berechnen eine Zunahme der Trockentage in der Vegetationszeit April bis Oktober [11].

Sowohl für die Wasserversorgung der Pflanzen, als auch für Humusbildung und -umsatz ist eine ausreichende Bodenfeuchte maßgeblich. Probleme werden in der Vegetationsperiode nicht nur fehlende Niederschläge bereiten, sondern auch die höhere Temperatur und Hitzeereignisse. Die Evapotranspiration steigt exponentiell mit der Temperatur. Die Bodenfeuchte wird also sehr viel stärker und schneller sinken als die Betrachtung nur der Niederschlagssituation vermuten ließe. Die Jahre 2018-2020 und 2022 waren vermutlich nur ein Vorgeschmack.

Der Winterniederschlag nimmt in fast allen Simulationen zu (0 bis +40 %). Die Winter könnten zukünftig kürzer, milder und regenreicher sein, also humusabbauende Bedingungen fördern.

Die Intensität der Niederschläge steigt: Die Niederschlagsmenge bei Starkregen nimmt prozentual stärker zu als die mittlere Niederschlagsmenge [11].

Mögliche Auswirkungen des Klimawandels

Bodenerosion

Der zu erwartende Anstieg der Intensität der Starkniederschläge erhöht das Risiko der Bodenerosion durch Wasser. Diese Entwicklung ist bereits heute spürbar: Die Regenerosivitäten für Deutschland wurden anhand von Radardaten der Jahre 2001 bis 2017 neu berechnet. Die Erosivität der Niederschläge (R-Faktor in der Allgemeinen Bodenabtragsgleichung) hat sich seit den 1960er Jahren in etwa verdoppelt [12, 13].

Sollten die Böden im Sommerhalbjahr in Zukunft häufiger und stärker austrocknen, erhöht dies das Risiko für Winderosion, da die Aggregatstabilität mangels Feuchtigkeit verringert ist.

Da zunächst der humusreiche Oberboden von Erosion betroffen ist, führt Erosion durch Wind oder Wasser zu Humusverlust an der Abtragsstelle. Der erodierte Humus kann in Fluss und Meer in Sedimenten landen und ist damit für die Bodenfruchtbarkeit verloren, oder er wird an anderer Stelle z.B. als Kolluvium aufgetragen.

Eintrag organischer Substanz

Zunehmende Hitze- und Trockenperioden können zukünftig dazu führen, dass die Biomasseproduktion auf Äckern und Grünland zurückgeht. Ohne entsprechende Primärproduktion von organisch gebundenem Kohlenstoff wird weniger in die Böden eingetragen, und es steht weniger als Rohstoff für die Humusbildung zur Verfügung.

Ein gegenläufiger Prozess könnte dieses Defizit ein Stück weit ausgleichen: die menschengemachte Zunahme der CO2-Konzentration in der Atmosphäre. Bei höherer CO2-Konzentration wird besonders bei C3-Pflanzen die Photosynthese effizienter und der Wasserverlust über Transpiration geringer [14]. Es wird mehr Biomasse gebildet, und zwar nicht nur ober-, sondern auch unterirdisch. Höhere CO2-Konzentrationen stimulieren besonders das Wurzelwachstum – Länge, Durchmesser, Biomasse, Wurzelexsudate, Rhizodeposition nehmen zu [15]. Dies ist deswegen besonders wichtig, weil Wurzeln mehr als doppelt so viel zur Bildung von dauerhaftem Humus beitragen als oberirdisch eingetragene organische Substanz [16, 17]. Außerdem erreichen die Pflanzen durch das größere Wurzelsystem vermutlich besser Wasser und Nährstoffe auch in größeren Bodentiefen [18]. Durch die verringerte Transpiration werden sogar die Bodenwasservorräte weniger schnell aufgebraucht [14].

Allerdings gibt es Untersuchungen, nach denen der fördernde CO2-Effekt auf das Wurzelwachstum bei höheren Temperaturen nachlässt [19]. Andere Studien fanden, dass der erhöhte Eintrag von C in den Boden auch den Umsatz bereits im Boden eingelagerten Kohlenstoffs ankurbelt („priming effect“) [20, 21]. Versuche zeigen, dass die Stimulation der Photosynthese oft nur vorübergehender Natur ist (Akklimation) [22], sei es, weil andere Nährstoffe ins Defizit geraten [23] oder weil der vermehrt gebildete frische Kohlenstoff nicht ausreichend assimiliert werden kann und die Bildung herunterreguliert wird [14, 22]. Wie der Nettoeintrag an organischer Substanz in die Böden, das C/N-Verhältnis und die Humusbilanz künftig aussehen werden, ist angesichts der vielen Unbekannten von der Niederschlagsentwicklung bis zur Pflanzenphysiologie und Bodenbiologie noch unklar.

Einfluss auf das Bodenleben

Höhere Temperaturen erhöhen die Bodenatmung, speziell auch die Atmungsaktivität der Bodenmikroorganismen. Es wird auch hier eine Akklimation beobachtet – die Stimulation der Bodenatmung schwächt sich mit der Zeit ab [24, 25]. Eine mögliche Adaptation der Mikroorganismen oder eine Veränderung ihrer Gemeinschaft ist zwar denkbar [26-29]. Als wahrscheinlichere Erklärung wird aber angesehen, dass leichter abbaubare Verbindungen mit der Zeit aufgebraucht werden [25, 27]. Dazu passen experimentelle Ergebnisse, dass nicht alle Humusfraktionen gleich sensitiv auf Temperaturerhöhungen reagieren [30]. Allerdings wird auch jahrzehntealter Bodenkohlenstoff bei Erwärmung schneller abgebaut [31].

Die Beschleunigung des Abbaus durch höhere Temperaturen kann freilich nur dann greifen, wenn ausreichende Bodenfeuchte die metabolischen Reaktionen zulässt [32]. Unter trockenen Bedingungen findet wenig oder kein Humusabbau statt.

Änderungen der mikrobiellen Lebensgemeinschaft unter Erwärmung, Trockenstress und höherer CO2-Konzentration sind immer wieder beschrieben worden. Allerdings ist es schwierig, die Änderungen einzelnen Faktoren zuzuordnen; so spielt auch immer die Nährstoffversorgung eine Rolle [26-28, 33]. Die Förderung der biologischen Stickstofffixierung und damit von Leguminosen unter erhöhtem CO2 wurde häufig beschrieben [14, 26, 34].

Nach mehreren aufeinanderfolgenden trockenen Jahren besteht ein hohes Risiko, dass Regenwurmpopulationen einbrechen und sich nur langsam oder gar nicht mehr erholen [35].

Angesichts der Bedeutung gerade tiefgrabender Regenwürmer für die Verteilung von organischer Substanz und ihre Vermischung und Stabilisierung mit mineralischer Substanz, wäre eine solche Entwicklung definitiv humusrelevant.

Humusentwicklung – Modelle/Projektionen

Abb. 1: Entwicklung mittlerer Bodenkohlenstoffvorräte auf Ackerland in Deutschland unter Beibehaltung aktueller C-Einträge, dargestellt als Mittel der Ensemble-Modellierungen von mindestens fünf regionalen Klimamodellen und fünf Bodenkohlenstoff-Modellen mit 95%-Konfidenzintervall unter der Annahme von vier verschiedenen Klimaszenarien

Für landwirtschaftlich genutzte Böden und Waldböden in Baden-Württemberg wurde eine Regressionsgleichung zwischen Jahresmitteltemperatur und Humusgehalt aufgestellt [6]. Projiziert man diese Beziehung in eine wärmere Zukunft, dann werden Humusgehalte und -vorräte geringer. In Ackerböden (0-30 cm) würde der Corg-Vorrat bei einer Temperaturerhöhung von 3 °C von derzeit 66 t/ha auf 56 t/ha sinken [6].

Oft verwendet man Klima- und Bodenmodelle, um die Humusentwicklung für entsprechende Klimaprojektionen zu berechnen. Eine Studie hat untersucht [36], wie sich die Humusvorräte Bayerns unter den Rahmenbedingungen des Klima-Szenarios SRES-A1B und des Bodenkohlenstoff-Modells RothC bis 2095 verändern.

Mit einem Anstieg der Jahresmitteltemperatur um 3,1-3,4 Grad, einer erhöhten Evapotranspiration und leicht erhöhtem Jahresniederschlag würde sich der Corg-Vorrat in den Ackerböden der untersuchten Standorte gegenüber dem Referenzszenario (66 t/ha, Klima 1970-99) um ca. 9 t/ha verringern.

Eine deutschlandweite Modellierung [37] nutzte die Datengrundlage der Bodenzustandserhebung Landwirtschaft von 991 ackerbaulich genutzten Standorten und berechnete die Humusentwicklung mittels fünf Klimamodellen für das RCP8.5-Szenario und fünf Boden-C-Modellen. Unter der Annahme gleicher C-Inputmengen sank der Humusvorrat von 58 t/ha (2014) in der Projektion bis 2099 um ca. 10 t/ha auf knapp 48 t/ha (Durchschnitt der Modelle). Wollte man den Corg-Vorrat im Boden auf dem Niveau von 2014 halten, wäre 2095 der doppelte Input an organischem Kohlenstoff erforderlich.

Global weisen experimentelle Ansätze und Modellierungen in eine ähnliche Richtung [38-40]. Lediglich eine EU-Studie kommt unter der Annahme von CO2-bedingten höheren C-Einträgen und Landnutzungsänderungen zu einer Steigerung der Corg-Vorräte bis 2050 [41].

Konsequenzen für die Humuswirtschaft

Angesichts der abzusehenden klimatischen Entwicklungen und ihrer Auswirkungen auf den Humusumsatz in unseren landwirtschaftlich genutzten Böden, besonders in den Ackerböden, wird es das vorrangige Ziel sein müssen, die Humusvorräte unserer Böden zu erhalten. Die angestrebte Erhöhung der Humusge-halte und –vorräte im Zuge von Carbon Farming und Humuszertifikaten oder der 4‰-Initiative wird sehr schwer und mit fortschreitendem Klimawandel den Projektionen zufolge unmöglich.

Die Möglichkeiten zu Erhalt und Aufbau von Humus in Ackerböden wurden im Flyer „Humuszertifikate“ in dieser Reihe ausführlich vorgestellt und erläutert. Sie werden in Zukunft immer wichtiger, um die Fruchtbarkeit unserer Böden und ihre Resilienz im Klimawandel zu bewahren.

Ausblick

Um bundesweit Boden- und Humusdaten zusammenzuführen und zu harmonisieren, wird ein Klimafolgen-Boden-Monitoring-Verbund als Netzwerk der Daten erhebenden Stellen in Deutschland eingerichtet. Geplant ist ein Bodenmonitoring-Zentrum beim Umweltbundesamt [42, 43].

Literatur

Die Literaturzitate in […] finden sich unter:

https://ltz.landwirtschaft-bw.de/literaturliste-humus-im-klimawandel

Verwendung der Abbildung 1 lizensiert unter http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ und mit freundlicher Genehmigung von C. Riggers. Quelle: Riggers, C., Poeplau, C., Don, A., Frühauf, C. und Dechow, R. (2021): How much carbon input is required to preserve or increase projected soil organic carbon stocks in German croplands under climate change? Plant and Soil 460: 417–433. https://doi.org/10.1007/s11104-020-04806-8.

In der Reihe „Grundsätze der Humuswirtschaft“ sind bisher erschienen:

  • Humus, Humusgehalt, 2. Aufl. 2020
  • Humuszertifikate, 1. Aufl. 2021
  • Humus im Klimawandel, 1. Aufl. 2023

Drucke diesen Beitrag Drucke diesen Beitrag