Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen

Freizeitgartenbau/Gartenakademie

Wann und wie sollte ich meine Obstbäume schneiden?

Der richtige Zeitpunkt für den Obstbaumschnitt ist ein häufig diskutiertes Thema mit vielen Meinungen. Der optimale Termin hängt von den gewünschten Zielen ab. Eine allgemeingültige Lösung gibt es daher nicht.

Konkret: Verfolge ich bei der Erziehung und Pflege meiner Obstbäume die Ansätze des „Oeschberg-Schnitts“, werde ich anders schneiden als bei der Erziehung und Pflege einer klassischen Pyramiden-Rundkrone, einer Hohlkrone, einer Etagenkrone oder gar von Spindelbüschen.

Kronenformen:

So gesehen gibt es nicht den richtigen Schnitt, sondern unterschiedliche Schnittziele und vielleicht gewisse „Schnittfehler“, wenn z.B. Kronen gekappt werden oder die Schnittführung fehlerhaft ist.

Schnittfehler:

Zurück zum Schnitttermin: Grundsätzlich werden die einzelnen Obstarten aus unterschiedlichen Gründen zu ganz unterschiedlichen Zeitpunkten geschnitten.

So werden Walnussbäume traditionell nach dem Austrieb, sobald sich die Blätter voll entwickelt haben oder im Sommer geschnitten, um starkes Bluten zu vermeiden. In der modernen Baumpflege reift jedoch die Annahme, dass das starke Bluten für die Wundheilung förderlich sei. Jedenfalls handelt es sich bei der früheren Vermutung, ein stark blutender Baum könne „verbluten“, klar um ein Ammenmärchen. Bei der Walnuss liegt daher die zeitlich richtige Tendenz beim Frühjahrsschnitt. Süßkirschen werden im Sommer nach der Ernte behandelt. Pfirsiche und Nektarinen im März oder nach der Blüte im April/ Mai und ergänzend im Sommer. Zwetschgen und Pflaumen sind weniger schnittverträglich, sie werden zudem oft von Pilzen und Bakterien infiziert und daher im späten Frühjahr und Sommer bei trockenem Wetter geschnitten. Kernobst wird dagegen überwiegend in der Vegetationsruhe im Februar/ März geschnitten.

Baumbluten und Novemberschnitt:

In Schnittkursen wird oft zwischen Winter- und Sommerschnitt unterschieden: Winterschnitt während der Vegetationsruhe fördert das Wachstum, Sommerschnitt während der Vegetation bremst es. In der Praxis ist es jedoch komplexer. Je nach Zeitpunkt des Schnitts reagiert der Baum unterschiedlich. Ein Winterschnitt im Spätherbst nach dem Laubfall hat andere Effekte als ein Schnitt im Frühjahr nach der Saftverlagerung. Ebenso unterscheidet sich ein Sommerschnitt zur Blüte von einem Schnitt nach dem Austrieb im Mai/Juni oder nach Abschluss des Längenwachstums im Juli/August. Jeder Schnittzeitpunkt birgt spezifische Auswirkungen und Risiken. So gehen viele Gartenfreunde davon aus, dass der Schnitt während der Vegetationsruhe für die Baumgesundheit am besten ist. Das stimmt jedoch nur bedingt. Bei einem Schnitt im November bleiben die Schnittwunden aufgrund der temperaturbedingten Inaktivität des Baumes lange Zeit offen und die Wundränder können zurücktrocknen. Bei einem Schnitt im späten Frühjahr, setzt die „Wundheilung“ dagegen sofort ein.

Wundheilung:

Früher Winterschnitt fördert zudem das Triebwachstum und ist deshalb nur dann zu empfehlen, wenn ein kräftiger Zuwachs gewünscht ist. Also bei Jungbäumen in der Erziehung und bei alten, vergreisten Bäumen. Beim Schnitt im zeitigen Frühjahr ist bereits ein Teil der eingelagerten Reservestoffe in die austriebbereiten Knospen transportiert worden, deshalb wird das Triebwachstum als Reaktion auf den Schnitt nicht ganz so stark gefördert.

Gern nutzen Gartenfreunde die „bremsende“ Wirkung des Sommerschnitts, um unerwünschte „Wassertriebe“ zu beseitigen. Auch hier sollte genauer differenziert und die Risiken des Sommerschnitts nicht unterschätzt werden.

Sommerschnitt:

Früher Sommerschnitt wird ab Ende Mai und besonders im Juni in Form des Junirisses durchgeführt. Hierbei werden Wassertriebe im Bauminneren, einjährige Langtriebe in der Baumkrone und Konkurrenztriebe zumindest teilweise entfernt. Dieser Schnitt ist für die Wundheilung unproblematisch.
Früher Sommerschnitt – vor dem Triebabschluss – wurde früher zur Beeinflussung der Fruchtholzbildung beim Form- und Spalierobst durchgeführt. Es handelte sich hierbei allerdings nicht um klassische Schnittmaßnahmen, sondern dem Pinzieren / dem Entspitzen von ca. 20 cm langen Austrieben im Bereich des Fruchtholzes.

Eine Baumsäge wird mittels Bunsenbrenner / Flambierer desinfiziert
Nach jedem Baum sowie nach jeder Entfernung erkrankter Gewebestellen sollten die Werkzeuge mittels Desinfekionsmittel oder Flamme desinfiziert werden

Der Sommerschnitt im Juli/ August –nach dem Triebabschluss – wirkt sich bedeutend stärker auf den Baum aus. Einerseits können übermäßige Schnitteingriffe den Blütenansatz für das kommende Jahr reduzieren oder gar verhindern, andererseits können starke Schnitteingriffe den Baum nachhaltig schädigen. Besonders wenn die Blattmasse übermäßig reduziert und damit die Einlagerung von Assimilaten gestört wird. Ein sehr später Schnitt im Spätsommer ist oft schon mit einer reduzierten Wundheilung verbunden.

Wichtiger als der Schnittzeitpunkt ist jedoch die korrekte Schnittführung. D. h.:

  • Arbeiten Sie mit scharfem Werkzeug
  • Eventuell ausgefranste Schnitte mit einem scharfen Messer nachschneiden
  • Vermeiden Sie großflächige Schnitte (am besten durch regelmäßiges Schneiden)
  • Setzen Sie gerade Schnitte (zur Vermeidung größerer Projektionsflächen)
  • Vermeiden Sie ein Einreißen beim Schnitt (durch vorheriges Anschneiden der potenziellen Bruchkante)
  • Desinfizieren Sie Ihr Werkzeug nach mind. jedem geschnittenen Baum bzw. unverzüglich nach jedem Schnitt einer erkrankten Stelle (Desinfektionsmittel, Bunsenbrenner, Flambierer) (Foto)

Obstbaumschnitt ist ein komplexes Thema, zu dem die Hessische Gartenakademie regelmäßig Kurse anbietet. Termine finden Sie hier:
https://llh.hessen.de/pflanze/freizeitgartenbau/seminare-und-fortbildungen-im-freizeitgartenbau/


Drucke diesen Beitrag Drucke diesen Beitrag