Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen

Landessortenversuche

Ergebnisse der LSV Winterweizen 2021/22 & Empfehlungen

„Dauersommer und Dürre“ – so bezeichnet der DWD die Zusammenfassung der vergangenen Monate in Hessen. Ganz im Gegensatz zum vergangen nassen Jahr, mussten sich die Weizensorten der anhaltenden Trockenheit, Hitze und hoher Sonneinstrahlung entgegenstellen.

Nichtsdestotrotz konnte das Wintergetreide von der Ausnutzung der Winterfeuchtigkeit profitieren und die Ergebnisse überraschten positiv. Wie sich die Jahresbedingungen auf die qualitativen und quantitativen Weizenerträge im Detail der Sorten ausgewirkt haben, berichtet Cecilia Hüppe vom Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen bei der Ergebnisvorstellung der hessischen Landessortenversuche Winterweizen 2022.

Hinweis: Den gesamten Beitrag incl. aller Tabellen finden Sie hier zum Herunterladen.

In Hessen nimmt der Weizenanbau den größten Flächenanteil aller Getreidearten ein. Zum Stand der Erntemeldung im August 2022 des hessischen statistischen Landesamtes (HSL) beträgt die Anbaufläche vorläufig rund 145 000 ha, was mehr als die Hälfte der Gesamtgetreideanbaufläche entspricht. Dennoch ist keine Erweiterung des Anbaus festzustellen – im Gegenteil: die Betrachtung des Durchschnitts der letzten fünf Jahre zeigt einen Abwärtstrend der gesamten Weizenanbaufläche in Hessen um rund 5 %. Genau umgekehrt sieht es bei der gesamthessischen Ertragsermittlung aus. Mit knapp 78 dt/ha im hessischen Durchschnitt konnten im Vergleich zum fünfjährigen Mittel rund 5 % mehr Winterweizen geerntet werden. Es braucht dann nicht viel Mathematikkunst um festzustellen, dass folglich die Gesamterntemenge auf einem gleichbleibenden Niveau des langjährigen Mittels ausfiel. War letztjährig ein Defizit in der Gesamterntemenge von rund 140 000 t weniger Winterweizen festzustellen, lag diesjährig die Gesamterntemenge aufgrund der guten Ertragsleistung wieder mit rund 1 126 000 t auf Durchschnittsniveau der vergangenen fünf Jahre.

Um diese Leistung nun den Sorten zuzuschreiben können, führt der Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen (LLH) jährlich die Landessortenversuche (LSV) für den Winterweizen an unterschiedlichen Standorten durch. Bei der Wahl der Standorte wird darauf geachtet, dass diese die unterschiedlichen Anbaubedingungen innerhalb Hessens gut abbilden. In 2022 wurden die LSV Winterweizen an den Standorten Friedberg, Fritzlar, Griesheim, Bad Hersfeld, Korbach und Marburg durchgeführt. Alle Versuche konnten erfolgreich ausgewertet werden. Die Prüfungen erfolgen nach wissenschaftlichen Standards, die Ergebnisse werden neutral und unabhängig bewertet. An den jeweiligen Standorten werden die geprüften Sortimente unter den gleichen Bedingungen behandelt. Das bedeutet, dass sie jeweils mit der gleichen Menge an Nährstoffen versorgt und mit der gleichen Intensität hinsichtlich Pflanzenschutzmitteln und Wachstumsreglern behandelt werden. Hinsichtlich des Pflanzenschutzes werden zwei Intensitätsstufe angesetzt: Eine reduzierte Variante ohne den Einsatz von Fungiziden und mit einer reduzierten Aufwandmenge an Wachstumsreglern lediglich zur Absicherung des Bestands und eine Variante mit einem standortangepassten Einsatz von Fungiziden und Wachstumsreglern. Durch die zwei Varianten kann direkt verglichen werden, ob sich ein erhöhter Input positiv auf den quantitativen aber auch qualitativen Ertrag auswirkt. Vor allem die agronomischen Parameter sowie die gesundheitliche Ausstattung der Sorten können in der reduzierten Variante gut herausgearbeitet werden. Die Leistung der neuzugelassenen Sorten wird anhand der für den hessischen Anbau bewährten Sorten gemessen. Hierfür wird eine sogenannte Bezugsbasis (BB) gebildet. Konkret bedeutet dies, dass alle bereits mehrjährig geprüften Sorten als Bezugsbasissorten definiert. Die Erträge der einzelnen geprüften Sorten werden für den Vergleich ins Verhältnis zu den mittleren Erträgen der BB gesetzt, um auf deren relative Mehr- oder Minderleistung vor allem der Neuzulassungen schließen zu können. Auf diese Weise kann festgemacht werden, welche Sorten sich als eine deutliche Verbesserung gegenüber den bewährten Sorten für Hessen darstellen. Neben der Ertragsleistung werden während der Versuchsdurchführung die Bestände regelmäßig bonitiert, um ihr Wachstum, ihre Entwicklung und gegebenenfalls auftretende Pflanzenkrankheiten zu erfassen. Parameter zur Qualität des Ernteguts werden vom Landesbetrieb Hessisches Landeslabor (LHL) bestimmt. All diese Parameter gemeinsam führen nach Ende des Versuchsjahrs zu einer umfassenden Bewertung der Sorte für den hessischen Anbau.

Insgesamt traten 26 Sorten die Prüfung im LSV Winterweizen an. Hier nicht vorgestellt, aber dennoch geprüft, wurden weiterhin neun Sorten in einer gesonderten Prüfung von früh abreifenden Typen und nochmals weitere neun bereits langjährig etablierte Sorten im sogenannten Orientierungssortiment. Insgesamt erhielten in diesem Jahr über 44 Winterweizensorten in Hessen eine Prüfung im konventionellen Anbau. Die Sorten mussten sich in diesem Prüfjahr komplett gegenteiligen Anbaubedingungen im Vergleich zum Vorjahr stellen. Zunächst starteten diese mit guten Aussaatbedingungen in das Versuchsjahr. Die Aussaat fand an allen Standorten Mitte bis Ende Oktober statt. Nach Aussaat erfolgte eine milde Herbst- und Winterperiode, die Bestände entwickelten sich gut und zügig. Im Frühjahr begann die Vegetation dann mit zeitlich etwas Vorsprung. Bereits der März war geprägt von Sonne und Trockenheit, was wiederrum durch eine nasskalte Phase im April unterbrochen wurde. Hier mussten sich die Sorten einige Fröste zum Widerstand stellen. Ab Mai begann dann die Phase der Trockenheit und erste Probleme der Bodenfeuchte traten auf. Im Juni folgten die ersten Hitzewellen, die Bodenfeuchte wurde weiter stark beansprucht, was schlussendlich in einer Gesamtdürre in Hessen mündete. Laut Deutschem Wetterdienst konnte diesjährig ein Höchststand der Globalstrahlung festgestellt werden – ganz anders als im Vergleich zum vorherigen Jahr, wo diese nur unterdurchschnittlich ausfiel und zur Ertragsbildung fehlte. Die Kehrseite ist die Summer der gefallenen Niederschläge: diesjährig sind nicht mal ein Viertel der Niederschläge im Zeitraum Mai bis August im Vergleich zum Vorjahr gefallen. Die Erntezeitpunkte der hessischen Landessortenversuche lagen schlussendlich rund vier Wochen auseinander: beginnend am 13. Juli am Standort Griesheim und endend am 12. August am Standort Korbach.

Ertragsleistung trotz Trockenheit überwiegen positiv ausgefallen

Wie aus Tabelle 1 ersichtlich wird, lag das Ertragsergebnis an allen Prüfstandorten in diesem Jahr wieder auf einem hohen Niveau. Sowohl in der reduzierten, als auch in der optimierten Variante konnten die geprüften Sorten im Mittel über 10 t je Hektar erzielen – dies sind über 2 t Mehrertrag im Vergleich zum Vorjahr. Sowohl in der reduzierten, als auch optimierten Variante schnitt diesjährig der Standort Fritzlar mit den höchsten Erträgen ab. Erneut wurden in Griesheim die geringsten Erträge produziert, wenngleich auch hier im Gegenzug zum Vorjahr knapp 2 t mehr erreicht wurden. Zur Absicherung der Prüfung in Griesheim fand eine Beregnung mit 45 mm statt. Mit im Mittel der Bezugsbasissorten (BB) von 106,8 dt/ha fiel der Ertrag in der optimierten Variante rund 5 dt/ha höher aus. Der Mehrertrag der Sorten durch eine Behandlung fiel an den Standorten deutlich unterschiedlich aus: in Friedberg, Fritzlar und Marburg konnte kein statistisch nachweisbarer Effekt der Behandlung gefunden werden. Aber auch in Bad Hersfeld und Griesheim reagierten nicht alle Sorten nachweislich mit einem Mehrertrag auf die Behandlung. Ursache hierfür ist sicherlich der insgesamt sehr niedrig vorherrschende Krankheitsdruck. Gelbrost machte in einigen Beständen oftmals Probleme. In den hessischen Landessortenversuchen trat größtenteils jedoch weniger Befall auf.

Für die Feststellung der unterschiedlichen Sortenleistung an einem Standort ist die Betrachtung der Grenzdifferenzen (GD) notwendig. Diese gibt an, ab welchem Unterschied im Ertrag von einem statistisch abgesicherten Sortenunterschied auszugehen ist. Ist die Differenz der Ertragsergebnisse zweier Sorten größer als die Grenzdifferenz, kann mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass der Effekt der Sorte an dem jeweiligen Standort kein zufälliges Ereignis war. Hierbei kann aber nur ein Sortenvergleich innerhalb eines Standortes getätigt werden, nicht aber zwischen den Standorten. Je höher die Grenzdifferenz ausfällt, desto schwieriger fällt eine zuverlässige Unterscheidung der Ertragsleistung zwischen den Sorten. Hierauf haben zahlreiche Jahresbedingungen Einfluss. Umso wichtiger ist es, die Sorten erst nach einer mehrjährigen Betrachtung abschließend zu bewerten.

Unter den mindestens dreijährig geprüften Sorten konnten sich in 2022 ertraglich in der reduzierten Variante die A-Weizensorte Hyvega als Hybridsorte, die B-Weizensorten Informer und Gentleman sowie der C-Weizen KWS Keitum an die Spitze setzen. Auch in der optimierten Variante erzielten Hyvega und KWS Keitum überdurchschnittliche Erträge. Beste, mehrjährig geprüfte A-Weizensorte war KWS Donovan mit einem Relativwert von 100 %, beste B-Weizensorte war wiederrum ebenfalls mit 100% Relativertrag die Sorte Informer. Auffällig ist das niedrige Einzelstandortergebnis der Sorte Chevignon in Korbach: hier konnte die Sorte lediglich einen relativen Ertrag von knapp über 80 % erzielen, was Frostschäden im Frühjahr zugrunde liegt. Sorten, die sich im zweiten oder ersten Prüfungsjahr befinden, können zum Teil an den zuvor genannten vorbeiziehen. Da die Jahresbedingungen aber derart unterschiedlich ausfallen, sollten diese zunächst aufgrund ihrer Leistungen weiter beobachtet werden.

Rohprotein fällt insgesamt betrachtet knapp aus

Zwar spielt seit 2019 der Rohproteingehalt für die Qualitätszuordnung keine Rolle mehr, dennoch wird er vom Handel als das entscheidende Entlohnungskriterium genutzt. Daher wird auch im LSV nach wie vor der Rohproteingehalt betrachtet. Zur Einschätzung der Qualitätseigenschaften sind aber auch Sedimentationswert und Fallzahl wichtige Kriterien. Über den Sedimentationswert kann die sortenbedingte Quellfähigkeit der Kleberproteine und die Proteinqualität abgeleitet werden. Wachsen Weizenpflanzen unter Stress, kann der Gehalt an alpha-Amylasen im Korn erhöht sein. Diese Enzyme wirken stärkeabbauend, was dazu führt, dass der spätere Teig sich nicht mehr ausreichend verkleistern kann. Die Fallzahl kann dazu dienen den Gehalt an alpha-Amylasen einzuschätzen.

Insgesamt konnten viele Sorten nicht die Zielmarken der Qualitätsanforderungen des Handels im LSV erreichen. Die höchsten Rohproteingehalte wurden traditionell in Griesheim festgestellt. Im Mittel über alle Sorten lag dieser bei 15 % in der optimierten Variante. Damit fällt der Rohproteingehalt 1 % höher aus als im vergangenen Jahr. Den niedrigsten mittleren Wert über alle Sorten zeigte der Standort Korbach mit 10 % Rohprotein bei optimierter Bestandesführung. Gemittelt über alle Standorte ergibt sich ein Rohproteingehalt von 11,8 % in der reduzierten und 11,9 % in der optimierten Variante über alle Sorten. Einen übersichtlicheren Blick auf die Rohproteingehalte in Relation zu der Ertragsleistung zeigt die Abbildung 1. Hier ist eindeutig die Gruppe der E-Weizensorten (oben links) gekennzeichnet durch die hohen Rohproteingehalte bei gleichzeitig niedrigerer Ertragsleistung zu sehen. Die C-Sorte KWS Keitum fällt durch ihre hohe Ertragsleistung zum Nachteil des Rohproteingehalts auf. Die höchsten Rohproteingehalte werden mit min 14% von den E-Weizen erwartet. Im Mittel konnten dies die geprüften E-Sorten nicht erzielen. Ergebnisse über 14% wurden nur in Griesheim erreicht. Von einem A-Weizen wird prinzipiell ein Rohproteingehalt von mindestens 13,0 % erwartet. Dies konnten im Mittel über alle Standorte nur KWS Mitchum und Absolut, beides Neuzulassungen, erreichen (Tab. 3; Abb. 1). Zur Erzielung der B-Qualität liegen die Anforderungen an den Rohproteingehalt tiefer. Ausgenommen von Informer und Chevignon, konnten im Mittel alle B-Sorten das Ziel der 12%-Marke in der optimierte Variante halten.

Auch beim Sedimentationswert gab es leichte Schwächen. Gemittelt über alle Standorte konnten nicht alle Sorten den für den A-Weizen geforderten Sedimentationswert von 35 mL überschreiten (Tab. 3). Auch die E-Weizensorten erzielten ihre Vorgabe von 50 mL nicht immer. Unter den E-Weizen erzielte Komponist den besten Sedimentationswert, bei den A-Weizen führt KWS Imperium das Sortiment an.

Die Fallzahlen lagen in beiden Intensitätsstufen auf ähnlichem Niveau. Im Mittel mit 415 bzw. 412 sec liegen die Fallzahlen auf einem hohen Niveau. Die höchste Fallzahl wies KWS Imperium mit 500 sec auf. Niedrigstes Ergebnis zeigte der A-Weizen LG Character.

Zahlreiche Neuzulassungen müssen mit langjährig etablierten Sorten mithalten können

Damit die Leistungen einer Sorte seriös eingeschätzt werden kann, sollte sie sich mindestens drei Jahre in der Prüfung befinden. Nach zwei Jahren im Anbau können bereits erste Tendenzen vorliegen, sodass ein Probeanbau der Sorte sich empfehlen kann. Allerdings ist die Zahl der Neuzulassung jährlich so groß, dass im LSV Winterweizen nur ein geringer Anteil an mehrjährigen bekannten Sorten mitgeprüft werden können. Das bedeutet jedoch nicht, dass eine mehr als dreijährig geprüfte Sorte per se nicht mehr anbauwürdig ist. In Hessen etablierte Sorten mit regionaler Anbaubedeutung werden in einer gesonderten Prüfung, dem sogenannten Orientierungssortiment, geprüft. Damit können auch die etablierten Sorten weiterhin in ihrer Leistung eingeschätzt werden. Die Ergebnisse sind auf der LLH-Homepage zu finden. Im Folgenden wird jedoch nur auf die im LSV geprüfte Sorten eingegangen.

Die nun bereits langjährig in der LSV-Prüfung befindliche Sorte RGT Reform (A-Weizen) kann auch in 2022 wieder an die relativen Ertragsleistungen der Vorjahre anknüpfen (Tab. 2). Im Vergleich zu den anderen Sorten in der Prüfung erreicht sie zwar zum Teil nicht mehr das früher gewohnte Leistungsniveau, dafür ist sie aber sehr stabil in Bezug auf die Jahresbedingungen. So erzielt sie stets konstant dem Leistungsdurchschnitt nahe Erträge und sicher das Produktionsrisiko auf diese Weise ab. Daneben kann nun auch Foxx nach drei Jahren mit Erträgen auf Reform-Niveau mithalten. Überdurchschnittlich hebt sich jedoch KWS Donovan mehrjährig von den A-Sorten ab. Hervorstechend ist das deutliche überdurchschnittliche Ergebnis der Hybridsorte Hyvega, wodurch das hohe Ertragspotential zu erklären ist. Bei Hybridsorten sollte allerdings immer bedacht werden, dass die Saatgutkosten in der Regel deutlich höher ausfallen und ein Anbau zunächst ökonomisch abgewägt werden sollte. Im nun dreijährig geprüften B-Sortiment konnten sowohl Informer als auch Chevignon ein gutes und im Mittel überdurchschnittliches Leistungsniveau zeigen. Das Sehr hohe Leistungsniveau im Ertrag konnte auch die C-Sorte KWS Keitum mehrjährig unter Beweis stellen.

Die Betrachtung der Sortenleistung über die Bundeslandgrenzen hinaus, ermöglichen es die Datengrundlage für die regionalen Anbaubedingungen zu erweitern. Die hessischen Versuchsergebnisse werden hierfür gemeinsam in Abhängigkeit des Anbaugebiets des jeweiligen Versuchsstandortes mit den angrenzenden Bundesländern verrechnet. Eine Auswertung der mehrjährigen Sortenleistung im relativen Kornertrag im Anbaugebiet Mittellagen Südwest ist in Abbildung 2 dargestellt. In dieses Anbaugebiet fallen die Ergebnisse der Standorte Friedberg, Fritzlar und Marburg. Unter den A-Weizensorten liegt auch überregional die Hybridsorte Hyvega im Ertrag auf erster Stelle. KWS Donovan stellt unter den Nichthybridsorten die Ertragsspitze dar, jedoch ohne statistisch signifikanten Unterschied zu Foxx. Auch für den B-Weizen Chevignon, den C-Weizen KWS Keitum und den E-Weizen KWS Emerick bestätigt sich die Ertragsstärke im überregionalen Ergebnis.

Sortenempfehlungen zur Aussaat 2022

Im Winterweizensortiment ist die Bandbreite an geprüften Sorten am größten. Je nach Produktionsziel stehen hier verschiedene Sorten zur Auswahl. Neben einer entsprechenden Ertragsleistung sollte eine gute Ertragsstabilität unter verschiedenen Jahresbedingungen bei der Sortenwahl Berücksichtigung finden. Daneben sind weitere Sorteneigenschaften wie sortenspezifische Krankheitsresistenzen oder Lagerneigungen wichtig. Um einen besseren Überblick zu bekommen, kann die beschreibende Sortenliste des Bundessortenamts (BSA) eine wichtige Orientierungshilfe zur Charakterisierung der Sorten sein. Ein Auszug aus der Liste, in der sich die hier geprüften Winterweizensorten befinden, ist in der Tabelle 4 zu finden. Worauf es im kommenden Anbaujahr ankommt, ist letztendlich mitunter nicht mehr einfach vorherzusagen, da die vergangenen Jahre gezeigt haben wie sehr die einzelnen Jahresbedingungen auseinandergehen können. Viel diskutiert wurde diesjährig wieder das vermehrte Auftreten von Gelbrost in den Beständen. Hier hat die Resistenzzüchtungen gegen Gelb- und Braunrost in den letzten Jahren größere Sprünge gemacht, aber auch die Krankheitserreger verändern sich stetig. Gleichzeitig können unter anderen Bedingungen nächstes Jahr wieder ganz andere Krankheiten Bedeutung finden. Daher ist es ratsam auf eine Risikostreuung zu setzen und sich auch im Sortenportfolio breit aufzustellen. Nicht zuletzt haben die betriebseigenen Voraussetzungen wie Standort und Fruchtfolgegestaltung einen Einfluss, sodass letztendlich die Sortenwahl immer eine Sache des Abwägens und eine betriebsindividuelle Entscheidung ist.

Die folgenden Empfehlungen beziehen sich ausschließlich auf das im LSV Winterweizen 2021/2022 geprüfte Sortiment. Hier befinden sich vorrangig die neueren Sorten in der Prüfung. Für die frühen Winterweizensorten gibt es eine gesonderte Prüfung, deren Ergebnisse in der kommenden Ausgabe veröffentlich werden. Daneben sind aber auch einige langjährig etablierte Sorten weiterhin für den Anbau empfehlenswert. Eine Übersicht über alle Sortenempfehlungen zur Aussaat 2022 für Hessen finden Sie hier .

E-Sortiment

KWS Emerick (KWS Lochow, Zulassung 2018) ist der aktuell ertragsstärkste Weizen von den in Hessen geprüften E-Sorten. Der Rohproteingehalt liegt für einen E-Weizen auf mittleren Niveau. Bei hoher Ertragsleistung kann er unter Umständen aber auch mal etwas knapper für die Erreichung der E-Qualität ausfallen. Fallzahl sowie die Fallzahlstabilität liegen auf seinem sehr hohen Niveau. Bei mittlerer Pflanzenlänge verfügt die Sorte über eine gute Standfestigkeit. Insgesamt bringt KWS Emerick eine gute Blatt- und Ährengesundheit mit. Besonders hervorzuheben ist die sehr geringe Gelbrost- und Mehltauanfälligkeit. Die Anfälligkeit gegenüber Ährenfusarium liegt auf niedrigeren Niveau. KWS Emerick wird als eine sehr winterharte Sorte eingeschätzt.

A-Sortiment

Die Sorte Foxx (IG Pflanzenzucht, Zulassung 2019) ist ein Grannenweizen mit guten, stabil durchschnittlichen Erträgen in beiden Intensitätsstufen. Gleiches gilt für den Rohproteingehalt. Hervorzuheben sind die hohen Fallzahlen, welche zudem sehr stabil ausfallen. Foxx gehört zu den früheren Sorten des Sortiments, da sowohl Ährenschieben und Reife etwas früher stattfinden. Bei etwas längerer Pflanzenlänge hat Foxx eine mittlere Neigung zum Lager. Die allgemeine Krankheitsanfälligkeit liegt im mittleren Bereich mit einer erhöhten Anfälligkeit gegenüber Braunrost und einer guten Resistenz gegenüber Gelbrost. Die Fusariumanfälligkeit ist mittel bis gering. Die Winterfestigkeit von Foxx wird sehr hoch eingeschätzt.

Seit diesem Jahr hochgestuft auf A-Weizenqualität, lieferte KWS Donovan (KWS, Zulassung 2020) in allen drei Prüfjahren überdurchschnittliche Erträge. Neben dem hohen Ertragsniveau punktete die Sorte zudem mit einem überdurchschnittlichen Rohproteingehalt. Grund für die Umstufung in der Qualitätsgruppe ist die höhere Einschätzung der Volumenausbeute. Die Reife liegt im mittleren Bereich, gleiches gilt für die Pflanzenlänge bei mittlerer Standfestigkeit. Die Sorte ist ausgestattet mit einer Resistenz gegenüber der orangeroten Weizengallmücke. Eine deutliche Schwachstelle der Sorte ist ihr hohe Anfälligkeit gegenüber Braunrost, hier sollte das Befallsgeschehen dringend beobachtet werden. Außerdem ist vor allem im Anbau in Maisfruchtfolgen die erhöhte Anfälligkeit gegenüber Ährenfusarium zu bedenken. Die Winterfestigkeit wird vorläufig (geringe Datenbasis) als gering eingeschätzt.

RGT Reform (RAGT Saaten, Zulassung 2014) ist nach wie vor in der Praxis weit etabliert und immer noch eine empfehlenswerte Sorte. Die Ertragsleistung erreicht zwar nicht mehr ganz das Niveau der neueren Sorten, jedoch zeichnet sich die Sorte mit über verschiedenste Jahresbedingungen hinweg stabilen Erträge aus, wodurch das Produktionsrisiko abgesichert werden kann. Dies zeigt RGT Reform auch überregional. Der Rohproteingehalt fällt häufig etwas knapp aus, dafür verfügt die Sorte über eine sehr hohe Fallzahl mit hoher Fallzahlstabilität. In den vergangenen Jahren lagen ihre Sedimentationswerte im guten oberen Bereich, was sich mit der Einstufung des BSA deckt. Die Blatt- und Ährengesundheit liegt im guten Mittelfeld mit besonderer Resistenz gegenüber Mehltau und Braunrost. Gelbrost muss kontrolliert werden. Die Anfälligkeit gegenüber Ährenfusarium ist mittel bis gering. Die Winterfestigkeit für RGT Reform wird als sehr gut eingeschätzt.

Neben den hier vorgestellten Sorten, sind auch weiterhin die langjährig bekannten A-Weizensorten Apostel, Asory und Rubsiko empfehlenswert für den Anbau. Zweijährig geprüft, zeigen sich zwei weitere Sorten des A-Segments für den Probeanbau empfehlenswert:

KWS Imperium (KWS Lochow, Zulassung 2020) konnte mit Ausnahme des Einzeljahresergebnis 2022 in der optimierten Variante bislang nur überdurchschnittliche Erträge erzielen. Überregional lag die Sorte ebenfalls in der oberen Gruppe der Ertragssieger. Zwar liegt der Rohproteingehalt nur im durchschnittlichen Bereich, die sehr hohe Fallzahl mit hoher Fallzahlstabilität bringen jedoch Vorteile in der Qualität. Ährenschieben und Reife liegen im mittleren Bereich. Auch die Pflanzenlänge ist als mittel eingestuft, allerdings mit etwas Problemen in der Lageranfälligkeit. Besonders gut ist die sehr geringe Anfälligkeit gegenüber Gelbrost und Mehltau, alle weiteren Gesundheitsparameter liegen im niedrigen bis mittleren Bereich. Ob sich die Sorte vollempfehlenswert für den hessischen Anbau präsentiert, bleibt im kommenden Versuchsjahr abzuwarten.

Auch SU Jonte (Saaten-Union, Zulassung 2020) zeigte ähnlich zu KWS Imperium in Hessen bisher überdurchschnittliche Erträge. Allerdings hatte auch SU Jonte im zweiten Prüfjahr ertraglich leichte Defizite. Bei durchschnittlichen Rohproteingehalten sticht die Sorte mit hoher Fallzahl und gleichzeitig hoher Fallzahlstabilität hervor. Ährenschieben und Reife liegen im mittleren Bereich. Bei geringer Pflanzenlänge verfügt die Sorte über eine sehr gute Standfestigkeit. Die Anfälligkeit gegenüber Blatt- und Ährenkrankheiten ist mit Ausnahme von DTR sehr bis eher gering. Ob sich die Sorte vollempfehlenswert für den hessischen Anbau präsentiert, bleibt im kommenden Versuchsjahr abzuwarten.

B-Sortiment

Die im Vergleich früher abreifende EU-Sorte Chevignon (Hauptsaaten, EU-Zulassung 2017) zeigte sich in allen drei Prüfjahren mit im Mittel überdurchschnittlichen Erträgen. Auch überregional gehört er zu den ertragsstärksten B-Weizensorten. Der Rohproteingehalt und Sedimentationswert liegt im mittleren Bereich, die Fallzahl fällt dagegen überdurchschnittlich hoch aus. Bei mittlerer Pflanzenlänge zeigt die Sorte eine gute Standfestigkeit. Die Anfälligkeit gegenüber Gelbrost und Mehltau ist gering. DTR und Ährenfusarium müssen jedoch im Blick behalten werden, gerade bei Maisfruchtfolgen. Aufgrund der bisher vorliegenden Datengrundlage wird Chevignon mit einer etwas schwächeren Winterfestigkeit eingeschätzt.

Auch nach mehr als drei Prüfjahren kann Informer (SZ Breun / Limagrain, Zulassung 2018) weiterhin empfohlen werden. Die B-Weizensorte zeigt stabile und leicht überdurchschnittliche Erträge bei guten Fallzahlen und hoher Fallzahlstabilität. Die Reife von Informer ist eher als mittelspät einzuordnen. Bei mittlerer Wuchshöhe zeigt Informer eine ausreichende Standfestigkeit. Die Blattgesundheit ist insgesamt sehr gut, besonders die sehr guten Resistenzen gegen Gelbrost und Mehltau sind hervorzuheben. Die mittlere Toleranz gegenüber Ährenfusarium sollte bei der Gestaltung der Fruchtfolge berücksichtigt werden. Die Winterfestigkeit wird als sehr gut eingeschätzt.

Hier nicht mit Daten im LSV Winterweizen dargestellt, stellen die bekannten Sorten Argument, Campesino und Complice ebenfalls für Hessen empfehlenswerte Sorten dar.

Auch im B-Segment zeigen sich zwei neuere Sorten für den Probeanbau empfehlenswert:

Akasha (Sejet / IG Pflanzenzucht, Zulassung 2021) konnte bislang ertraglich gut mithalten, wenn auch die Erträge nicht immer überdurchschnittlich ausfielen. Auch der Rohproteingehalt liegt leicht unterdurchschnittlich, aber entsprechend der B-Qualität mit gleichzeitig guten und stabilen Fallzahlen. Ährenschieben und Reife sind eher als etwas später einzuordnen. Bei kürzerer Pflanzenlänge liegt die Standfestigkeit auf mittleren Niveau. Der Vorteil der Sorte liegt in der sehr geringen Fusariumanfälligkeit. Auch Mehltau, Septoria und Braunrost sind gering in der Anfälligkeit eingestuft. Ob sich die Sorte vollempfehlenswert für den hessischen Anbau präsentiert, bleibt im kommenden Versuchsjahr abzuwarten.

Knut (Sejet / BSL, Zulassung 2021) zeigte in den ersten beiden Prüfjahren gute Ertragsergebnisse, die er auch überregional bestätigen kann. Die Sorte verfügt über einen etwas geringeren Rohproteingehalt, aber mit guter und stabiler Fallzahl entsprechend der B-Qualität. Pflanzenlänge und Stabilität liegen auf mittleren Niveau. Bei mittleren Ährenschieben erfolgt die Abreife generell etwas später. Die Sorte mach eine sehr gute Blattgesundheit aus. Die Anfälligkeit gegenüber Mehltau, Septoria, Gelb- und Braunrost ist sehr gering. Zudem verfügt die Sorte über eine Resistenz gegenüber der orangeroten Weizengallmücke. Die Anfälligkeit gegenüber Ährenfusarium wird als mittel eingestuft, sodass die bei der Fruchtfolgegestaltung berücksichtigt werden muss. Ob sich die Sorte vollempfehlenswert für den hessischen Anbau präsentiert, bleibt im kommenden Versuchsjahr abzuwarten.

C-Sortiment

Bei KWS Keitum (KWS, Zulassung 2020) zeigt auf allen hessischen Standorten mehrjährig überdurchschnittliche hohe Ertragsleistungen. Entsprechend der C-Weizenqualität erzielt die Sorte leicht unterdurchschnittlichen Qualitäten beim Rohproteingehalt, der Fallzahl und dem Sedimentationswert. Die Sorte ist etwas später in der Abreife. Bei mittlerer Pflanzenlänge zeigt sich die Sorte mit schwächerer Standfestigkeit. KWS Keitum besitzt sehr gute Resistenzen gegenüber Mehltau und Gelbrost. Die Anfälligkeit gegenüber Ährenfusarium ist eher gering. Erste Ergebnisse aus andere Bundesländern weisen jedoch auf Schwächen in der Winterhärte hin.


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