Rinder-Haltung
Nachlese: „Mob Grazing“ und Klimawandel in der Rinderhaltung
In Zusammenarbeit mit der Deutschen Vernetzungsstelle Ländliche Räume (dvs) und dem Projekt „Netzwerk Fokus Tierwohl“ fand am 08.08.2024 eine Online-Veranstaltung zum Thema „Milchkuh- und Rinderhaltung im Klimawandel – Innovative Konzepte zu Klimaschutz und -anpassung“ statt. Neben aktuellen Themen, wie „Der Klimawandel im Gesamtbild betrachtet“ und „Agroforstsysteme in Kombination mit der Rinderhaltung“, wurde auch das „Mob Grazing“ näher erläutert sowie aktuelle Projekte dazu vorgestellt.
Was ist „Mob Grazing“ überhaupt, warum ist es in Deutschland relevant und wann ist es sinnvoll, dieses Weidesystem einzusetzen? Ruven Hener (Berater für ganzheitliche Rinderhaltung und Weideschuss) und Josefin Röwekamp (Klimapraxis & Netzwerk Mob Grazing) gaben Antworten.
Was ist „Mob Grazing“?
„Mob Grazing“ ist ein Beweidungskonzept, bei dem eine hohe Besatzdichte von Tieren (Lebendgewicht von über 100.000 kg pro Hektar Weidefläche) ein sehr kleines Weidestück für eine sehr kurze Zeit beweidet (Lemus, 2011 Gurda et al., 2018; Zahn et al., 2022). Dabei werden dem Aufwuchs lange Rastzeiten von einem Monat bis zu einem Jahr gegeben. Die lange Ruhezeit hat zur Folge, dass die Pflanzengesellschaften tief wurzeln können und sich Biomasse bilden kann (Gurda et al., 2018; Zahn et al., 2022). Auf dem Bild ist beispielhaft zu erkennen, dass der Aufwuchs bei dieser Beweidung ähnlich hoch wie die Widerristhöhe der Rinder war. Prinzipiell werden Aufwuchshöhen von über 25 cm angestrebt. Die Bestoßzeit (Verweildauer der Rinder) liegt dabei zwischen sechs und 24 Stunden pro Weideabteil mit dem Ziel, einen großen Weiderest, der als getrampelte Mulchschicht dienen soll, von circa 50 % des gesamten Aufwuchses zu hinterlassen (Gurda et al., 2018; Zahn et al., 2022). Die übrig gebliebene Biomasse schützt vor Austrocknung und dient als Nährstoffquelle für den Boden. Der Boden kann das Wasser besser halten und das Pflanzenwachstum wird gefördert.
Warum wird „Mob Grazing“ auch in Deutschland relevant?
Blickt man auf das extreme Dürrejahr 2018 zurück, so herrschte laut dem UFZ-Dürremonitor im Dezember 2018 in weiten Teilen Deutschlands bis in eine Bodentiefe von 1,80 m eine außergewöhnliche Dürre. Bis heute haben sich noch nicht alle Böden in Deutschland erholt, obwohl es dieses Jahr mehr geregnet hat als je zuvor seit Beginn der Wetteraufzeichnung (Deutscher Wetterdienst, 2024). Vor allem in Ostdeutschland sind die Böden gebietsweise noch trocken. Zum einen sind hohe Niederschlagsmengen oft nur regional zu verzeichnen – manche Regionen sind extrem von Starkregen betroffen gewesen, andere eher weniger. Zudem sind in Teilen Ostdeutschlands die Böden sandig und die Wasserspeicherkapazität ist geringer (Kühn et al., 2015).
Unabhängig von der Bodenart muss aber auch in Gesamtdeutschland davon ausgegangen werden, dass sich das Klima verändert: Es wird wärmer und Extremwetterereignisse wie Starkregen sowie lange Dürreperioden nehmen zu (IPPC, 2023). Aus diesem Grund ist es wichtig, Bewirtschaftungsstrategien zu entwickeln, die an den Klimawandel angepasst sind (Zahn et al., 2023). Eine Möglichkeit ist das „Mob Grazing“, mit dem eine verbesserte Futterertragsstabilität in der Wiederkäuerhaltung erreicht werden könnte.
Wann ist „Mob Grazing“ sinnvoll?
Nicht für alle Standorte sollte diese Weidestrategie in Betracht gezogen werden, vor allem nicht in Gunstlagen. Mob Grazing eignet sich dagegen in eher niederschlagsarmen (< 600 mm Regen pro Jahr) Regionen und für Standorte, bei denen Obergräser und Leguminosen dominieren. Da sich die Niederschlagsmenge nicht nur jährlich betrachtet verändert, sondern auch innerhalb eines Jahres, ist zu empfehlen, strategisch vorzugehen und diese Form der Beweidung vor allem in den trockenen Perioden anzuwenden. Zudem bedeutet die kurze Aufenthaltsdauer auf jedem Weideabteil eine veränderte Arbeitsstruktur: Es müssen Zäune umgesteckt und die Tiere täglich auf eine andere Weide getrieben werden. Daher sind große Schläge vorteilhaft: Hier müssen lediglich die Zäune zwischen den Parzellen umgesteckt werden, anstatt die Tiere auf eine andere Weide zu treiben. Um Mob Grazing im Alltag umzusetzen, ist es zudem sehr hilfreich, die Methode Stockmanship zu kennen und einzusetzen. Durch den Einsatz gezielter Körpersprache können Rinder mit Stockmanship kontrolliert bewegt werden. Das ist vor allem bei häufigen Umtrieben wichtig, um mit den Rindern zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zu sein und den Arbeitsaufwand zu reduzieren.
EIP-Projekt „Mob Grazing im Ackerfutterbau“
Die Weidestrategie wird zurzeit in einem EIP-Projekt getestet. Ziel ist es, ein innovatives Weidesystem zu entwickeln, welches klimaresilient, trockenresistent, und ressourceneffizient ist. Das Projekt wird neben den landwirtschaftlichen Betrieben, die verschiedene Versuche zum Weidesystem durchführen, wissenschaftlich begleitet und ausgewertet.
Fazit: Der Klimawandel wird landwirtschaftliche Betriebe zukünftig in vielen Bereichen vor Herausforderungen stellen. Daher ist es wichtig, in diesen Themengebieten weiterhin Forschung zu betreiben und diese auch praktisch – in den landwirtschaftlichen Betrieben – zu testen und zu analysieren.
Literatur
Gurda, A., Renz, M., & Brink, G. (2018). Defining Mob Grazing in the Upper Midwestern United States. Journal of Extension, 56(4). https://doi.org/10.34068/joe.56.04.11
Zahn, N., Ertel, C., Hener, R., Franke, S., Beck, A., Westphal, J., & Schleip, I. (2022). Mob Grazing als Weidestrategie im Grünland und Ackerfutter bei zunehmenden Trockenheiten in Nordostdeutschland. Tagungsband zur 65. Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft für Grünland und Futterbau, 46–49.
Zahn, N., Franke, S., Schleip, I., & Röwekamp, J. (2023). Schützt Mob Grazing Böden und Erträge? Ökologie und Landbau, 3/2023. https://www.oekom.de/_files_media/zeitschriften/artikel/OEL_2023_03_22.pdf
Lemus, R. (2011). What is Mob Grazing and Does It Really Provides Grazing Advantages?, 7/2011.
Deutscher Wetterdienst (dvs) (2024). Rekordregenreiche Zwölf-Monats-Periode, 7/2024. https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2024/7/21.html
Kühn, D., Bauriegel, A,. Müller, H. & Rosskopf, N. (2015). Charakterisierung der Böden Brandenburgs hinsichtlich ihrer Verbreitung, Eigenschaften und Potenziale mit einer Präsentation gemittelter analytischer Untersuchungsergebnisse einschließlich von Hintergrundwerten (Korngrößenzusammensetzung, Bodenphysik, Bodenchemie). Brandenburg. geowiss. Beitr.. 22 (2015), 1. S. 5 – 135.
IPCC. (2023). Climate Change 2022 – Impacts, Adaptation and Vulnerability: Working Group II Contribution to the Sixth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change (1. Aufl.). Cambridge University Press. https://doi.org/10.1017/9781009325844