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Sortenecht oder nicht? Umfangreiche molekulargenetische Kartierungen geben Aufschluss
Fachbeirat der Deutschen Genbank Obst (DGO) stellte in Witzenhausen Ergebnisse vor
Egal ob bei Apfel, Kirsche, Johannisbeere oder Aronia: Die Zahl an Sorten ist immens groß. Sie unterscheiden sich in Form, Größe, Wuchs, Geschmack und vieles mehr. Deutschlandweit arbeiten in der Deutschen Genbank Obst (DGO) zurzeit 33 Partner zusammen, um die Sortenzugehörigkeit zu bestimmen und den beachtlichen genetischen Schatz zu sichern. Um einen unwiederbringlichen Verlust (z.B. durch altersbedingte Abgänge, Rodung unwirtschaftlicher Anlagen oder Betriebsaufgabe) zu vermeiden, wird jede Sorte von mindestens zwei Partnern unabhängig an verschiedenen Standorten angepflanzt. Dort wird sie auf Sortenechtheit geprüft, vom Pflanzenschutzdienst auf Gesundheit beschaut und – sofern kein Sortenschutz vorliegt – zur Reiserabgabe freigegeben.
Am 9. und 10. Mai tagte der Fachbeirat der DGO im Rathaus von Witzenhausen. Nach der Begrüßung durch die Gastgeber, Bürgermeister Daniel Herz und Eberhard Walther vom Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen (LLH), Mitglied im Fachbeirat, stellten die Teilnehmenden und Netzwerkverantwortlichen den Stand der laufenden Sortenprüfungen vor.
Großangelegte Untersuchung soll Licht ins Dunkel bringen
Die Sortenzugehörigkeit eines Baumes oder Beerenstrauches wird pomologisch und seit einigen Jahren zusätzlich molekulargenetisch bestimmt. Die pomologische Prüfung, die vorrangig phänotypische Merkmale einbezieht, also das äußere Erscheinungsbild untersucht, erfolgt durch zwei unabhängige Experten.
„Die Sortenprüfung ist mit Detektivarbeit vergleichbar. So kommt es vor, dass zwei Bäume der gleichen Sorte an verschiedenen Standorten unterschiedliche Wuchsformen zeigen; in seltenen Fällen wird eine Sorte versehentlich unter falschem Namen verbreitet oder es bürgert sich ein regionaltypischer Name ein – und schon ist eine vermeintlich neue Sorte entstanden. So ist die ‚Witzenhäuser Königskirsche‘ beispielsweise identisch mit der ‚Büttners Rote Knorpelkirsche‘“, erläutert Agata Stawinoga, Kirschenexpertin am LLH.
Bei den besonders alten Sorten behelfen sich Pomologen mit spärlichen Erstbeschreibungen, die mitunter aus dem 17. Jahrhundert stammen. In einigen Fällen gibt es auch noch Ursprungsformen der Sorten in der Ursprungsregion, die als beste Referenz herhalten. Mit einer breitangelegten Untersuchung soll „eine bisher ungeordnete Sammlung aufgeräumt werden“.
Seit 2019 finden dazu erstmalig in großen Umfang in Deutschland auch molekulargenetische Untersuchungen zur Bestimmung der Sortenzugehörigkeit statt. Sortenunterschiede werden durch die Erstellung von Genkarten nun auch auf genetischer Ebene sichtbar. Die Methoden sind europaweit vergleichbar und die Ergebnisse in einer Datenbank unter www.deutsch-genbank-obst.de abrufbar. „Die molekulargenetischen Ergebnisse unterstützen die Arbeit der Pomologen. So konnten bereits viele Fragen geklärt und Sortenunterscheidungen, die ja bislang nur auf Basis des phänotypischen Erscheinungsbildes gemacht wurden, zum größten Teil verifiziert werden. Es ergaben sich teilweise neue Sortenzuordnungen und eine Sortenbereinigung auf Bundesebene“, berichtet Stawinoga
Bei der diesjährigen Sitzung des Fachbeirats der DGO in der nordhessischen Kirschenstadt wurden Ergebnisse aus dem ersten Untersuchungsdurchgang bei Kirsche und Apfel vorgestellt. Hierbei konnten 96 % der untersuchten Bäume beim Apfel und 92 % bei Süßkirsche als sortenecht bestätigt oder sicher korrigiert werden.
„Pomologenmangel“ erschwert die Arbeit
Doch nicht immer ist dies so einfach, denn die Gendatenbank muss erst noch aufgebaut werden. In den Netzwerken anderer Obstarten sind die ersten molekulargenetischen Untersuchungen noch nicht abgeschlossen; andere konnten noch nicht begonnen werden, weil das Netzwerk der Erhaltungspartner noch im Aufbau ist. Gerade beim Beerenobst sind pomologische Untersuchungen schwierig, da hier erfahrene Pomologen fehlen.
Der LLH ist seit 2007 sortenerhaltender Partner für Süßkirschen. Während des Treffens stellte Eberhard Walther die etwa 60 Sorten umfassende Süßkirschensammlung des LLH in der Versuchsanlage Wendershausen vor.
Weiterhin führte Marina Hethke, Kustodin des Tropengewächshauses Witzenhausen, die Tagungsgruppe durch das Tropengewächshaus und den Lehr- und Lerngarten, wo sie den Einfluss der Nutzpflanzen auf die globalen Handelsbeziehungen in beeindruckender Weise schilderte.
Die Deutsche Genbank Obst ist eine wachsende Organisationstruktur. Zum einen kommen jährlich neue Partner hinzu, die sich vorab mit ihrer Sammlung bewerben, zum anderen werden immer mehr Obstarten in der Genbank abgebildet. Die Umsetzung der Sortenprüfung erfolgt durch das Bundesamt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE); das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) unterstützt die oft jahrelange Untersuchung finanziell. Im Gegenzug bilden die Partner die Ergebnisse in der Datenbank, abrufbar unter www.deutsche-genbank-obst.de, ab.