Technik, Energie & Bauen
PV-Anlagen nach der EEG Förderung wirtschaftlich weiter betreiben – geht das?
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, selbst produzierten Strom auch nach Ende der 20-jährigen Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) Förderung sinnvoll zu nutzen. Dabei ist die Nutzung des Stroms zur Eigenversorgung unter den aktuellen Bedingungen in den meisten Fällen eine sehr sinnvolle Maßnahme.
Leistung einer 20 Jahre alten PV-Anlage (Ü20-Anlage)
Die Leistung einer PV-Anlage hängt grundsätzlich von den örtlichen Gegebenheiten ab. Ein guter Mittelwert ist die Annahme eines Stromertrages von 950 kWh/kWp (Kilowattstunden pro Kilowatt Peak) bei einer Südausrichtung der Anlage. Im Süden Hessens kann ein höherer Ertrag generiert werden, ebenso in sehr sonnenreichen Jahren. Je mehr die Anlage von einer reinen Süd- in Richtung einer Ost-/Westausrichtung abweicht, desto geringer ist der spezifische Ertrag. Anhand der Jahresabschlussrechnung kann jeder Betrieb den Ertrag seiner Anlage selbst berechnen. Alternativ kann ein intelligenter Zähler nachgerüstet werden, der ein genaues Lastprofil der Anlage erstellt. Von diesen 950 kWh/kWp ist bei einer Ü20-Anlage jedoch eine gewisse Leistungsdegression abzuziehen, die unweigerlich durch die Alterung der Anlage auftritt. Die Literatur gibt hierbei einen Bereich 0,15 % bis 0,30 % Degression pro Jahr an. Somit können PV-Anlagen also auch nach 20 Jahren noch mit ca. 95 % der Ursprungsleistung Strom produzieren; für eine 30 kWp Beispielanlage können dies bei einer Ursprungsleistung von ca. 28.500 kWh pro Jahr (bei 950 kWh/kWp) noch ca. 27.300 kWh sein.
Voraussetzung hierfür ist die uneingeschränkte Funktion der Anlage, die einen gewissen Wartungszustand voraussetzt. Ratsam ist die Durchführung eines Anlagenchecks (bspw. beim örtlichen Solar-Installateur), bei dem die Anlage durchgemessen und hinsichtlich ihres Zustandes begutachtet wird. Hinzu kommt die Vermeidung einer nachträglichen Verschattung einzelner Module, sowie die Sauberkeit der Oberfläche. Eine sehr verschmutzte Anlage kann bis zu 30 % Ertragsverlust aufweisen. Unbedingt sollte man darüber hinaus auch den Dachzustand im Auge behalten. Wenn die Traglast oder Dichtheit des Daches nicht mehr gewährleistet werden kann, sollten entsprechende Maßnahmen ergriffen werden (die eventuell einen Weiterbetrieb ausschließen). Wenn all diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann eine 20 Jahre alte Anlage durchaus noch weitere 10 bis 15 Jahre Strom produzieren; in Einzelfällen auch deutlich länger.
Einspeisevergütung für ausgeförderte Anlagen
Bis zum Jahr 2027 (Neufassung des EEGs) wurde per Gesetz ein Weiterbetrieb einer jeden Ü20-Anlage ermöglicht, für den im Normalfall keine Maßnahmen an der Anlage getroffen werden müssen. Nach Auslaufen des 20-jährigen EEG Vergütung wird die Anlage automatisch auf eine Vergütung nach dem „Jahresmarktwert Solar“ umgestellt. Dieser Wert stellt den Durchschnittspreis der Solar-Börsenstrompreise dar und lag im Jahr 2023 bei 7,2 Cent/kWh. Hiervon ist noch ein Abzugsbetrag für die Vermarktungskosten der Übertragungsnetzbetreiber abzuziehen, der in 2023 erstmalig bei 0,0 Cent/kWh lag. In 2024 wurde der Abzugsbetrag bereits auf 1,808 Cent/kWh festgesetzt. Wie hoch der Börsendurchschnitt in 2024 ausfallen wird, ist schwer abzuschätzen. Bis zur offiziellen Feststellung im Januar des jeweiligen Folgejahres werden Abschlagszahlungen in angemessenem Umfang durch den Netzbetreiber gewährt.
Der Vorteil dieser ersten Variante ist vorrangig die fehlende Notwendigkeit, sich aktiv um den Weiterbetrieb kümmern zu müssen. Der Ertrag fällt aktuell auch bei günstigen Stromgestehungskosten der abgeschriebenen Ü20-Anlage von nur 3 bis 5 Cent/kWh gering aus, kann sich aber bei steigenden Strompreisen schnell verändern. Muss jedoch ein Wechselrichtertausch erfolgen, da die Geräte nach 20 Jahren ihre Lebensdauer oftmals erreicht haben, ist bei Kosten von teils über 3.000,- € je Gerät die Wirtschaftlichkeit eines Weiterbetriebs unter diesen Voraussetzungen (oftmals) nicht mehr gegeben.
Einstieg in die Direktvermarktung
Durch den Einstieg in die „Sonstige Direktvermarktung“ können die Erlöse der Anlage durch eine tagesabhängige Vermarktung des Stroms an der Börse tendenziell gesteigert werden. Jedoch können die Erlöse im Ernstfall auch geringer ausfallen, da eine Stützung der Vergütung durch das Marktprämienmodell entfällt (Neue Anlagen = mind. EEG-Vergütung; gesetzliche Regelung). Daher hängen die generierten Erlöse vollständig von der Vermarktungsstrategie des Direktvermarkters und der generellen Entwicklung der Strompreise regenerativer Energien ab. Hinzu kommen die Gebühren des beauftragten Direktvermarkters, wobei als zusätzliche Einschränkung die Direktvermarktung erst ab einer Leistung von 25 kWp mit Volleinspeisung des produzierten Stroms möglich ist (Stand April 2024). Eigenstromanlagen müssen entsprechend größer dimensioniert sein, um den Reststrom direkt vermarkten zu können.
Um in die Direktvermarktung einsteigen zu können, muss eine registrierende Leistungsmessung (RLM) nachgerüstet werden, die dem Vermarkter im 15-Minuten-Takt die Einspeiseleistung der Anlage übermittelt. Die Kosten der RLM variieren dabei je nach Anbieter. Hinzu können Kosten für eine Umstellung des Vergütungsmodells beim Netzbetreiber kommen. Außerdem haben sich in den letzten 20 Jahren die technischen Voraussetzungen für einen Anlagenbetrieb deutlich geändert, was Nachbesserungen beim Überspannungsschutz und der Erdung der Ü20-Anlage zur Folge haben könnte. Diese Fragen sind individuell zu klären, das Hinzuziehen eines kompetenten Elektrikers ist dabei unbedingt zu empfehlen!
Umstellung auf Eigenstromnutzung
Eine sehr attraktive Variante des Weiterbetriebs einer Ü20-Anlage ist die Umstellung auf Eigenverbrauch des produzierten Stroms. Da eine Ü20-Anlage vollständig abgeschrieben ist und bei einem entsprechenden Pflegezustand keine hohen Unterhaltskosten anfallen (Ausnahme: Wechselrichtertausch), kann für den Preis von nur 3 bis 5 ct/kWh Strom erzeugt und selbst verbraucht werden. Der nicht benötigte Überschuss kann über die Einspeisevergütung für ausgeförderte Anlagen oder teilweise sogar über eine Direktvermarktung abgegeben werden. Die Höhe des Eigenverbrauchs hängt dabei entscheidend von drei Faktoren ab:
- Gesamtverbrauch des Betriebs
- Individuelles Verbrauchs-/Lastprofil
- Größe der PV-Anlage
Durch das sehr betriebsindividuelle Zusammenspiel dieser drei Faktoren kann bezüglich des Eigenverbrauchs, bzw. des Autarkiegrades keine pauschale Aussage getroffen werden. Der Eigenverbrauch gibt dabei an, welcher Anteil der durch die PV-Anlage erzeugten Strommenge selbst verbraucht werden kann; der Autarkiegrad bezeichnet den Anteil des am Betrieb benötigten Stroms, der aus eigener Produktion gedeckt werden kann. In verschiedenen Praxisbeispielen können bei Milchvieh haltenden Betrieben, die ein Automatisches Melksystem nutzen, oder Schweine haltenden Betrieben Eigenverbrauchswerte von über 50 % erzielt werden, wenn die PV Anlagen im Verhältnis zum Stromverbrauch am Betrieb nicht deutlich überdimensioniert sind. Durch die Nutzung eines Energiespeichers lässt sich allgemeingültig der Eigenverbrauchsanteil steigern, jedoch ist die Wirtschaftlichkeit eines Energiespeichers durch die sinkenden Strompreise (Stand 04.2024) leider in nur wenigen Fällen gegeben.
Bezüglich der Anlagentechnik kommen bei der Umstellung auf Eigenverbrauch zu den bereits genannten grundsätzlichen Anpassungen das Umklemmen im Zählerschrank hinzu, bei dem die Anlage mit dem Betriebsstromnetz verbunden wird. Zudem wird ein Zwei-Richtungs-Zähler benötigt (Kosten wiederum sehr individuell).
Repowering
Bei dieser Variante erfolgt ein Austausch der Ü20-Anlage gegen eine neue Anlage, wobei teilweise Bauteile der alten Anlage weiter genutzt werden können (bspw. Schienen). Durch Weiterentwicklungen in der Anlagentechnik kann hierdurch ca. eine doppelte Leistung bei gleicher Grundfläche erzielt werden; parallel könnte in diesem Zuge die Anlage bei noch freier Dachfläche erweitert werden. Hinderlich für diese Variante sind die teils hohen, sehr variablen Investitionskosten in neue Anlagen mit ebenso variablen Finanzierungsbedingungen. Vor allem muss jedoch für diese Variante eine neue Netzverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden.
Power Purchase Agreement (PPA)
Auf die theoretisch mögliche Festpreisvermarktung des PV-Stroms (Power Purchase Agreement, PPA) an einen festen Abnehmer wird bewusst nicht näher eingegangen. Meist ist diese Variante erst für größere Anlagen interessant und die Ausgestaltung der Verträge sehr aufwendig. Wenn die Bedingungen stimmen (bspw. Industriegebiet oder größere Abnehmer im direkten Umfeld, die per eigener Stromleitung versorgt werden könnten), kann diese Variante im Einzelfall dennoch interessant sein.
Fazit: Weiterbetrieb fast immer sinnvoll.
Abschließend kann festgehalten werden, dass eine Ü20-PV-Anlage in den meisten Fällen wirtschaftlich weiterbetrieben werden kann. Welche der dargestellten Varianten sinnvoll ist, muss im individuellen Einzelfall geprüft werden. Zudem bestehen im Bereich Umstellung auf Eigenverbrauch Fördermöglichkeiten des Bundesprogramms Energieeffizienz der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (Aktuell Antragsstopp, Stand 04.2024). Bei entsprechendem Beratungsbedarf steht Ihnen unter anderem das Fachgebiet „Ökonomie & Verfahrenstechnik“ des LLH zur Verfügung, Kontaktadressen finden Sie unter: https://llh.hessen.de/ueber-uns/kontakt/