Standorte
30 % weniger bis 2030: Hinz stellt Pestizid-Reduktionsplan vor
Am Montag, den 15. Mai, hat die hessische Umwelt- und Landwirtschaftsministerin Priska Hinz den Hessischen Pestizid-Reduktionsplan in Geisenheim vorgestellt. Dort betreiben die Hochschule Geisenheim University (HGU) und das Gartenbauzentrum Geisenheim des Landesbetriebes Landwirtschaft Hessen (LLH) ihre Versuchsstandorte.
Großes Interesse riefen die anschaulichen praktischen Vorführungen des LLH und der HGU bei den Anwesenden hervor.
Die Biodiversität zu erhalten und zu schützen ist Hinz ein zentrales Anliegen. Neben Entsiegelungen und mehr Strukturvielfalt sei die Pestizidreduktion ein wichtiger Hebel. Ihr sei die Bedeutung des Pflanzenschutzes für ein wirtschaftliches Arbeiten bewusst, deshalb verfolge sie einen kooperativen Ansatz.
Der Pestizid-Reduktionsplan sieht vor, in Beratung und Forschung zu investieren sowie Demonstrationsvorhaben und Vernetzung zu fördern als auch die Förderlandschaft ausbauen. Um letztlich die Umsetzung bzw. den Erfolg der Maßnahmen evaluieren zu können, wird ein Monitoringsystem etabliert. Über den Maßnahmenzeitraum von 2023 bis 2028 stehen rund 2 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung und die Beratungsteams in den beteiligten Behörden werden personell verstärkt – nicht nur in der erwerblichen Nahrungsmittelerzeugung, sondern auch im Freizeitgartenbau.
Beate Reichhold-Appel, Leiterin der Hessischen Gartenakademie, stellte die Rolle des Hobbygartenbaus in Deutschland heraus. So verbringen die Menschen durchschnittlich rund 3,5 Stunden pro Woche mit Gartenarbeiten. Gärtnern sei mehr als eine Freizeitbeschäftigung, es sei eine Lebensweise. Nicht nur Zeit und Mühe würden investiert, sondern – um die Ernte nicht anderen zu überlassen – auch in den Pflanzenschutz. Die Gefahr ist aber groß, dass dabei übertrieben wird. Private Gärten tragen daher auch zur Belastung der Böden und Gewässer durch Pflanzenschutzmittel (PSM) bei. Hier möchte die Gartenakademie ansetzen und mit ihren Beratungsangeboten aufklären und entgegensteuern.
Im Anschluss referierte Wolfgang Schorn, Fachgebietsleiter Fachinformation Gartenbau, zum gartenbaulichen Versuchswesen des LLH. Viele biologische Pflanzenschutzanwendungen seien über die Testphase hinaus und praxiserprobt, so z.B. die Ausbringung von Nützlingen im geschützten Anbau mit einem Blasegerät (siehe Foto). Durch die gut kontrollierbaren klimatischen Bedingungen ist eine biologische Schaderregerbekämpfung in Gewächshäusern vergleichsweise einfach und bei vielen Schädlingen bereits Standard. Auch für das Freiland werden Applikationstechniken getestet. Da jeder Nützling anders ist, sei ein auf ihn abgestimmtes Ausbringungsverfahren notwendig.
„Hacken statt Spritzen“ ist ein weiterer Ansatz, um PSM zu sparen. Der gut 150 kg schwere und 100 cm lange Hackroboter Oz steht seit 2018 im Dienste des Versuchswesens. Im Zierpflanzenbau geht er dem Unkraut an den Kragen. Schorn erläuterte Vorteile, wie PSM- oder Arbeitskräfteeinsparung, aber auch Herausforderungen und Tücken. Aktuell sei beispielsweise der Boden zu feucht, der Roboter käme nur schwerlich voran, mehrere Überfahrten seien notwendig. Im erwerbsmäßigen Gartenbau kommen neben Oz seine größeren Verwandten mit bis zu 6,00 m Arbeitsbreite zum Einsatz.
Weiterhin stellte die HGU vertreten durch die Phytomedizin-Professorinnen Dr. Annette Reineke und Dr. Beate Berkelmann-Löhnertz ihre Forschungsarbeit im Weinbau vor. Durchschnittlich 18 PSM-Behandlungen pro Jahr, vorrangig gegen pilzliche Schaderreger, seien notwendig. Der Weinbau mache nur 0,6 % der landwirtschaftlichen Anbaufläche aus, aber 20 % der Fungizide würden dort ausgebracht. Vielen Konsumenten sei nicht bewusst, dass auch im Ökolandbau PSM zur Anwendung kämen, hauptsächlich Kupfer. Auch hier müsse angesetzt werden. Neben der Resistenzzüchtung und der Erforschung von Ersatzwirkstoffen (Substitute) kann z.B. eine veränderte Verkapselungstechnik den Einsatz von Kupfer verringern: die speziellen Kügelchen setzen den Wirkstoff langsam und kontinuierlich frei; auch haftet die fetthaltige Formulierung besser am Blatt.
Die Behandlung mit UV-C gegen Falschen Mehltau zeige sich ebenfalls vielversprechend. Hier wird aktuell an der Entwicklung kleinerer, wendiger Roboter gearbeitet, die sich für die teils engen und steilen Verhältnisse in den Weinbergen eignen.
Beim abschließenden Gang durch die Gewächshäuser machte Schorn deutlich: „Der PSM-reduzierte Pflanzenschutz ist aufwändiger, jedoch machbar und vor allem notwendig, um die Lebensgrundlagen langfristig zu schützen.“
Der Pestizidreduktionsplan ist aus dem ‚Runden Tisch Landwirtschaft und Naturschutz‘ hervorgegangen.