Freizeitgartenbau/Gartenakademie
Mit selbst vermehrtem Gemüsesaatgut Begeisterung erfahren
Die Vielfalt an Saatgut in Super- und Baumärkten ist scheinbar unendlich groß. Betrachtet man die Samentütchen allerdings genauer, stellt man fest, dass es sich bei vielen der angebotenen Sorten um sogenanntes Hybridsaatgut handelt.
Das bedeutet, dass die sich daraus entwickelnden Pflanzen zwar erneut Samen bilden, die Pflanzen aber aus diesem Saatgut ganz andere Eigenschaften aufweisen als die Sorten, die man ursprünglich besorgt hatte.
Solche Sorten bieten dem erwerbsmäßigen Gemüseanbauer viele Vorteile, da sie häufig weniger krankheitsanfällig sind und höhere Erträge bringen. Aber mit der Entwicklung dieser Sorten geht ein Verlust an Sorten einher, die samenfest sind, d.h. selbst vermehrt werden können, und die Abhängigkeit von einigen wenigen großen Saatgutkonzernen nimmt zu.
Dem gegenüber steht der Wunsch mancher Hobbygärtner, von den Pflanzen, die er erfolgreich in seinem Garten angebaut hat, Saatgut zu gewinnen und die Pflanzen weiter zu vermehren – und dies gelingt aber eben nur mit samenfesten Sorten, die man einmal erworben hat. Dabei passen sich diese Sorten an die Standortbedingungen und klimatischen Gegebenheiten an, entwickeln sich also ständig weiter. So erzählen viele Gärtnerinnen und Gärtner mit Freude von „ihren Sorten“ und von der Begeisterung, kreativ tätig zu sein und altes Wissen lebendig zu halten. Sofern Sie, liebe Leserinnen und Leser, einige Aspekte beachten, können auch Sie Ihr eigenes Saatgut produzieren und nebenbei dazu beitragen, die Vielfalt an Gemüsearten und -sorten zu erhalten.
Mit dem Einfachen anfangen
Saatgutvermehrung und Züchtung brauchen Zeit. Beginnen Sie mit der Vermehrung von ein oder zwei Sorten und schenken Sie diesen Sorten besonders viel Aufmerksamkeit. Bei manchen Gemüsekulturen wie z.B. bei Tomaten, Bohnen und Sommersalaten (mit Ausnahme von Eissalat und spätschossenden Salaten) gelingt die Samenvermehrung im Allgemeinen problemlos. Die meisten dieser Kulturen sind strenge Selbstbestäuber. D.h. es ist keine andere Pflanze zur Vermehrung nötig, da die Pflanzen sich selbst bestäuben können. Allerdings benötigen sie teilweise Wind oder mechanisches Rütteln, damit sich die reifen Pollenkörner von den Staubbeuteln lösen und auf die Narbe gelangen. Bei Tomaten kann zudem die Gefahr der Fremdbefruchtung, die nicht ganz ausgeschlossen werden kann, minimiert werden.
Verkreuzungsgefahr nicht unterschätzen
Demgegenüber stellen Pflanzen wie Kürbis, Rettich und Möhren im Blick auf die Saatgutgewinnung eine besondere Herausforderung dar. Bei Kürbissen besteht eine hochgradige sogenannte „Verkreuzungsgefahr“, allerdings nur zwischen Sorten einer Art. (Siehe Tabelle „Kürbisarten und -sorten“ und den Beitrag „Sind Kürbisse aus eigenem Nachbau giftig?“)
Botanischer Name | Deutscher Name 1) | Merkmale des Stielansatzes 2) | sich untereinander verkreuzende Unterarten und Sorten 3) |
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1) die deutschen Namen für die Einteilung werden nicht eindeutig verwendet 2) ein relativ zuverlässiges Hilfsmittel für die Zuordnung der Sorten sind nicht die Samen, sondern die charakteristischen Fruchtstängel. 3) Nennungen sind beispielhaft | |||
Cucurbita pepo | Gartenkürbis | hart, leicht bestachelt, weist 5 Haupt-Längsrippen auf | Zucchini, Zierkürbis, Rondini, die buschig wachsenden Squash-Kürbisse wie z.B. Pattison (Ufo), Spaghetti-Kürbis, Öl-Kürbis, Eichelkürbis |
Cucurbita moschata | Moschuskürbis | hart, (scharf-)kantig, zur Frucht hin stark verbreitert | Butternut, Muskatkürbis, Trombolino, Mantelsackkürbis |
Cucurbita maxima | Riesenkürbis | eher weich, rund und verkorkt | Gelber Zentner, Hokkaido, Blauer Ungarischer, Buttercup |
Besonders problematisch ist die Verkreuzung bei den Sorten der Art Cucurbita pepo, da auf diese Weise z.B. Bitterstoffe vom Zierkürbis in Zucchinipflanzen gelangen können. Um die Übertragung von Pollen durch Insekten zu verhindern, sind auf freiem Gelände Abstände zu anderen Kürbissorten der gleichen Art von mindestens 500, besser 1000 m erforderlich. Hier müssen die vor Ort herrschenden Verhältnisse gründlich analysiert werden, denn in vielen Gärten werden Zucchini angebaut und landwirtschaftliche Flächen mit Kürbis bestellt.
Die Samengewinnung selbst ist aufgrund der großen Samenkörner sehr einfach. Die Keimfähigkeit des Saatguts lässt sich leicht überprüfen: Nicht keimfähiges Saatgut sinkt in einem Wasserglas nach unten. Der Keimtest sollte etwa 8 Stunden umfassen.
Möhren und Rettich müssen über den Winter gelagert werden
Etliche Gemüsearten sind zweijährig, d.h., dass sie erst im zweiten Jahr blühen und Samen bilden. Die Samenernte ist somit erst im zweiten Standjahr möglich. Dazu gehören neben vielen Kohlgewächsen auch Möhren und Rettiche. Bei letzten ist die Qualität der geernteten Frucht aber nur erkennbar, wenn diese geerntet wurde. Die Ernte erfolgt bei beiden Kulturen spät im Jahr. Anschließend werden die Rüben nach z.B. Form, Größe oder Gesundheit selektiert und bei 1 – 3 °C (und rund 90 % Luftfeuchtigkeit) gelagert; zuvor wird das Laub auf 3 – 5 cm eingekürzt, ohne dabei das „Herz“ zu beschädigen. Im Frühjahr werden sie erneut ausgepflanzt. Nach und nach entwickeln sich die bis zu einem Meter hohen Blütentriebe, die durch Netze oder Pfähle gestützt werden sollten.
Auch bei diesen Kulturen besteht Verkreuzungsgefahr. Bei Möhren insbesondere mit der wilden Möhre, die in vielen spät gemähten Wiesen und mehrjährigen Blühmischungen enthalten ist.
Für die Samengewinnung wird somit ein Mindestabstand zu anderen Sorten von 100 bis 150 m empfohlen. Dieser Abstand gilt auch für Rettiche; bei dieser Kultur ist Vorsicht gegenüber dem Ölrettich (häufig in überwinternden Gründüngungsmischungen enthalten) geboten.
Ernte der Samen & Lagerung
Die ersten Pflanzen, die im Jahresverlauf Samen bilden, sind Feldsalat, Rucola und Spinat, danach folgen die überwinterten zweijährigen Kohlarten. Ab August findet die Samenreife bei Salaten, Möhren, Zwiebeln, Beten und anderen statt.
Am günstigsten ist es, wenn trockenreife Samenstände geerntet werden können, wenn also die Ernte bei schönem, warmem Sommerwetter erfolgt, da dieses Saatgut seine Keimfähigkeit und Triebkraft am längsten behält.
Der aus botanischer Sicht beste Zeitpunkt für die Ernte ist von der Kultur abhängig. Bei Kohlgewächsen nimmt man ab dem Gelbwerden der ersten Schoten Proben. Wenn die Samen schon braun und hart sind, kann geerntet werden. Bei anderen Kulturen wie bei Asiasalaten und Feldsalat platzen die Schoten bei Reife auf oder fallen ab. Bei diesen muss geerntet werden, sobald die ersten Schoten ganz reife Körner enthalten oder – wie beim Feldsalat – braun sind und auf dem Boden liegen. Bei Bohnen, Erbsen, Spinat und Rettichen u.a. kann man warten, bis die Samen bzw. Schoten ganz braun sind.
Saatgut sollte immer nur von gesunden Pflanzen gewonnen werden. Bei Tomaten ist es deshalb üblich, nur etwa die ersten drei Wickel (Fruchtstände) zur Samengewinnung zu ernten, da der Krankheitsdruck im Allgemeinen im Kulturverlauf zunimmt.
Geerntete und aufbereitete Samen lagert man am besten trocken, kühl, dunkel und mit wenig Luftkontakt. Ein trockener Kellerraum ohne starke Temperaturschwankungen mit 8 – 10 °C Lagertemperatur ist ideal. Insgesamt hat aber die Saatgutfeuchtigkeit einen sehr viel größeren Einfluss auf die Keimfähigkeit als die Temperatur. Deshalb wird das getrocknete Saatgut am besten in Schraub- oder Bügelgläsern aufbewahrt. Bei besonders wertvollem Saatgut, das länger keimfähig sein soll, kann man in die Gläser kleine Päckchen mit Silikatgel (farblos) geben. Diese sind spätestens seit der Corona-Pandemie allen bekannt, da sie in den Schnelltest-Sets enthalten waren und auf diese Weise eine Weiterverwendung finden könnten. Auch ein Tieffrieren von Saatgut ist möglich. Insbesondere bei Feldsalat wird dadurch die Keimfähigkeit erhöht; das Saatgut wird erst kurz vor der Aussaat aus dem Gefrierschrank genommen.
Keimfähigkeit variiert
Die natürliche Keimfähigkeit ist bei den verschiedenen Gemüsearten unterschiedlich. Als grobe Orientierungswerte gelten:
- gering: Kräuter, Saatgutbänder, Pastinaken
- mittel:
- 2 – 3 Jahre: Feldsalat, Zwiebel, Tomate, Petersilie
- 3 – 4 Jahre: Bohne, Erbse, Kopfsalat, Möhre, Sellerie
- hoch:
- 4 – 5 Jahre: Kohlarten, Rettich, Radieschen, Spinat, Rote Rübe
- 5 – 6 Jahre: Gurke, Kürbis, Zucchini
Mit Hilfe eines Keimtestes kann die Keimfähigkeit auf einfache Weise überprüft werden.
Detaillierte Anleitungen zur Saatgutvermehrung gibt es in der Literatur, aber auch insbesondere durch Vereine wie den V.E.N. oder V.E.R.N; diese bieten auch Tauschbörsen an.