Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen

Bieneninstitut Kirchhain

Varroazide

Behandlungsmittel gegen die Varroamilbe: Verschaffen sie sich einen Überblick über aktuell zugelassene Varroazide. Ob organische Säuren oder synthetische Tierarzneimittel: Informieren sie sich über die verschiedenen Wirkstoffe, deren Vor- und Nachteile sowie rechtliche Grundlagen, um eine effektive und legale Varroabehandlung zu gewährleisten.

0.  Zulassungsarten und Dokumentationspflicht

Bevor ein Tierarzneimittel verwendet werden darf, muss es ein staatliches Zulassungsverfahren durchlaufen. Dadurch kann es eine Einzel- oder Standardzulassung erhalten. Eine Standardzulassung legalisiert die „Rezeptur“ eines Medikaments und nicht ein einzelnes Produkt. Für Honigbienen gibt es Standardzulassungen für Ameisensäure 60% ad us. vet., Milchsäure 15% ad us. vet. und Oxalsäuredihydrat-Lösung 3,5 % (m/V) ad us. vet. Weitere Infos zu Zulassungsverfahren von Tierarzneimitteln siehe unten.

Seit dem Inkrafttreten der neuen europäischen Tierarzneimittelverordnung (VO (EU) 2019/6) am 28. Januar 2022 besteht für alle Tierarzneimittel eine Dokumentationspflicht im Bestandsbuch, unabhängig davon ob sie freiverkäuflich sind oder Verkaufsabgrenzungen unterliegen. Das Bestandsbuch muss nach bestimmten Vorgaben geführt und fünf Jahre aufbewahrt werden. Weitere Infos und eine Vorlage hierzu finden sie auf der Website des Bieneninstitut Kirchhain, siehe unten.

1.  Organische Varroazide

Die am häufigsten verwendeten Varroabehandlungsmittel stammen aus der Gruppe der organischen Säuren. Dies sind chemische Verbindungen, welche so auch in der Natur vorkommen (z.B. Oxalsäure im Rhabarber) und – richtig angewendet – toxisch auf Varroamilben wirken. Organische Säuren sind wasserlöslich und können sich somit nicht im Wachskreislauf einer Imkerei anreichern. Falsch angewendet schlagen sie sich jedoch sehr wohl im Honig nieder und können diesen schnell ungenießbar machen. Eine Varroabehandlung ist folglich nur nach der letzten Honigernte einer Saison zulässig, oder in Ablegern etc. aus welchen in der laufenden Saison kein Honig mehr geerntet werden soll.

1.1 Wirkungsweise

1.1.1 Oxalsäure

Oxalsäuredihydrat-Lösung besitzt eine sehr hohe Wirksamkeit (>90%) auf Milben außerhalb der Brutzellen. Sie diffundiert jedoch nicht wie Ameisensäure durch verschlossene Zelldeckel und sollte daher nur in brutfreie Völker geträufelt oder gesprüht werden. Oxalsäure ist ein Kontaktakarizid, dessen Wirkungsweise jedoch nicht vollständig untersucht ist. Diese ist teilweise auf die Empfindlichkeit der Milben gegenüber dem sauren pH-Wert zurückzuführen (Emmerich, 2018).

Die Vermischung von Oxalsäure Lösung mit Saccharose oder Glyzerin lässt die Lösung länger feucht bleiben und führt somit zu einer stärkeren Exposition der Milben, worauf vermutlich die dadurch erhöhte Wirksamkeit begründet ist. Angemischte Oxalsäurelösungen mit Zucker müssen jedoch innerhalb eines Monats aufgebraucht werden. Hier entsteht rasch das für Bienen und deren Larven toxische Hydroxymethylfurfural (HMF).

1.1.2 Ameisensäure

Auch die Ameisensäure ist eine organische Säure. Wird sie im Bienenstock verdunstet, wirken die Dämpfe ätzend auf die Milben und schädigen sie dadurch direkt. Des Weiteren hemmen sie die Atmungskette und führen zu einer Übersäuerung (Azidose) der Milben, was zu deren Absterben führt. Ameisensäure diffundiert als einziges organisches Behandlungsmittel durch verschlossene Zelldeckel der Bienenbrut hindurch und schädigt dort am stärksten die Nymphenstadien der Milben. Die Wirkung auf adulte Milben ist unterschiedlich stark (Emmerich, 2018). Die Verdunstung von Ameisensäure und damit ihr Wirkungsgrad wird stark von den Umgebungsbedingungen (Temperatur und Luftfeuchtigkeit) beeinflusst. Man sollte also für eine Ameisensäurebehandlung unbedingt den richtigen Zeitpunkt mit geeignetem Wetter abpassen. Eine Entscheidungshilfe hierfür kann die Website „Varroawetter“ liefern, Link siehe unten.

1.1.3 Milchsäure

Auch die Milchsäure ist eine organische Säure, die nur auf Milben außerhalb verdeckelter Brutzellen einwirkt. Sie ist besonders bienenverträglich, aber ihr Wirkungsgrad ist variabler und etwas geringer als der von Oxalsäure. Sie ist nur für die Sprühbehandlung zugelassen und wirkt erfahrungsgemäß im Winter besser als im Sommer. Daher empfehlen wir sie nicht für die Behandlung von Ablegern, sondern nur für die Winterbehandlung von brutfreien Völkern. Damit eine Milchsäurebehandlung effektiv gegen Varroamilben wirkt, sollte sie zweimal durchgeführt werden. Hier ist jedoch zu beachten, dass eine Sprühbehandlung im Winter den Wärmehaushalt von Bienenvölkern kurzzeitig stark beeinflussen kann. Die Wirkungsweise von Milchsäure ist ähnlich der Oxalsäure nicht vollständig aufgeklärt.

1.1.4 Thymol

Thymol beeinflusst vermutlich die Orientierungsfähigkeit der Milben und wirkt bei hoher Konzentration zudem direkt toxisch auf sie. Der Wirkungsgrad von thymolhaltigen Produkten schwankt stark je nach Außentemperatur, Luftfeuchtigkeit und Beutenvolumen. Die Anwendung hat aus unserer Sicht zu viele Nachteile (u.a. Anreicherung von Aromastoffen im Wachs, z.T. mangelnde Wirksamkeit), als dass wir sie empfehlen möchten.

1.2  Anwendung

Detaillierte Informationen zur Anwendung organischer Säuren finden sie in unseren Arbeitsblättern. Darüber hinaus beachten sie bitte bei der Anwendung sämtlicher Produkte die Packungsbeilage des jeweiligen Herstellers.

Tabelle 1: Übersicht zugelassener organischer Varroazide, Stand: 12.01.2022

Präparat/HerstellerWirkstoffAnwendungsformVoraussetzung
für effektive Behandlung
Verkaufsabgrenzung/
Anmerkungen
Oxalsäuredihydrat-Lösung 3,5% (m/V) ad us. vet.
Serumwerk Bernburg
OxalsäureLösung zum TräufelnBrutfrei
Oxuvar® 3,5 %
Andermatt Biovet
OxalsäureLösung zum TräufelnBrutfrei 

 

Oxuvar® 5,7 %
Andermatt Biovet
OxalsäureLösung zum Träufeln
oder Sprühen
BrutfreiJe nach Anwendung
unterschiedliche Verdünnung
Oxybee® / Dany’s Bienenwohl®
Véto Pharma / Dany Bienenwohl
OxalsäureLösung zum TräufelnBrutfreiEnthält zusätzlich Glyzerin
VarroMed®
BeeVital
Oxalsäure + AmeisensäureLösung zum TräufelnBrutfreiApothekenpflichtig
Ameisensäure ad us. vet. 60 %
Serumwerk Bernburg
AmeisensäureLösung zum VerdunstenNormale BrutaktivitätWirkungsgrad temperaturabhängig
Formivar® 60 % ad us. vet.
Andermatt Biovet
AmeisensäureLösung zum VerdunstenNormale BrutaktivitätWirkungsgrad temperaturabhängig
MAQS®
Andermatt Biovet
AmeisensäureStreifen zum AuflegenNormale BrutaktivitätWirkungsgrad temperaturabhängig
Milchsäure 15 % ad us. vet.
Serumwerk Bernburg
MilchsäureLösung zum SprühenBrutfrei 

 

Apiguard®
Vita Beehealth
ThymolGel-Schalen zum AuflegenNormale BrutaktivitätWirkungsgrad temperaturabhängig
Thymovar®
Andermatt Biovet
ThymolPlättchen zum AuflegenNormale BrutaktivitätWirkungsgrad temperaturabhängig
Apilife Var®
Serumwerk Bernburg
Thymol
Campher
Eukalyptusöl
Levomenthol
Streifen zum AuflegenNormale BrutaktivitätWirkungsgrad temperaturabhängig

2. Synthetische Varroazide

Neben den organischen Varroaziden gibt es eine Reihe synthetischer Behandlungsmittel gegen die Varroamilbe, die natürlicherweise nicht vorkommen. Sie wirken zumeist als Nervengift auf die Milben und führen dazu, dass diese von den Bienen abfallen und schließlich verenden.

Wir empfehlen synthetische Behandlungsmittel nur im Notfall anzuwenden, da sie unerwünschte Nebenwirkungen haben können: Resistenzbildung von Varroamilben und Rückstände in Honig und Wachs. Durch die wiederholte Anwendung eines Wirkstoffs können Milbenstämme entstehen, die mit diesem oder ähnlichen Wirkstoffen nicht mehr abzutöten sind. Damit fällt der Wirkstoff dann für weitere Behandlungen weg. Weiterhin sind einige der Wirkstoffe fettlöslich und können sich durch die Anwendung im Wachskreislauf der Imkerei anreichern. Auch wenn keine direkten Rückstände in Honig und Wachs zu finden sind, sind dennoch oft ihre Zerfallsprodukte, sog. „Metaboliten“ vorhanden.

2.1 Wirkungsweise

2.1.1 Flumethrin

Flumethrin gehört zur chemischen Gruppe der Pyrethroide. Es wirkt auf das Nervensystem der Milben und führt zu Koordinationsstörungen und Lähmungen und letztendlich zum Tod der Varroamilbe. Es wird über benetzte/imprägnierte Streifen oder eine Bienenschleuse in das Bienenvolk gebracht. Beim Belaufen der Streifen oder der Bienenschleuse nehmen die Bienen den Wirkstoff auf und verteilen ihn im Bienenvolk (Emmerich, 2018). Flumethrin wirkt nur auf die frei auf den Bienen sitzenden Milben und nicht in die verdeckelten Brutzellen hinein. Deshalb ist immer eine Langzeitanwendung nötig, um möglichst viele Varroa-Milben mit dem Wirkstoff in Kontakt zu bringen. Es soll eine relativ geringe Giftigkeit für Bienen und Bienenbrut besitzen (Emmerich, 2018).

 2.1.2 Amitraz

Der Wirkstoff Amitraz stammt wie viele in der Tiermedizin eingesetzte Parasiten-Medikamente aus dem Pflanzenschutzbereich. Es wird als Pestizid bzw. Pflanzenschutzmittel vor allem auf Obst, Baumwolle und Hopfen angewendet (EMA 1999). Wie Flumethrin ist auch Amitraz ein Nervengift, das zu Lähmung, Ablösen und schließlich zum Tod der Varroamilbe führt. Amitraz wird über imprägnierte Streifen ins Bienenvolk eingebracht. Die Bienen belaufen aktiv die getränkten Streifen und verteilen dadurch den Wirkstoff im Bienenvolk. Es werden ausschließlich die auf den Bienen sitzenden Milben getroffen, Amitraz dringt nicht in die verdeckelten Brutzellen ein.  Der Wirkstoff gilt als relativ ungefährlich für Bienen und Bienenbrut. Bei der Anwendung kann Amitraz zu Rückständen in Honig und Wachs führen. Es wurden in Deutschland bereits Resistenzen der Varroamilbe gegenüber Amitraz beschrieben. In betroffenen Gebieten sollte der Wirkstoff nicht mehr angewandt werden. Bei Menschen kann Amitraz neurologische, Hautempfindlichkeits- und allergische Reaktionen sowie Augenreizungen hervorrufen. Deshalb sollten bei der Anwendung neben der üblichen Imkerschutzkleidung auch Schutzhandschuhe getragen werden (Emmerich, 2018).

2.2 Anwendung

Falls es nicht gelungen sein sollte, Bienenvölker mit organischen Säuren effektiv zu behandeln, können synthetische Behandlungsmittel z.B. als Nachbehandlung eingesetzt werden. Auch eine Notbehandlung im Frühjahr ist denkbar, jedoch ist dann für die folgende Saison keine Honigernte mehr möglich, um Rückstände auszuschließen. Die genauen Anwendungszeiträume, Dauer und Art der Anwendung entnehmen sie bitte der Packungsbeilage des jeweiligen Präparats.

Um die Wahrscheinlichkeit von Resistenzbildungen der Milben möglichst gering zu halten, sollten die Wirkstoffe bei Bedarf nur abwechselnd verwendet werden. Jahrelang den gleichen Wirkstoff zu verwenden, fördert die Resistenzbildung. Auch sollte das Wachs regelmäßig auf Rückstände untersucht werden.

Für Bio-zertifizierte Imkereibetriebe scheidet die Verwendung synthetischer Behandlungsmittel grundsätzlich aus, denn es ist per EU-Richtlinie verboten und betrifft somit alle Bio-Anbauverbände.

Bei der Verwendung ist der Anwenderschutz gemäß Packungsbeilage zu beachten, es sollten in jedem Fall Schutzhandschuhe getragen werden, um direkten Hautkontakt zu vermeiden.

Restmengen und gebrauchte Streifen von Varroaziden sind als Sondermüll zu entsorgen und dürfen nicht in die Umwelt oder den Hausmüll eingebracht werden. Die Wirkstoffe könnten sonst ins Grundwasser gelangen und Schäden an verschiedensten Organismen anrichten.

Tabelle 2: Übersicht zugelassener synthetischer Varroazide, Stand: 21.01.2022

Präparat/HerstellerWirkstoffAnwendungsformVoraussetzung
für effektive Behandlung
Verkaufsabgrenzung/
Anmerkungen
Bayvarol®
Bayer Vital
FlumethrinImprägnierte Streifen zum EinhängenNormale BrutaktivitätApothekenpflichtig
PolyVar® Yellow
Bayer Vital
FlumethrinImprägnierte Lochstreifen fürs FluglochNormale BrutaktivitätApothekenpflichtig,
ehemals „Varroa Gate“
Apitraz®
Laboratorios Calier
AmitrazImprägnierte Streifen zum EinhängenNormale BrutaktivitätVerschreibungspflichtig
Apivar®
Véto Pharma
AmitrazImprägnierte Streifen zum EinhängenNormale BrutaktivitätVerschreibungspflichtig

3. Weitere Informationen

Website des Bieneninstitut Kirchhain:
https://llh.hessen.de/bildung/bieneninstitut-kirchhain/

Website „Varroawetter“:
https://www.dlr.rlp.de/C1256EA7002BE0CB/0/10BD68B53277ACCBC1257B9B0035A22D

Zulassung von Tierarzneimitteln:
https://www.bvl.bund.de/DE/Arbeitsbereiche/05_Tierarzneimittel/01_Aufgaben/02_ZulassungTAM/tam_zulassung_node.html

 


Literatur:

Emmerich 2018: Zugelassene Arzneimittel für Honigbienen (Apis mellifera) in Deutschland; Berliner und Münchener Tierärztliche Wochenschrift 2018

 

 


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