Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen

Bieneninstitut Kirchhain

Pflanzenschutzmittel schwächen auch Wildbienen

Mauerbienen-Männchen sind stärker betroffen als Weibchen

In Deutschland gibt es über 560 Wildbienenarten. Im Gegensatz zu den staatenbildenden Honigbienen und Hummeln sind die meisten Wildbienen Einzelgänger – sie leben solitär. Ähnlich wie die Honigbienen haben Wildbienen eine große Bedeutung, denn sie bestäuben Nutz- und Wildpflanzen. Viele Wildbienenarten sind in den letzten Jahrzehnten in ihrem Bestand stark dezimiert worden. Neben dem Verlust von Lebensraum, Nahrung und Nistmöglichkeiten spielt die Belastung mit Pflanzenschutzmitteln (PSM) eine Rolle beim Rückgang der Wildbienen. Insbesondere PSM aus der Gruppe der Neonicotinoide, wie z.B. Thiacloprid, können das Immunsystem von Honigbienen schwächen. Im mittlerweile abgeschlossenen Projekt „Bienengesundheit & Neonicotinoide“ wurde deshalb untersucht, ob Thiacloprid auch das Immunsystem der Rostroten Mauerbiene Osmia bicornis beeinflusst.

Kürzlich konnte die Forschungsgruppe um Dr. Annely Brandt (LLH Bieneninstitut Kirchhain) beim renomierten Fachblatt Nature Scientific Reports einen Artikel veröffentlichen. Hier fassen wir Ergebnisse und Schlussfolgerungen zusammen.

Test unter Laborbedingungen

Beim Text wurden praxisrelevante Konzentrationen von Thiacloprid verwendet, wie sie in Mauerbienen-Nestern gefunden werden. Mauerbienen-Weibchen und ~Männchen wurden für drei Tage mit Thiacloprid (100 und 200 μg/kg in Pollen und Zuckerlösung, siehe Abb. 1) gefüttert. Danach wurden die Zahl der Immunzellen, die Fähigkeit zur Wundheilung, sowie die antimikrobielle Aktivität der Hämolymphe – der blutähnlichen Flüssigkeit der Bienen – gemessen.

Abb. 1 Mauerbienen bei der Aufnahme von Thiacloprid-haltiger Zuckerlösung; Foto: B. Hohnheiser

Die Dosis macht das Gift

Interessanterweise reagierten die Männchen empfindlicher auf die Thiacloprid-Behandlung als die Weibchen. Selbst die niedrigste Konzentration von Thiacloprid verringerte die antimikrobielle Aktivität der Hämolymphe, also die Fähigkeit des Immunsystems, eindringende Bakterien unschädlich zu machen. Auch die Zahl der Immunzellen war bei Thiacloprid-behandelten Männchen reduziert. Die viel größeren Weibchen zeigten keine negativen Auswirkungen des Neonicotinoids auf das Immunsystem. Erst eine höhere Konzentration (555 µg/kg Zuckerlösung) konnte die Immunabwehr der Weibchen schwächen. Interessanterweise fraßen die viel kleineren Männchen aber auch 2,7 mal mehr Zuckerlösung als die Weibchen. Deshalb nahmen sie auch eine höhere Dosis des Pflanzenschutzmittels auf.

PSM-Zulassungstests auf Männchen ausweiten

Dies ist die erste Untersuchung zur Wirkung von Neonicotinoiden auf das Immunsystem von Mauerbienen. Ähnlich wie bei Honigbienen wird auch die Immunabwehr von solitär lebenden Mauerbienen von Thiacloprid geschwächt.
Bisher werden bei den vorgeschriebenen behördlichen Zulassungstests für PSM nur Weibchen getestet. Die Männchen werden bislang nicht beachtet. Doch unsere Untersuchung zeigt, dass beide Geschlechter für eine Risikobeurteilung notwendig sind. Männchen sollten daher in Zukunft in die Risikobewertung einbezogen werden, da sie für die Fortpflanzung und damit für den Erhalt der Art unerlässlich sind.

Projekttitel
Untersuchung der Wechselwirkung von Stressoren auf die Immunabwehr und Krankheitsanfälligkeit von Honigbienen
Förderung
Gefördert durch die EU und das Land Hessen, gemäß der Richtlinie zur Förderung von Maßnahmen zur Verbesserung der Erzeugung und Vermarktung von Honig in Hessen
Projektleitung
Dr. Annely Brandt

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