Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen

Grünland & Futterbau

Nachsaaten im Wirtschaftsgrünland noch im Herbst einplanen?

Anders als im Vorjahr gab es im Jahr 2023 viele feuchtere Phasen, die sich positiv auf das Wachstum der Gräser ausgewirkt haben. Bereits der März war ungewöhnlich nass, und auch der April war in diesem Jahr so verregnet wie in den letzten 10 Jahren nicht mehr. Dies führte dazu, dass der 1. Schnitt auf vielen Flächen zu spät geerntet wurde, da eine Befahrbarkeit des Bodens vorher vielfach nicht gegeben war. Erst im Mai ging der Niederschlag landesweit zurück, und es setzte eine trockene Phase ein. Im Juni verstärkte sich die Trockenheit insbesondere in Südhessen, aber auch insgesamt in ganz Hessen blieb der Juni mit 38 l/m² deutlich unter den Erwartungen. Zu Beginn des letzten Monatsdrittels im Juli stellte sich dann eine unbeständige Westwetterlage ein, und es wurde deutlich kühler und auch nasser. Diese Periode reichte dann bis in den August. Im Verlauf des Monats wurden in Hessen 130 l/m² (DWD 2023) verzeichnet. Der August war in Hessen damit der niederschlagsreichste seit 2010.

In der ersten Septemberhälfte wurden viele Grünlandbestände zum vierten Mal geschnitten, damit stellt sich nun vielfach die Frage, ob eine Nachsaat zur Bestandesverbesserung erfolgen sollte.

Grünland im Spätsommer und Herbst im Blick behalten

Die vergangenen Jahre haben das Grünland vor große Herausforderungen gestellt. Langanhaltende Trocken- und Hitzeperioden führten zu Ertragsausfällen und Narbenschäden. Unerwünschte Kräuter profitierten davon und wanderten in die Grasnarbe ein. Zudem traten verstärkt Schäden durch Feldmäuse auf, die u.a. durch ausbleibende Winter profitierten. Daher lohnt sich nach wie vor ein wachsames Auge auf die Bestände, um eine deutliche Verschlechterung zu verhindern.

Sind Lücken durch Mäuse oder Trockenheit entstanden, steigt das Risiko, dass sich unerwünschte Arten leichter ausbreiten können
In lückigen Narben breitet sich der Ampfer rasant aus

Grundsätzlich versprechen die aktuellen Boden- und Witterungsbedingungen derzeit gute Bedingungen für Nachsaaten im Grünland.

Bei einer Nachsaat im Herbst unterstützen die nächtliche Taubildung und Tagestemperaturen unter 25°C den Keimprozess. Daher sollte der optimale Saatzeitpunkt vor dem Einsetzen des Regens im Herbst nicht verpasst werden. Grundsätzlich können Nachsaaten in Mittelgebirgslagen je nach Standort noch bis Mitte/Ende September erfolgen. Vor Winter müssen die nachgesäten Gräser die Möglichkeit haben, noch das Dreiblatt-Stadium zu erreichen. Auch spätere Nachsaaten können funktionieren, dann steigt allerdings das Risiko von Auswinterungsschäden.

Um die richtige Maßnahme zu treffen, müssen die Grünlandbestände genau kontrolliert werden. Dennoch bedarf es meist situations- und einzelflächenbezogener Empfehlungen, denn die Schadenssituation auf dem Grünland kann sich regional sehr unterschiedlich darstellen. Ein Anhaltspunkt bei der Entscheidung, ob eine Nachsaat durchgeführt werden sollte, bietet der Lückenanteil bzw. der Unkrautbesatz einer Fläche. Bei einem Lückenanteil/Unkrautanteil von > 20 % sollte durch eine Nachsaat eine Verbesserung des Bestandes erfolgen. Dazu sind Saatstärken von 20 (- 25) kg/ha notwendig. Bei einem Lückenanteil/Unkrautanteil von < 20 % ist hingegen eine Übersaat ausreichend. Die Übersaat dient vorbeugend dem Schließen von Lücken bei Flächen, die einen erhaltungswürdigen Grünlandbestand haben. Hier genügen Saatstärken von 5 – 10 kg/ha. Neuansaaten sind erst ab einem Lücken-/Unkrautanteil von deutlich über 50 % anzuraten, denn das Ansaatrisiko ist hier besonders groß. Dabei ist eine Ansaat im Frühjahr in der Regel am sichersten. Durch zunehmende Frühjahrstrockenheiten ist der Zeitpunkt der Neuansaat je nach Standort allerdings gut zu überlegen.

Die Wahl der Maßnahme hängt von der Schädigung der Grasnarbe ab

Lücken-UnkrautanteilMaßnahme
bis 20 %Übersaat
mehr als 20 %Nachsaat
deutlich mehr als 50 % (je nach Standort mehr)Neuansaat

Wenigstens 15 % – 20 % Lücken sind Grundvoraussetzung für den Erfolg einer Nachsaat. Bei verfilzten Narben trägt daher u.a. die Technik entscheidend zum Nachsaaterfolg bei. Soll die Gemeine Rispe zurückgedrängt werden, dann ist es erforderlich vor der Nachsaat mit dem Grünlandstriegel möglichst große Teile dieser leistungsschwachen Art herauszustriegeln, und von der Fläche zu entfernen. In lückige Narben kann hingegen oft auch ohne vorherige Bearbeitung gesät werden. Für sogenannte Reparatursaaten werden häufig Scheiben- oder Schlitzdrillgeräte eingesetzt. Sie fördern das Einbringen der Saat in den Boden und sichern so den Bodenkontakt. Wichtig ist außerdem, dass eine Nachsaat nicht auf frisch mit Gülle gedüngten Flächen erfolgt und auf Nachsaatflächen möglichst keine Gülledüngung mehr in diesem Jahr erfolgen wird. Außerdem ist bei einer verlängerten Vegetationsperiode ein Schröpfschnitt im (Spät-)Herbst einzuplanen.

Sortenwahl nicht vernachlässigen

Leider ist das Sortenbewusstsein für Arten des Dauergrünlandes häufig nicht besonders ausgeprägt. Dabei steckt in der Sortenwahl ein riesiges Potential im Hinblick auf Ausdauer, Ertrag und Ertragsstabilität. Durch die Sortenempfehlung der „Mittelgebirgs-Länder“ wird die Auswahl von Sorten ermöglicht, die am besten für das Dauergrünland im Mittegebirgsraum geeignet sind. Daher lohnt sich schon vor dem Kauf einer Nachsaat- oder Neuansaat-Mischung ein Blick auf das Etikett, die Mischungsbeschreibung oder den Sackanhänger, um die richtige Mischung mit empfohlenen Sorten auszuwählen. Die Sortenempfehlungen beruhen auf langjährigen Ausdauerprüfungen der Arbeitsgemeinschaft zur Koordinierung von Grünlandversuchen in Mittelgebirgslagen der Bundesländer Hessen, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Thüringen und Sachsen sowie der Wallonie. Um zu ermitteln, wie lange sich die einzelnen Sorten der verschiedenen Grünland-Arten in den Mischungen behaupten können, führt die Arbeitsgemeinschaft der Bundesländer die Prüfungen unter Praxisbedingungen durch. Die Ergebnisse dieser sogenannten Ausdauerprüfungen münden in die gemeinsame Sortenempfehlung der benachbarten „Mittelgebirgs-Länder“ und sind die Basis für Qualitäts-Standard-Mischungen (QSM) im Dauergrünland.

Siehe Mischungs- und Sortenempfehlungen

Sortenempfehlung Grünland 2022 – 2023

Reifegruppe/ Reifezahl
früh / 1-3mittel / 4-6spät / 7-9
Deutsches Weidelgras
Artesia tActiva tAkurat t
Arvicola tAlligator tArusi t
Ferris tArsenalBarpasto t
Giant tAstonhockey tChouss t
Karatos tBarcampo tIrondal t
KilianBirtley tKentaur t
MaravaCantalou tLogique t
Mirtello tDexter 1 tNavarra t
Salmo tOvambo 1 tNovello t
RodrigoPolim t
Soraya tSerafina t
Tribal tValerio t
Trivos t
Triwarwic t
Wiesenschwingel
BarvitalCosmopolitanCosmolit
CosmonautLiheroldPardus
Pradel
Wiesenlieschgras
ClassicComerPhlewiola
PolarkingRasantSummergraze
Knaulgras für Wiesen und Mähweiden
AldebaranBaraulaDonata
LidactaRevolin
Knaulgras für Weiden
AldebaranBaraulaBarlegro
Wiesenrispe
ChesterLatoLiblue
Likollo
Rotschwingel
GondolinRafael
Reverent
Roland 21
Rotklee
Carbo tColumbaFregata t
KallichoreLarus tMerula
MilvusSemperina
Glatthafer, Weißes Straußgras, Weißklee,
Wiesenfuchsschwanz, Luzerne, Schweden-, Horn- und Gelbklee
Alle in der aktuellen Beschreibenden Sortenliste Futtergräser, Esparsette, Klee, Luzerne aufgeführten Sorten

t = tetraploide Sorte

Bei der Artenwahl die Standortbedingungen berücksichtigen

Qualitäts-Standard-Mischungen für Weiden, Mähweiden und Wiesen

Weiden und MähweidenWiesen
G IG IIG IIoG IIIG IVG VGVkG VIG VIIG VIIIG IXG X
Artenkg/hakg/hakg/hakg/hakg/hakg/hakg/hakg/hakg/hakg/hakg/hakg/ha
Dt. Weidelgras
früh144654
mittel156654
spät1568810102
Wiesenschwingel14661315105
Lieschgras555555531
Wiesenrispe3333345355
Rotschwingel312366
Knaulgras124
Weißklee22222222
Glatthafer3
Wiesenfuchsschwanz2
Weißes Straußgras1
Rotklee21
Schwedenklee2
Luzerne1
Hornklee22
Gelbklee1
Aussaatmenge303030303020202030303025
G I
für frische bis feuchte Lagen bei geringer bis mittlerer Nut­zungshäufigkeit (drei), Schnittnutzung und Beweidung
G II
für alle Lagen bei hoher Nutzungs­häufigkeit (drei bis fünf), Beweidung und/oder Schnittnutzung
G IIo
für Lagen bei intensiver Nutzung, speziell für Flächen, die in der Etablierungsphase einen Herbizideinsatz erwarten lassen
G III
für alle Lagen bei sehr hoher Nutzungshäufigkeit, Weiden, Mähstandweiden; für Mittelgebirgslagen nicht empfohlen
G IV
für austrocknungsgefährdete und sommer-trockene Standorte
G V
für Nachsaat in lückige Narben, und für Übersaaten zur Narbenstabilisierung
G Vk
für die Nachsaat lückiger Narben, speziell für Flächen, die in der Etablierungsphase einen Herbizdeinsatz erforderten
G VI
für extensiv bewirtschaftetes Grünland, vorwiegend Weidenutzung (Jungviehweiden)
G VII
für nasse und wechselfeuchte, auch zeitweise überflutete Stand­orte
G VIII
für feuchte Standorte bzw. Standorte mit günstiger Wasserversorgung und für Höhen­lagen
G IX
für frische und wärmere Standorte
G X
für trockene Standorte

In dem Konzept der Qualitäts-Standard-Mischungen (QSM) stehen insgesamt 12 verschiedene Grünlandmischungen für unterschiedliche Standort- und Nutzungsansprüche zur Verfügung. Diese Mischungen enthalten die für das Wirtschaftsgrünland typischen Arten mit unterschiedlichen Standort- und Nutzungseigenschaften.

Für Nachsaaten wird die Mischung GV empfohlen, denn um sich gegen die Altnarbe durchzusetzen, ist eine gute Konkurrenzkraft der nachgesäten Mischung erforderlich. Eine Voraussetzung, die hauptsächlich das Deutsche Weidelgras erfüllt. Die in vielen Bundesländern empfohlene Nachsaat-Mischung GV besteht aus reinem Deutschen Weidelgras und setzt sich zusammen aus 50% späten, 25% mittelfrühen und 25% frühen Sorten. Ihr Einsatzgebiet sind lückige Narben, sowie Übersaaten zur Narbenstabilisierung. In der zweiten empfohlenen Nachsaat-Mischung GVk ist zusätzlich ein Weißklee-Anteil enthalten. Sie wird beispielsweise auf Flächen eingesetzt, auf denen in der Etablierungsphase ein Herbizideinsatz erforderlich war.

Unter besonderen Verhältnissen können außer dem Deutschen Weidelgras weitere Arten für die Über- bzw. Nachsaat mit einem etwas höheren Ansaatrisiko eingesetzt werden. Bei großen Lücken wie z.B. nach starken Mäuseschäden, nach Trockenschäden oder bei extensiverer Nutzung haben auch weniger konkurrenzstarke Arten wie der Wiesenschwingel und das Wiesenlieschgras gute Chancen sich im vorhandenen Bestand erfolgreich zu behaupten. Auf sehr trockenen Standorten kann das Knaulgras ähnliches erreichen. Diese Arten sollten allerdings nicht zu spät und damit bestenfalls spätestens bei passenden Bedingungen im Spätsommer nachgesät werden. Eine verspätete Nachsaat erhöht hier das Ansaatrisiko maßgeblich.

In der Regel ist es nicht sinnvoll, eigene Mischungen anfertigen zu lassen. In einzelnen Fällen kommt aber die Etablierung von Einzelarten in Betracht, zum Beispiel mit dem Ziel trockenheitsverträgliche Arten gezielt in den Bestand zu etablieren. Neben der Nachsaat von Einzelarten, kann außerdem auch eine Ergänzung der Nachsaat-Mischung GV durch die genannten Arten sinnvoll sein. Auch in diesem Fall sind pauschale Empfehlungen, wie so häufig im Grünland, nicht sinnvoll, sondern es sollten einzelflächenbezogene Empfehlungen angestrebt werden.


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