Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen

Dauergrünland

Die Mahd steht vor der Tür: Methoden zur Kitzrettung

Der 1. Schnitt im Grünland rückt näher und damit auch die Frage nach effektiven Methoden zum Schutz von Wildtieren während der Mahd von Futterflächen. Besonders gefährdet sind junge Rehkitze, da sie bei drohender Gefahr in der Deckung verharren und dann nicht selten dem Mähwerk zum Opfer fallen. Daher spielt das Thema Kitzrettung vor allem bei der Frühjahrsmahd von Wiesen und Feldfutterflächen eine große Rolle. Auch aus Gründen der Futterhygiene (Botulismus), haben die Bewirtschaftenden ein Interesse daran, Wildtierschaden zu vermeiden.

Im folgenden Beitrag werden einzelne Methoden zur Wildtierrettung erläutert, aber auch deren Grenzen aufgezeigt. Die Entscheidung, welche Maßnahmen/-kombinationen angewendet werden, hängt vom Standort, Flächenzuschnitt, Lage zu Wald/Verkehr etc. ab und obliegt den Bewirtschaftenden. Bei der Planung und Durchführung geeigneter Maßnahmen stehen Landwirte und Jagdpächter gleichermaßen in der Pflicht. Zunehmend engagieren sich auch Ehrenamtliche, die sich regional in speziellen Vereinen organisieren (z.B. www.diekitzretter.de) oder auf Online-Plattformen (z.B. www.rehkitzretter.eu) kontaktiert werden können.

Vergrämen vor der Mahd

Besonders gefährdet sind junge Rehkitze, da sie bei drohender Gefahr in der Deckung verharren und nicht fliehen
Im Frühjahr sollte 24 Stunden vor der Mahd mit Vergrämungsmaßnahmen begonnen werden, da vor allem junge Kitze bei Gefahr bewegungslos im Bestand verharren und keinen Fluchtinstinkt besitzen. Dieses Verhalten wird auch als „Drücken“ bezeichnet. Außerdem geben die Tiere keine Witterung ab. Zwei effektive Abwehrmethoden gegen Fressfeinde, die aber leider auch dazu führen, dass die Kitze schwer im Bestand ausfindig zu machen sind. Wird zu früh mit der Vergrämung begonnen, kann bei den Tieren ein Gewöhnungseffekt einsetzen. Liegt die Vergrämung zeitlich zu nah an der Mahd, hat die Ricke keine Gelegenheit mehr das Kitz aus dem Bestand zu führen. Genau hier liegt aber der entscheidende Vorteil der Vergrämung gegenüber dem Aufspüren der Kitze mittels absuchen oder Drohnen – es findet kein direkter Kontakt zwischen Mensch und Tier statt.

Wird der Bestand am Vortag von Menschen mit Hunden durchlaufen, hinterlassen beide entsprechende Witterung. Dies irritiert besonders junge und unerfahrene Ricken, sodass das Kitz meist über Nacht aus dem Bestand geführt wird.

Eine mögliche Maßnahme ist auch das sogenannte Anmähen von Teilflächen am Vortag, in der Hoffnung, dass sich die Ricke hiervon ausreichend gestört fühlt und das Kitz aus der Fläche holt. Die vorgemähten Bereiche sollten allerdings nicht zu breit sein und nicht um die gesamte Fläche herumführen. Nur wenn ausreichend Deckung verbleibt, wird das Wild bereit sein, die Futterfläche über die entsprechend ausgesparten Korridore zu verlassen. Außerdem besteht bereits beim Anmähen die Gefahr, ein Kitz zu erwischen, weshalb diese Methode unter Experten als nur bedingt zielführend gilt.

Gute Erfolge werden mit der Kombination von optischen und akustischen Reizen erzielt. Neben den klassischen Knistertüten, Flatterbändern oder Luftballons, werden mittlerweile auch speziell entwickelte Vergrämungsgeräte (z.B. KR01 NaturTech Oberland) auf dem Markt angeboten, die deutlich effektiver sein sollen und Wirkungsgrade von etwa 90 % versprechen. Zu den Qualitätsmerkmalen der Geräte zählen neben einer langen Batterielaufzeit auch die benutzerfreundliche Bedienung. Mittels Ton- und Lichtsignal wird das Wild irritiert und zur Flucht animiert. Unterschiedliche Pausenintervalle sollen dem Gewöhnungseffekt vorbeugen und bieten außerdem der Ricke ein Zeitfenster, um das Kitz störungsfrei aus dem Bestand zu führen. Auf nah an der Bebauung gelegenen Flächen oder an Standorten auf denen Störgeräusche (Hochspannungsleitungen, Straßen etc.) üblich sind, können allerdings nicht immer die gewünschten Erfolge erzielt werden. Auch wenn der Vergrämer zu nah an einem abgelegten Kitz platziert wird, kann es sein, dass sich die Ricke nicht mehr nahe genug herantraut und das Kitz dann auf der Fläche verbleibt. Die Flächenleistung liegt bei etwa 3 ha/ Gerät, je nach Flächenzuschnitt, Landschaftsstruktur und Gelände. Die Anschaffungskosten bei etwa 100 €. Tipps zur richtigen Platzierung der Geräte finden sich u. a. unter https://diekitzretter.de/unser-service/.

Absuchen direkt vor der Mahd

Beim Absuchen der Fläche direkt vor der Mahd sind ausreichend Helfer nötig, da die Kitze meist erst entdeckt werden, wenn man fast drauftritt.

Sinnvoll sind auch Wärmebildkameras, besonders in Kombination mit speziellen Drohnen. Während handgeführte Wärmebildkameras den Bestand seitlich erfassen, ermöglichen Drohnen das Aufspüren von oben. Dies erhöht die Trefferquote, vor allem in dichten, hohen Aufwüchsen, wie sie bei der Heumahd üblich sind. An heißen Tagen ist es sinnvoll, die Flächen sehr früh am Morgen abzufliegen, wenn sich die Körpertemperatur des Tieres noch deutlich von der Umgebungstemperatur unterscheidet. Drohnen, die mit leistungsfähigen Wärmebildkameras ausgerüstet sind, erfordern allerdings entsprechende Investitionen, ab etwa 7.500 € aufwärts. Im letzten Jahr konnten eingetragene Vereine die Anschaffung von Drohnen zur Rehkitzrettung mit bis zu 4.000 € pro Drohne gefördert bekommen. 722 Förderanträge sind im Jahr 2021 bei der Bundesanstalt für Ernährung und Landwirtschaft eingegangen. In einzelnen Bundesländern (z.B. NRW) wird die Förderung in 2022 fortgesetzt. Da für Drohnen, die schwerer als 500 g sind (ab dem 01.01.2023 schwerer als 250 g) ein Pilotenschein erforderlich ist, werden neben den Anschaffungskosten nochmal ca. 380 € Lizenzgebühren fällig. Nicht selten fehlt es zum passenden Zeitpunkt an geeigneten Piloten.

Wurde das Kitz aufgespürt, muss es aus dem Bestand getragen werden. Dies birgt immer auch das Risiko, dass die Ricke es im Nachhinein nicht mehr problemlos annimmt. Daher sollte das Tier nie direkt berührt, sondern mit einem Bündel voll Gras aufgehoben und rausgetragen werden.

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Maßnahmen während der Mahd

Mahd von innen nach außen in Waldnähe

Im Grundsatz gilt: Gemäht wird von innen nach außen! Hierbei wird dem Tier die Flucht ermöglicht. Andersherum würde das Wild in die Mitte getrieben werden. Für lange Flächen bietet sich eine seitliche Mähstrategie an (z.B. von links nach rechts). Dann können die Tiere seitlich aus der Fläche flüchten.

Schallkanonen und Warnsirenen, die direkt auf dem Schlepper montiert werden, treiben vor allem ältere Kitze aus der Deckung. Diese sind bereits mobiler und fliehen daher auch selbstständig, ohne Ricke. Die Technik eignet sich demnach vor allem auf spät gemähten Heuflächen oder in den Folgeschnitten.

Eine weitere Option sind Mähwerke mit entsprechender Sensortechnik. Sobald der Sensor ein Tier erkennt, wird das Mähwerk automatisch angehoben. Damit das Tier im Anschluss jedoch nicht überfahren wird, muss der Fahrer noch rechtzeitig bremsen können. Die demzufolge langsame Überfahrt begrenzt wiederum die Flächenleistung. Eine Geduldsprobe – zumal die Futterernte ohnehin nicht selten recht stressig abläuft (Wetterlage, Silo rechtzeitig abdecken etc.).

Fazit

Abschließend ist festzustellen, dass mit keiner der genannten Strategien Wildunfälle gänzlich ausgeschlossen werden können. Umso wichtiger ist es daher, die Maßnahmen auf die jeweiligen Standortbedingungen abzustimmen, um einen sowohl effektiven als auch finanziell, organisatorisch und arbeitswirtschaftlich vertretbaren Wildschutz während der Grünlandernte zu gewährleisten.


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