Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen

Dauergrünland

Insektenfreundlich mähen – geht das?

Scheiben- und Trommelmähwerke sind mittlerweile fester Bestandteil einer modernen Grünlandbewirtschaftung. Sie sind schlagkräftig und wartungsarm und haben so in den vergangenen Jahrzehnten die früher übliche Messerbalkentechnik nahezu vollständig aus den Maschinenparks verdrängt.

Mit ihren hohen Flächenleistungen legen sie die Grundlage für eine rationelle Futterwerbung in Grünland und Ackergras. Problematisch können diese Mähwerke jedoch für Insekten werden: Die schnelle Rotation der Trommeln bzw. Scheiben erzeugt eine Sogwirkung, sodass viele Tiere in die Messer geraten und getötet oder geschädigt werden. Das Bild einer mit Insekten verklebten Mähwerksschürze kennt wohl jeder Praktiker. Heutzutage mögliche Fahrgeschwindigkeiten von 15 km/h und mehr sowie große Arbeitsbreiten machen es für die Tiere deutlich schwieriger zu fliehen, niedrige Schnitthöhen erfassen auch die bodennahe Fauna. Je nach Tierart und eingesetzter Technik werden zwischen 11 und 60 % der Insekten bei der Mahd verletzt oder getötet.  Wenn Landwirte beim Mähen etwas für die Insekten tun wollen, gibt es einiges, worauf sie achten können. Im Folgenden wird eine Übersicht möglicher Maßnahmen gegeben:

  • Langsamer fahren: es werden Geschwindigkeiten von 10-12 km/h empfohlen, um die Sogwirkung zu reduzieren und den Insekten Zeit zur Flucht zu geben. Bei langsamer Fahrt kann auch ein „Insektenretter“ in Form eines Metallbügels zum Einsatz kommen, der mit ca. einem Meter Abstand vor dem Mähwerk installiert wird. Dieser schreckt die Tiere auf und ermöglicht ihnen die Flucht, noch bevor die Messer zur Stelle sind.
  • Früh morgens oder spät abends mähen: Dies empfiehlt sich besonders bei blütenreichen Flächen, etwa zum 1. Schnitt, auf Heuwiesen oder in Beständen mit einem hohen Weißkleeanteil sowie auf Schlägen, die einer Förderung im Rahmen des HALM-Programms unterliegen. In den Morgen- und Abendstunden befinden sich weniger blütenbesuchende Insekten wie Honig- und Wildbienen oder Schmetterlinge in den Flächen. Ihre „Hauptflugzeit“ im Sommer liegt etwa zwischen 8 und 18 Uhr. Ob die Mäharbeit außerhalb dieses Zeitfensters erfolgen kann, hängt natürlich von vielen betriebsindividuellen Faktoren wie etwa Maschinenverfügbarkeit, Melkzeiten, der vorhandenen Beleuchtung oder auch von den Wetterverhältnissen ab. Wer es aber einrichten kann, erhält hiermit eine verhältnismäßig einfach umsetzbare Maßnahme, um weniger Insekten zu schädigen.
  • Die Schnitthöhe anpassen: Wer auf 10 cm abmäht, erfasst weniger Insekten als bei Schnitthöhen von 8 oder gar 5 cm. Dies bietet auch noch einen weiteren Vorteil: Die Grasnarbe hat mehr Assimilationsfläche zur Verfügung, wird weniger stark beschädigt und kann sich dementsprechend schneller erholen. Vor dem Hintergrund des Klimawandels und zunehmender Trockenheit kann dies den durch die größere Schnitthöhe entgangenen Ertrag durchaus ausgleichen.
  • Altgrasstreifen stehen lassen: Meist mähen Landwirte einer Region ihr Grünland mehr oder weniger gleichzeitig. So bietet sich den Insekten keine Möglichkeit, auf andere Schläge auszuweichen. Wer bei der Mahd immer wieder einzelne Streifen stehen lässt, bietet den Tieren einen Rückzugsort, in den sie sich vor dem Mähwerk flüchten können. Untersuchungen ergaben, dass besonders Heuschrecken hiervon profitieren können. Von diesen Altgrasstreifen aus wird die Gesamtfläche nach der Mahd wieder besiedelt (Humbert et al. 2010: Hay harvesting causes high orthopteran mortality in Agriculture, Ecosystems & Environment): . Beim nächsten Schnitt werden sie dann wieder mitgemäht, während an anderer Stelle der Aufwuchs stehengelassen wird. So ergibt sich eine Art Mosaik auf der Fläche. Altgrasstreifen sollten etwa 5-10% des Schlages ausmachen. Um die Einbußen gering zu halten, können sie auf den weniger ertragreichen Teilflächen angelegt werden. Lässt man sie auch über den Winter stehen, bieten sie zudem vielen Arten einen guten Ort zum Überwintern.
  • Das Befahrmuster anpassen: Nicht nur fluchtfähige Kleinsäuger und Amphibien werden bei der klassischen Beetmahd im letzten Streifen zusammengetrieben, aus dem sie nicht mehr fliehen können, sondern auch viele mobile Insektenarten. Daher kann es sinnvoll sein, einen Schlag entweder von innen nach außen oder von einer Seite zur anderen zu mähen. Lässt man dann zwischendurch oder am Ende Schutzstreifen stehen, können viele Tiere vor dem Mähtod bewahrt werden. Es gibt Versuche, die zeigen, dass solche Befahrmuster sich bezüglich Wendezeiten und somit Arbeitskosten nicht von der Beetmahd unterscheiden, es entsteht also kein wirtschaftlicher Nachteil.
  • Auf den Aufbereiter verzichten: Zinken- und Walzenaufbereiter bieten eindeutige Vorteile, wenn es darum geht, die Feldliegezeit des Schnittguts zu verkürzen und die Silierfähigkeit zu verbessern. Gerade bei engen Wetterfenstern kann dies sehr nützlich sein, zudem kann meist auf das Zetten (Wenden) verzichtet werden. Für Insekten dagegen ist ein Aufbereiter nachteilig: Kommt er zum Einsatz, werden etwa 2-3-mal mehr Individuen getötet als ohne ihn. Hier könnte ein Kompromiss gefunden werden: in intensivem, vielschürigem Wirtschaftsgrünland finden sich meist wenig blühende Pflanzen und folglich auch kaum blütenbesuchende Insekten. Hier könnte man also für beste Silagequalitäten mit Aufbereiter mähen, während man bei der Heugewinnung in blütenreichen Beständen im Gegenzug auf einen Einsatz verzichtet.

Das Beste für Insekten: Der Messerbalken

Trecker mit Messerbalkenmähwerk bei der Grünlandmahd
Messerbalkenmähwerk, Detail

Vor allem die älteren Berufskollegen werden sich noch gut an sie erinnern: Die Messerbalken, mit denen vor dem Siegeszug der Rotationsmähwerke das Grünland geschnitten wurde. Es gibt sie entweder mit Fingerbalken- oder mit Doppelmessertechnik. Bei einem Fingerbalkenmähwerk arbeitet nur ein oszillierendes Messer, während die Gegenschneide starr ist. Ein Doppelmessermähwerk zeichnet sich dagegen durch zwei gegeneinander laufende Messer aus. Sie schlagen das Mähgut nicht wie Scheiben- und Trommelmähwerke ab, sondern schneiden es auf der eingestellten Höhe sauber ab, ähnlich einer Schere. Die Pflanzen werden nicht durch das Mähwerk gezogen, sondern fallen an Ort und Stelle um. Auch eine rotationsbedingte Sogwirkung bleibt aus. All das macht die Technik deutlich weniger gefährlich für Insekten. Verschiedene Untersuchungen zeigen, dass beim Einsatz von Messerbalken nur etwa halb so viele Insekten zu Schaden kommen wie bei rotierenden Mähwerken.

Der Ruf der Technik, veraltet zu sein und keine Schlagkraft zu besitzen, gilt zudem heute nicht mehr. In den letzten Jahren haben unterschiedliche Hersteller moderne Balkenmähwerke auf den Markt gebracht, die in Sachen Arbeitsbreite und Schlagkraft durchaus an Rotationsmähwerke herankommen können, etwa in Ausführung eines Frontschmetterlings mit 9,50 m Arbeitsbreite. Bei guten Bedingungen sind hiermit Fahrgeschwindigkeiten bis zu 12 km/h möglich. Weitere Ausführungen sind Front- und Heckmähwerke sowie Kombinationen daraus. Neben einer insektenschonenden Mahd gibt es weitere Aspekte, die für den Einsatz oszillierender Mähtechnik sprechen:

  • Messerbalken sind deutlich leichter als Trommel- oder Scheibenmähwerke und sie haben einen geringeren Leistungsbedarf. Als Richtwert gelten 2 PS pro Meter Arbeitsbreite, also ein Bruchteil der Leistung, die für Rotationsmähwerke nötig ist. Somit können kleinere und leichtere Schlepper eingesetzt werden, womit der Boden geschont wird. Der Dieselverbrauch reduziert sich zudem erheblich.
  • Das geringere Gewicht verbessert die Hangtauglichkeit.
  • Weil das Futter gleich einer Schere geschnitten und nicht abgeschlagen wird, werden die Pflanzen weniger stark verletzt. In der Folge erholt sich der Bestand zügig und treibt schneller wieder aus.
  • Beim Mähen wird weniger Schmutz aufgewirbelt. Somit erhält man saubereres Futter.
  • Das Mähgut liegt nach dem Schneiden bereits breitverteilt auf dem Boden, Zetten ist nicht notwendig.
  • Beim Fronteinsatz hat man das gesamte Mähwerk stets gut im Blick. Somit kann man Gefahren schnell erkennen und muss sich nicht permanent umdrehen.
  • Wenn man doch mal einen Stein übersieht: Moderne Balkenmähwerke sind mit einem Überlastungsschutz ausgestattet und Sie klappen bei Kontakt nach hinten oder oben weg.
  • Die Lärmbelastung ist deutlich geringer, zudem besteht weniger Unfallgefahr durch weggeschleuderte Steine oder Fremdkörper.

Natürlich gibt es auch Argumente, die gegen oszillierende Mähwerke sprechen. Hierzu gehört vor allem der Anschaffungspreis. Dieser liegt in etwa auf dem Niveau von Rotationsmähwerken, wobei die Schlagkraft aber trotz aller technischen Fortschritte geringer ist. Zudem neigen Messerbalken besonders in mastigen oder lagernden Beständen zum Verstopfen. Auch der Wartungsaufwand ist vergleichsweise höher: besonders für das Schärfen und Wechseln der Messer muss viel Zeit aufgewendet werden. Mittlerweile gibt es aber vollautomatische Schleifautomaten, die diese Arbeit übernehmen.

Trotz aller Vorteile: für viele Landwirtinnen und Landwirte wird eine komplette Umstellung vorerst nicht gänzlich attraktiv sein. In solchen Fällen wäre es aber zum Beispiel denkbar, in Kooperation mit Berufskollegen, Nachbarn oder dem Maschinenring einen Messerbalken anzuschaffen. Mit diesem könnten dann ausgewählte Schläge mit hoher Biodiversität gemäht werden, während auf dem intensiven Wirtschaftsgrünland und Ackergrasschlägen weiterhin Rotationsmähwerke und Aufbereiter zum Einsatz kommen. In einem solchen Verbund könnte man auch einen Schleifautomaten für die Messer anschaffen und sich die Kosten teilen.

Förderungen im HALM-Programm

Wer an einem der HALM-Programme B.1 „Ökologischer Landbau“, D.1 „Grünlandextensivierung“ oder D.2 „Bodenbrüterschutz“ teilnimmt, kann sich im Rahmen der in Punkt H.1 aufgeführten „Naturschutzfachlichen Sonderleistungen (NSL) auf Grünland“ dein Einsatz oszillierender Mähtechnik fördern lassen. In der Anlage 9.1 sind die NSL genauer definiert. Hier ist in Säule 2 Technik der „Einsatz sonstiger aufwändiger Spezialtechnik“ aufgeführt, zu der in Stufe 1 Balkenmähwerke zählen. Einzeln entspricht diese Maßnahme einem Prämiensatz von 60 €/ha, wer mehrere Komponenten der Naturschutzfachlichen Sonderleistungen kombiniert, kann ein maximales Fördervolumen von 270 €/ha erzielen. Auch das Stehenlassen von Altgrasstreifen ist eine solche Sonderleistung und somit im Rahmen des HALM-Programms förderfähig.


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