Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen

Futterbau

Biodiversität im Ackerfutter

Kräuter ertragsbildend etablieren – eine Frage der Technik?

Die Intensivierung der landwirtschaftlichen Flächennutzung erbrachte Arbeitserleichterungen, hohe Erträge und günstige Verbraucherpreise, jedoch auch einen Rückgang der ursprünglichen Artenvielfalt der Kulturlandschaften. Demnach fokussiert sich die Förderpolitik für die Landwirtschaft zunehmend auf den Erhalt der Biodiversität und unterstützt dabei zahlreiche Maßnahmen.

Im Ackerfutterbau gibt es auch abseits der Förderung praktikable Wege zur Unterstützung einer vielfältigen Vegetation und Insektenwelt. So trägt beispielsweise das Stehenlassen einzelner Altgrasstreifen sowie die Mahd mit geringerer Geschwindigkeit und abseits der Hauptflugzeit zum Insektenschutz bei. Durch Düngefenster können partiell kräuterreichere Bestände etabliert werden.

Ein weiterer, bislang wenig verbreiteter Ansatz zur Förderung der Biodiversität ist die Aussaat von artenreichen Ackerfuttermischungen. Artenreich bedeutet in diesem Zusammenhang, bewährte Mischungen von Gräsern, Rotklee oder Luzerne um zusätzliche Komponenten aus der Artengruppe der Kräuter und der Feinleguminosen zu erweitern. Auf knapp 6 % der hessischen Ackerfläche wurde im Jahr 2021 auf 26.400 ha Feldfutter (ohne Silomais) angebaut. Die meist über- bis mehrjährigen Kulturen bieten somit ein großes Potential für den gezielten Einsatz von Spitzwegerich, Futterzichorie, Hornklee und Co.

Vorteile und Herausforderungen

Wurzeln von li. nach re.: Futterzichorie, Luzerne und Rotkleegras; Foto: Matthias König & Martin Himmelmann

Kräuter und Leguminosen bieten zahlreiche acker- und futterbauliche Vorteile. Sie sind schmackhaft und durch den hohen Gehalt an Mineral- und sekundären Pflanzenstoffen zudem in der Lage die Tiergesundheit zu fördern. Durch die zum Teil starke und tiefe Durchwurzelung wird der Boden aufgelockert und Wasser aus tieferen Bodenschichten erschlossen, was dabei hilft den Ertrag in Trockenphasen abzusichern. Eine gut abgestimmte und etablierte artenreiche Mischung bietet zudem auch einen Schutz vor Ertragseinbußen durch Krankheiten und Schädlinge und erweitert das Nahrungsangebot für zahlreichen Insekten.

Gleichzeitig bringt die Integration von Kräutern und weiteren Leguminosen in das Ackerfutter einige Herausforderungen mit sich. Angefangen bei den Kosten und der Verfügbarkeit des entsprechenden Saatgutes bis hin zu den teilweise stark unterschiedlichen Standortansprüchen der eingesetzten Gemengepartner. Die Ausnahme sind Zuchtformen des Spitzwegerichs und der Futterzichorie (Cichorium intybus, auch als Wegwarte bekannt). Diese haben mittlerweile das Potential, sich ohne Ertragseinbußen mehrjährig in einer Standard-Kleegrasmischung zu behaupten, was in einer vierjährigen Feldstudie an der Universität Kiel untersucht wurde. Abseits davon leiden die meist langsamer und weniger üppig wachsenden Kräuter und Feinleguminosen aber unter der Konkurrenz wüchsiger Mischungspartner oder vertragen die üblichen Nutzungsintensitäten nicht. Das natürliche Habitat vieler Kräuter und einiger Leguminosen ist geprägt von Licht, Platz, Wärme und Nährstoffarmut. Also all dem, was sie auf einer Ackerfutterfläche in der Regel nur schwer bekommen. Zudem beeinflussen viele Faktoren die Entwicklung eines Bestands. Bei extensiver Bewirtschaftung kommt es tendenziell zu einem höheren Anteil von Kräutern, während eine Intensivierung, beispielsweise mit mehr als zwei Nutzungen im Jahr und insbesondere mit N-Düngung, eher die Gräser fördert.

Auf der einen Seite sind hohe und energiereiche Erträge gefordert, auf der anderen Seite besteht der Wunsch nach mehr Biodiversität. Wie etabliert man also die feinen Kräuter und Leguminosen in einer Mischung, die von wüchsigen und auf Ertrag gezüchteten Gräsern, Rotklee und Luzerne dominiert werden?

Erfahrungen aus der Praxis

Futterzichorie, konkurrenzstark; Foto: Matthias König & Martin Himmelmann

Dass Ertrag und Artenvielfalt im Ackerfutter kein Widerspruch sein muss, wird seit vielen Jahren erfolgreich vor den Toren Frankfurts auf dem Dottenfelderhof gezeigt. Mit den eigenen Erfahrungen im Anbau und der Vermehrung von Kräutern, wurde auf dem ökologisch wirtschaftenden Betrieb unter Berücksichtigung des Einsatzes empfohlener Sorten eine eigene Ackerfuttermischung entwickelt. Mittlerweile werden bis zu 19 Pflanzenarten ausgesät. Dass es gelingen kann, jede Art zu etablieren, zeigen Bonituren des gemähten Grünfutters. Jede Art ist mit mindestens 1 % Gewichtsanteil auf dem Futtertisch vertreten. Bis dahin wurde und wird viel Pionierarbeit geleistet.

Einen großen Einfluss auf den Anbauerfolg hat die Aussaattechnik

Die Erfahrungen auf dem Betrieb zeigen, dass es im Gegensatz zu herkömmlichen Ackerfuttermischungen nicht reicht, das Saatgut wie üblich mittels Breit- oder Drillsaat als Gemenge auszubringen. Zu oft wurde beobachtet, dass es die Kräuter gerade auf besseren Böden oder in wüchsigen Jahren nicht schaffen, sich zu etablieren oder dass sie nach kurzer Zeit aus dem Bestand wieder verschwinden. Dies hat mehrere Gründe.

Tabelle 1: Mischungen im Vergleich

Dottenfelderhof-MischungGewichtsanteil
Dt. Weidelgras13,6 %36,4 % Gräser
Wiesenschweidel9,1 %
Wiesenschwingel4,5 %
Lieschgras4,5 %
Knaulgras2,3 %
Rohrschwingel2,3 %
Rotklee47,7 %56,3 % Leguminosen
Esparsette (S1)4,5 %
Weißklee1,8 %
Hornklee (S2)1,6 %
Steinklee0,7 %
Spitzwegerich2,3 %7,3 % Kräuter
Kleiner Wiesenknopf (S1)1,8 %
Futterzichorie1,1 %
Pastinake (S1)0,9 %
Wiesenkümmel (S2)0,7 %
Bibernelle (S2)0,5 %
Empf. Mischung A3.3Gewichtsanteil
Bastard-Weidelgras40 % Gräser
Rotklee60% Leguminosen

Je mehr Arten in der Mischung vorhanden sind, desto heterogener ist das Saatgut in punkto Form, Größe, Oberflächentextur und Tausendkorngewicht (von 1,2 bis 25 g). So kommt es durch Vibrationen im Saatguttank schneller zu einer Entmischung, was eine ungenaue Verteilung des Saatguts in die Särohre und somit einen unregelmäßigen Feldaufgang zur Folge hat. Ein weiteres Problem von artenreichen Gemengen ist der Konkurrenzkampf um Licht und Platz nach dem Auflaufen, der in den meisten Fällen nicht zugunsten der Kräuter ausfällt. Um diesen Herausforderungen entgegenzutreten wurde in den letzten zehn Jahren ein Aussaatsystem entwickelt, mit dem mittels herkömmlicher Drilltechnik, in nur einem Arbeitsgang, einzelne Kräuterstreifen im Gemenge platziert werden können.

Saatguttank; Foto: Matthias König & Martin Himmelmann

Bei der in Tabelle 1 dargestellten Mischung wird das Saatgut zunächst in eine Grundmischung und zwei Streifen-mischungen (gekennzeichnet mit S1 und S2) unterteilt. Die Grundmischung enthält alle Gräser, einen Großteil der Leguminosen sowie die konkurrenzstarken Kräuterkomponenten Futterzichorie und Spitzwegerich. Die Auswahl der Mischungspartner in den Streifen erfolgt nach Größe und Textur des Saatguts sowie nach Wüchsigkeit der Pflanzen, um die Konkurrenz innerhalb der Streifen so gering wie möglich zu halten. Zudem spielt die langjährige Erfahrung mit den einzelnen Komponenten bei der Zusammenstellung eine wesentliche Rolle.

Wiesenkümmel; Foto: Matthias König & Martin Himmelmann

Im nächsten Schritt wird der Saatguttank der mechanischen Drillmaschine mit Pappstegen und Klebeband in verschiedene Bereiche unterteilt. Die Justierung der Saatgutmenge kann nun über die Bodenklappe für jedes betreffende Säschar eingestellt werden. Mit mehreren Abdrehproben erfolgt die Feinjustierung. Je nach Sämaschine ist auch die Anpassung der Ablagetiefe für jedes einzelne Säschar möglich, was beispielsweise für die Esparsette ein entscheidender Faktor ist. Um für besonders feine Arten wie Hornklee und Wiesenkümmel die Konkurrenzsituation im Bestand zu verbessern und den Aufwuchs zu erleichtern, können die benachbarten Särohre geschlossen werden. So bekommen die Pflanzen mehr Raum und müssen mit den Gemengepartnern weniger um Licht, Wasser und Nährstoffe konkurrieren. Auf diese Weise kann es gemäß den Ansprüchen der eingesetzten Arten gelingen, mehrere Lebensräume auf einem Acker bereit- und somit den Aufwuchs sicherzuzustellen.

Gezielte Gegenüberstellung im Versuch

Mischung Dotti vs A3.3; Foto: Matthias König & Martin Himmelmann

Um die Erfahrungen des Betriebes aus den letzten zehn Jahren empirisch zu evaluieren und mit vorangegangenen Anbauversuchen zu vergleichen, wurden im Frühjahr 2021 auf einem Versuchsfeld zwei Ackerfuttermischungen mit jeweils drei Wiederholungen angesät. Die hofeigene kräuterreiche Kleegrasmischung wird mit einem zum Standort passenden Rotkleegras gemäß der Offizialempfehlung A3.3 (Tabelle 1) in den Merkmalen Trockenmasseertrag, Artenzusammensetzung und Futterwertanalyse zu jedem Schnitt verglichen. Zudem wurde die kräuterreiche Kleegrasmischung in zwei Varianten angelegt: Kräuter streifenförmig in Einzelreihen und Kräuter im Gemenge. Daten werden in den Hauptnutzungsjahren 2022 und 2023 erhoben.

Die zentralen Fragen hierbei sind, ob sich die Artenvielfalt ohne Ertragseinbußen erhöhen lässt und ob sich die Kräuter bei streifenförmiger Aussaat besser etablieren lassen. Mehr Informationen über die Versuchsfläche, die gleichzeitig auch als Demonstrationsanlage für das Projekt Demonet-KleeLuzPlus dient, gibt es unter www.t1p.de/kleeluzplus-mw-5. Über die Ergebnisse werden wir berichten.

Probieren geht über Studieren

Hornklee; Foto: Matthias König & Martin Himmelmann

Die Integration weiterer Futterkomponenten im Ackerfutter erfordert mitunter viel Fingerspitzengefühl und Motivation. Erkenntnisse über Wachstumsraten im Jahresverlauf, Schnittzeitpunkte, Konservierungseigenschaften und Futterqualitäten sowie Ausdauer und Konkurrenzkraft müssen im Versuchsanbau oder durch Ausprobieren auf dem eigenen Betrieb für jede Art separat erarbeitet werden, um ertragsstarke Bestände zu entwickeln. Deshalb spricht nichts dagegen, verschiedene Mischungen oder sogar die streifenförmige Anlage mittels modifizierter Drillmaschine auf dem eigenen Standort auszuprobieren und Erfahrungen zu sammeln. Eine stabile Grundfutterversorgung aus resilienten Beständen hat für viehhaltende Betriebe einen hohen Stellenwert. Auch vor dem Hintergrund des Klimawandels und der damit im Zusammenhang stehenden Zunahme an Trockenperioden wird der Anbau artenreicher Mischungen interessant. Denn gerade in Extremjahren können kräuterreiche Bestände reinen Grasbeständen überlegen sein.

Die Mischung macht’s: Ertragsabsicherung durch Artenvielfalt und Sortenwahl

Die offiziell in Hessen empfohlenen Ackerfuttermischungen bedienen sich aus einem Pool von insgesamt zehn Gras- und Leguminosenarten. Von diesen sind meist zwei bis maximal fünf Arten in den auf Ertrag, Qualität und Risikoabsicherung abgestimmten Standardmischungen enthalten. Der Fokus liegt hier auf der richtigen Sortenwahl. Denn für einen erfolgreichen Futterbau ist es nicht nur wichtig, die Arten innerhalb der Mischung aufeinander abzustimmen, sondern auch auf die richtigen Sorten zu setzen. Nur diese haben sich in umfangreichen Versuchen für den jeweiligen Standort und das geplante Nutzungsziel als besonders ausdauernd, krankheitsresistent, winterhart und ertragsstark gezeigt. Gleichzeitig sollten von Arten mit hohem Anteil in der Mischung immer mindestens zwei zu gleichen Teilen enthaltene Sorten ausgewählt werden. Bei Ausfall der einen Sorte sichert die andere Sorte den Ertrag ab.

Kräuter spielen in den Standardmischungen noch keine Rolle. Auf Seiten des Saatguthandels sind jedoch bereits vor allem Spitzwegerich und Futterzichorie als reines Saatgut oder in Ackerfuttermischungen zu finden. Hier kann es allerdings vorkommen, dass bei den Hauptbestandsbildnern (Gräser, Rotklee, Luzerne) nicht immer auf empfohlene Sorten und gleichmäßige Sortenverteilung gesetzt wird, was eine genaue Prüfung voraussetzt.

Die aktuellen Sorten- und Mischungsempfehlungen der AG Mitte-Süd für Mittelgebirgsregionen finden Sie auf der Homepage des Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen unter https://llh.hessen.de/pflanze/gruenland-und-futterbau/dauergruenland/mischungs-und-sortenempfehlungen/. Die Anbauempfehlungen der anderen Bundesländer sind auf der Projekthomepage www.demonet-kleeluzplus.de zu finden.


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