Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen

Obstbau

Beerenhunger: Heimischer Anbau nimmt zu, während Importware weiter dominiert

In den letzten Jahren ist Strauchbeerenobst zunehmend in den Fokus einer gesunden Ernährung gerückt. Gut 5 kg Beerenobst1(ohne Erdbeeren) wurden im Wirtschaftsjahr 2019/20 in Deutschland pro Kopf verzehrt, Tendenz steigend. Besonders beliebt: Heidelbeeren und Himbeeren.

Während wir bei Johannis- und Stachelbeeren unsere Nachfrage zu großen Teilen über den heimischen Anbau decken können, sieht dies bei Heidelbeeren und Himbeeren anders aus: Vergleicht man Importmengen mit heimischen Erntemengen, so kann man daraus ableiten, dass nur circa 20 % der im Handel angebotenen Heidelbeeren und ungefähr 15 % der Himbeeren aus Deutschland stammen (Abb. 1). „Doch auch hierzulande gewinnt der Beerenanbau an Bedeutung. Das zeigen die bundesweit seit 2012 um 40 % angewachsene Anbaufläche von Strauchobst als auch die Beratungsnachfragen“, erklärt Katrin Hetebrügge, Gartenbauberaterin beim Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen (LLH), Schwerpunkt Beerenobst, mit Blick auf die Erntesaison beim Strauchbeerenobst. „Auch in Hessen verzeichnen wir eine Zunahme beim Strauchbeerenanbau. Viele Erdbeerbetriebe haben in den letzten Jahren Heidel-, Him- aber auch Brombeeren in ihr Anbausortiment aufgenommen. Meist sind die Flächen und Erntemengen aber überschaubar und werden daher statistisch nicht erfasst“, so Hetebrügge weiter. Gleichzeitig hebt sie die sich verändernden Anbaumethoden und aktuelle Entwicklungen beim Anbau von Heidelbeeren und Himbeeren hervor.

Abb. 1: Heimische Ernte- sowie Importmengen von Himbeeren und Heidelbeeren von 2012 bis 2021(Stand: 10.06.2022, Zahlen für 2021 sind vorläufig; Quelle: Statistisches Bundesamt)

Frische Beeren das ganze Jahr!?

Die Verfügbarkeit von Beerenobst – insbesondere Heidelbeeren – erstreckt sich mittlerweile über fast das komplette Jahr. Dabei ist der Kundschaft nicht immer bewusst, dass die Früchte insbesondere im Winter eine weite Reise hinter sich haben und in den südlichen Herkunftsländern regional ökologische Konflikte (z.B. den Wassermangel) verstärken können.
Heidelbeeren kommen während der Wintermonate aus Südamerika, im zeitigen Frühjahr dann auch aus Nordafrika und Südeuropa, sowie parallel zur heimischen Erntezeit aus Polen.

Himbeeren werden im zeitigen Frühjahr aus Marokko und Spanien und Portugal importiert. Um Schäden durch eine hohe Sonneneinstrahlung zu vermeiden, ist ein geschützter Anbau unter begehbaren Abdeckungen in den südlichen Ländern gängige Praxis.
Um den langen Transportweg zu überstehen, müssen die empfindlichen Früchte kurz vor der eigentlichen Genussreife geerntet werden. Das macht sich beim Geschmack bemerkbar, denn Himbeeren reifen nicht nach. Eine Himbeere aus Deutschland kann dagegen reif gepflückt werden, da der Vermarktungsweg kürzer ist. „Es lohnt sich also, ein Auge auf das Herkunftsland zu haben oder auf die heimische Saison zu warten, die für Himbeeren und Heidelbeeren im geschützten Anbau ab Ende Mai beginnt und sich bis in den Herbst hinein erstreckt“, regt Hetebrügge an.

Die heimischen Beeren werden vorrangig frisch vermarktet. Gefrorene Beeren stammen in der Regel nicht aus Deutschland.

Himbeeren: Geschützter Anbau dominiert

Abb. 2: Entwicklung der Erntemengen und Anbaufläche für Himbeeren in Deutschland von 2012 bis 2021 (Stand: 10.06.2022, Zahlen für 2021 sind vorläufig; Quelle: Statistisches Bundesamt)

Ähnlich wie bei den Erdbeeren hat sich der Beerenanbau in den letzten 10 bis 15 Jahren verändert. Ein Teil der Produktion wurde in den geschützten Anbau verlagert. Dies dient nicht nur der Verfrühung, sondern auch dem Kulturschutz, denn Beeren als weiche Früchte sind empfindlich. Der geschützte Anbau im Folientunnel – oder unter einem gut durchlüfteten Regendach – trägt erheblich zur Einkommenssicherheit der Betriebe bei, denn er bietet Schutz vor Niederschlägen und reduziert damit das Fäulnisrisiko. Zudem liegen die Erntemengen deutlich über denen im Freiland.

Insbesondere Himbeeren profitieren von einem Kulturschutz, der gleichzeitig auch als Sonnenschutz für die ursprüngliche Waldbewohnerin fungieren kann. Deutschlandweit befinden sich mittlerweile 2/5 der insgesamt gut 1.000 ha umfassenden Anbaufläche unter begehbaren Schutzabdeckungen (Abb. 2). Dies erklärt auch den beachtlichen Anstieg der Gesamterntemengen (Freiland und geschützter Anbau) von 3.800 t in 2012 auf jeweils gut 7.000 t in den letzten zwei Jahren, während die Gesamtanbaufläche gleichgeblieben: Im geschützten Anbau sind die Erntemengen circa dreimal so hoch wie im Freiland.

Laut Hessischem Statistischen Landesamt (HSL) wurden in Hessen 2021 von insgesamt gut 56 ha rund 290 t Himbeeren geerntet; fast die Hälfte der Früchte stammt aus dem geschützten Anbau.

Weiterhin hat sich in den letzten Jahren die Standdauer bei Himbeeren verkürzt. Herbsthimbeeren werden in der Regel weiter mehrjährig angebaut, die frühen Sommerhimbeeren z. T. aber nur noch einjährig. Dadurch lassen sich gute Fruchtgrößen erzielen und Problemen wie Rutenkrankheiten und Wurzelkrankheiten wird aus dem Weg gegangen.

Heidelbeeren mögen es sauer

Abb. 3: Entwicklung der Erntemengen und Anbaufläche von Heidelbeeren in Deutschland in den Jahren 2012 bis 2021(Stand: 10.06.2022, Zahlen für 2021 sind vorläufig; Quelle: Statistisches Bundesamt)

Bei den robusteren Heidelbeeren, regional auch Blaubeeren genannt, dominiert der Freilandanbau, jedoch benötigen sie besondere Bodenverhältnisse mit einem niedrigen pH-Wert. Die Kulturheidelbeere wird daher flächenmäßig vor allem in Norddeutschland auf Moorstandorten angebaut. Sind diese nicht natürlicherweise gegeben, können sie alternativ in Rinnen im gewachsenen Boden, die mit Torf und Hackschnitzeln aufgefüllt sind, oder auch in Containern (großer Pflanztöpfe) angepflanzt werden. Sie können viele Jahre kultiviert werden.

An Heidelbeeren können neben Frostspanner auch Schildläuse zu bedeutsamen Pflanzenschäden und Ernteeinbußen führen. Auch der Mittelmeernelkenwickler, ein eher exotischer Schmetterling, der vom Klimawandel profitiert, wurde bereits in hessischen Heidelbeeren nachgewiesen.

2021 konnten in Deutschland – auch wegen der ‚beerenfreundlichen‘ Witterungsbedingungen – von 3.360 ha ca. 15.600 t Heidelbeeren geerntet werden (Abb. 3). Zusätzlich wurden 62.800 t importiert.
In Hessen bauten letztes Jahr 15 Betriebe auf insgesamt knapp 41 ha die beliebten Früchtchen an. (Daten zu Erntemengen liegen nicht vor.)

Beerenobstanbau ist investitions- und personalintensiv

„Wer in den Anbau von Himbeeren und Heidelbeeren einsteigen will, sieht sich zunächst hohen Investitionskosten gegenüber. Bewässerungssysteme und Jungpflanzen, plus ggf. Überdachungsvorrichtungen und Pflanzcontainer sowie – im Fall von Heidelbeeren – spezielles Substrat machen, um wirtschaftlich zu sein, gut durchdachte Konzepte notwendig“, erläutert die erfahrende Gartenbauberaterin, die in Hessen rund 15 Betriebe zum Strauchbeerenanbau berät.

Während in der Bodenbearbeitung und bei Pflegemaßnahmen bereits Technik zum Einsatz kommt, bleibt die Ernte in Menschenhand. Die Selbstpflücke spielt – im Gegensatz zum Erdbeeranbau – bei Himbeere, Heidelbeere und Co. nur eine geringe Rolle. Denn die Schäden an den empfindlichen Pflanzen durch nicht professionelle Pflücker können erheblich sein. Hetebrügge: „Wird nicht regelmäßig und ordentlich durchgepflückt, steigt der Fäulnisdruck und die Gefahr des Befalls durch Kirschessigfliegen. Der wenige Millimeter große Schädling hat sich in den letzten Jahren zum Hauptschädling bei den Himbeeren entwickelt. Ein Einnetzen der Pflanzen kann den Zuflug von außen verhindern, aber unter Umständen muss die Ernte frühzeitig beendet werden“.

Ferner tragen kleine Verpackungseinheiten zu einer personal- und zeitintensiven Ernte bei. Um dem entgegenzuwirken, legen Züchter bei der Sortenentwicklung den Fokus auf die Fruchtgröße.
Pflückroboter werden zwar bereits entwickelt, sind jedoch von der Marktreife noch weit entfernt.

Mehr Wertschätzung für regionales Beerenobst

Obwohl bei den Heidelbeeren zwischen 2012 und 2021 die Anbaufläche bundesweit um mehr als 80 % und die Erntemengen um 77 % gestiegen sind, ist ein Anbau für die Betriebe nicht immer wirtschaftlich. „Denn preislich können sie nicht mit der Ware aus dem Ausland konkurrieren, und das Bewusstsein für deutsche Strauchbeeren ist noch nicht so ausgeprägt wie bei Erdbeeren. Und selbst hier haben wir angesichts der gestiegenen Lebenshaltungskosten diese Saison Zurückhaltung beim Kauf gesehen. Der bevorstehende Anstieg des Mindestlohnes könnte die Situation noch verschärfen“, so die Gartenbauberaterin.

Dabei bieten Früchte aus der Region durchaus Vorteile für die Kunden: Neben Frische und einem besseren Geschmack ist Beerenobst als Bienenweide sehr beliebt bei Bestäubern, da die Blüten viel Nektar bieten. Kurze Transportwege wirken sich zudem positiv auf den ökologischen Fußabdruck aus.


1 Beeren sind Heidelbeere oder Blaubeere, Holunderbeere, Johannisbeere, Stachelbeere, Sanddorn, Preiselbeere oder Kronsbeere. Obwohl Himbeeren und Brombeeren botanisch gesehen keine Beeren ausbilden, werden sie dennoch zum Beerenobst gerechnet.

Quellen: Statistisches Bundesamt und Hessisches Statistisches Landesamt


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