Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen

Ökologischer Pflanzenbau

Ergebnisse der LSV Öko-Wintergerste 2020 & Empfehlungen

Hopp statt Topp

Öko-Ackerbauern benötigen Sortenempfehlungen, die unter den Bedingungen des Ökologischen Landbaus gewonnen wurden. Dr. Thorsten Haase vom Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen fasst die Ergebnisse des hessischen Öko-Landessortenversuches zu Wintergerste (2016-20) zusammen.

Viele hessische Öko-Praktiker haben in jüngerer Zeit mit dem Anbau von Öko-Wintergerste durchaus positive Erfahrungen gemacht, so dass sie in immer mehr Betrieben einen festen und günstigen Platz in der Fruchtfolge einnimmt. Die Wintergerste hat aus pflanzenbaulicher Sicht im Ökolandbau viele Vorzüge. Aufgrund ihrer zeitigen Saat und der vergleichsweise frühen Ernte lässt sich das punktuell sehr hohe Arbeitsaufkommen beim Anbau von Druschfrüchten entzerren. Das frühzeitige Räumen der Ackerfläche ermöglicht darüber hinaus eine intensive Stoppelbearbeitung und damit auch Regulierung von ausdauernden Wurzelunkräutern. Auch für eine rechtzeitige Aussaat von Zwischenfrüchten bietet der Wintergerstenanbau Vorteile.

Der Öko-Landessortenversuch Wintergerste rotiert in Alsfeld-Liederbach auf den Betriebsflächen des seit 1989 biologisch-dynamisch bewirtschafteten Betriebs Kasper und steht stets im ersten Jahr nach zweijährigem Luzerne-Kleegras. Das bedeutet ein hohes Niveau an pflanzenverfügbarem Stickstoff für die Wintergerste und einen weitestgehend unkrautfreien Acker. Aufgrund der integrierten Viehhaltung (0,4 GV/ha) ist auf den Versuchsflächen die Grundnährstoffversorgung mit Phosphor, Kalium und Magnesium auf den meisten Schlägen im optimalen Bereich (Versorgungsstufe C).

In den Öko-Landessortenversuchen zu Wintergerste werden vorwiegend mehrzeilige Wintergersten geprüft. Zweizeilige Sorten spielten in der Praxis des Ökolandbaus lange eine untergeordnete Rolle, nehmen aber im Anbauumfang zu.

Die mehrzeilige Sorte Lomerit wird in Alsfeld-Liederbach bereits seit 2004 durchgängig geprüft und dient als Referenz zur Studie von Ertragsniveau und –stabilität aber auch der langfristigen Ertragsentwicklung auf dem Versuchsstandort. Der durchschnittliche Kornertrag dieser Sorte aus 16 Prüfjahren (2004-2020 ohne 2012 wegen Auswinterung) liegt bei rund 57 dt/ha. Der maximal erreichte Ertrag lag bei 82 dt/ha (2011), der niedrigste bei 36 dt/ha (2018). Auch in 2020 lag der Kornertrag der Sorte mit 40 dt/ha weit unter dem langjährigen Mittel.

Das langfristige „Mitprüfen“ einer in der Praxis etablierten Sorte bestätigt den enormen Einfluss des Anbaujahres auf den Ertrag unter den Bedingungen des Ökologischen Landbaus. Um die in den einzelnen Jahren erzielten Erträge miteinander vergleichen zu können ist eine gemeinsame Referenz, die sogenannte Bezugsbasis erforderlich. Als Bezugsbasis dienten die in den zurückliegenden fünf Versuchsjahren (2016-2020) geprüften vier mehrzeiligen Sorten Lomerit, Semper, Titus und Quadriga sowie die zweizeilige Sorte California.

Nach einem Jahr mit sehr erfreulichen Wintergerstenerträgen folgte 2020 ein enttäuschendes Jahr.

Der mittlere Kornertrag (Bezugsbasis) der Öko-Wintergerste in Alsfeld-Liederbach waren 2020 mit durchschnittlich rund 40 dt/ha bei nur 52 % des Vorjahrerertrags (78 dt/ha). Vergleicht man die aus fünf Jahren (2016-2020) gemittelten jeweiligen Relativerträge dieser fünf Sorten untereinander, so schneiden die Sorten Quadriga und California am besten (beide 104 %) ab. Von den neun in den letzten drei Jahren (2018-2020) geprüften Sorten schnitten Toreroo (105 %), Hedwig (106 %) und KWS Higgins (107 %) am besten ab

Neben dem Ertragspotenzial sind bei der Sortenwahl auswinterungsfeste, blattgesunde und langstrohige Sorten mit zügiger Frühjahrsentwicklung (gute Unkrautunterdrückung) zu bevorzugen. Standfestigkeit und eine geringe Neigung zu Halm- und Ährenknicken sind weitere wichtige Auswahlkriterien.

In der Folge wird die Ertragsleistung für die bereits mindestens drei Jahre lang geprüften Sorten und stets im Verhältnis zum Ertrag der Bezugsbasis bewertet und hinsichtlich ihrer Ausprägung der wichtigsten agronomischen Eigenschaften.

Die Sorten im Kurzportrait

Die Erträge von Lomerit bewegen sich dreijährig (2018-2020) knapp unter (99%) dem Mittewert der Bezugsbasis. Zu beachten ist ihre Anfälligkeit für Lager und Halm- bzw. Ährenknicken sowie für Netzflecken und Rhynchosporium. Positiv hervorzuheben sind ihre Winterfestigkeit und die zügige Jugendentwicklung.

Sorte Semper ist ebenfalls langjährig geprüft und besitzt eine gute Winterfestigkeit, ist halmstabil, damit standfest und weitestgehend blattgesund. Semper kann für den Anbau empfohlen werden.

Titus ist langstrohig, standfest und blattgesund, neigt jedoch zum Ährenknicken. Im Vergleich mit der Bezugsbasis lieferte sie über drei Jahre leicht unterdurchschnittliche Kornerträge (98 %). Die Sorte ist winterfest, langstrohig, frohwüchsig und blattgesund. Die Halmstabilität ist weitestgehend gut, nur die Neigung zum Ährenknicken ist zu beachten.

California ist die einzige zweizeilige Sorte, für die langjährige Versuchsergebnisse vorliegen. Im Mittel der Jahre liegt der Kornertrag bei erfreulichen 104 %. Hinsichtlich der agronomischen Eigenschaften überzeugt sie ebenfalls und kommt daher für den Anbau in Frage.

Quadriga ist hinsichtlich des Ertrags die beste mehrzeilige Sorte im langjährigen Prüfsortiment. Die Sorte weist eine ausgewogene Blattgesundheit auf und ist winterfest, langstrohig und trotzdem halmstabil. Aufgrund der erfreulichen Ertragsstabilität und der positiven agronomischen Eigenschaften ist sie auf jeden Fall für den Anbau zu empfehlen.

Toreroo ist eine Hybridsorte und wurde nun drei Jahre geprüft. Der mit der Hybridzüchtung einhergehende Heterosiseffekt lässt ein hohes Ertragspotenzial erwarten. Die Sorte ist laut Bundessortenamt langwüchsig und halmstabil, sowie erfreulich blattgesund. Während sie im Dürrejahr 2018 unterdurchschnittlich abschnitt, konnte sie in den folgenden beiden Jahren ihr hohes Ertragspotenzial voll ausschöpfen.

Hedwig ist lang und halmstabil bei mittlerer bis guter Blattgesundheit, neigt jedoch zum Ährenknicken. Hedwig besitzt eine zusätzliche Resistenz gegenüber dem Gelbmosaikvirustyp 2 (BaYMV-2). Sie überzeugte durch eine ausgeprägte Ertragsstabilität auf sehr hohem Niveau und kann daher zum Anbau auf vergleichbaren Standorten empfohlen werden.

KWS Higgins ist langstrohig bei guter Halmstabilität und Blattgesundheit, mit Ausnahme einer sehr hohen Anfälligkeit für Zwergrost. Beim über drie Jahre gemittelten Kornertrag wusste sie zu überzeugen.

Cayu ist eine seit 2018 zugelassene Öko-Züchtung. Ihr Kornertrag lag auf dem hohen Niveau von Quadriga. Sie ist langstrohig, hat eine ausgewogene Blattgesundheit und Halmstabilität und ist wenig anfällig für die Streifenkrankheit.

2019 wurden zwei Sorten zum zweiten Mal geprüft und drei neue Sorten in das Prüfsortiment aufgenommen. Mirabelle ist landstrohig, halmstabil und weist eine mittlere Blattgesundheit auf. Beim Kornertrag hat sie bislang noch nicht überzeugt. Gleiches gilt für die ebenfalls langstrohige SU Jule, die aber eine mittlere, etwas höhere Anfälligkeit für Mehltau und Zwergrost als Mirabelle aufweist. Ein drittes Prüfjahr bleibt bei beiden Sorten abzuwarten. Erstmalig geprüfte Sorten waren KWS Flemming, Mizzi und Rubino.

Was beim Anbau zu berücksichtigen ist

Die Grundbodenbearbeitung und Saatbettbereitung zur Wintergerste sollte besonders sorgfältig durchgeführt werden. Gerade auf Fehler in der Bodenbearbeitung reagiert sie empfindlich. Für eine gute Vorwinter-Entwicklung sollte die Gerste ab Ende September mit rund 350 Körner/m2 ausgesät werden. Herrschen in dieser Zeit witterungsbedingt ungünstige Bestellbedingungen, kann die Aussaat auch noch bis in die erste Oktoberdekade verschoben werden. Ein „Reinschmieren“ ist unbedingt zu vermeiden. Wintergerste sollte nicht als abtragende Frucht in die Fruchtfolge gestellt werden. Ideale Vorfrüchte sind Körnerleguminosen oder Kartoffeln. Durch die zeitige Saat vermag Wintergerste den Reststickstoff dieser Vorfrüchte im Herbst noch gut zu konservieren. Gerste hat zu Vegetationsbeginn einen frühen Stickstoffbedarf. Stehen organische Dünger im Betrieb zur Verfügung, ist eine Gülle-Düngung im zeitigen Frühjahr anzuraten.

Die frühe Saat wird in den meisten Fällen mindestens einen Striegelgang (ab 3-Blatt-Stadium) erfordern. Auch Blindstriegeln ist dann zu empfehlen, wenn vor Auflaufen der Gerste das Unkraut gerade im sogenannten Fädchenstadium auftritt. Diese Einsätze sollten sehr sorgfältig durchgeführt werden, schon allein deswegen, weil der Striegeleinsatz im folgenden Frühjahr keineswegs immer Erfolg verspricht, da die meisten Unkrautarten dann meist schon ihre striegelempfindlichen Stadien überwunden haben. Der Striegel oder auch eine Sternrollhacke können aber im Frühjahr eine vorteilhafte, weil den Boden belüftende Wirkung haben. Der Einsatz sollte bei verkrusteten Böden zu Vegetationsbeginn in Betracht gezogen werden.

Wer Bedarf an Öko-Saatgut hat, kann sich im Internet auf der Seite www.organicxseeds.com über verfügbare Sorten und deren Anbieter informieren.

Öko-Wintergerste: Kornertrag [dt/ha bei 86% TS] im Landessortenversuch Alsfeld-Liederbach 2016-2020; relativ zum Mittel der Bezugsbasis [=100%]

SortentypZüchter/VertriebZulassung201620172018201920202018-202016-20
mz = mehrzeilig
zz = zweizeilig
LomeritmzKWS Lochow20019410099991009998
SempermzKWS Lochow20091019596101969898
TitusmzEckendorf / Saaten-Union20121008610399939896
CaliforniazzLimagrain2012107109100101103101104
QuadrigamzSecobra201498111102101108103104
KWS InfinityzzKWS Lochow20159410799
JokermzEckendorf / Saaten-Union20151019598
Toreroo (Hybride)mzSyngenta201796113112107
HedwigmzEckendorf / Saaten-Union2017109104105106
KWS HigginsmzKWS Lochow2017102107112107
CayumzDottenfelder Bio-Saat201810893109103
MirabellemzEckendorf / DSV20189993
SU JulemzEckendorf / Saaten-Union201810189
KWS FlemmingmzKWS Lochow2019117
MizzimzSZ Breun /Limagrain201983
RubinomzEckendorf / Hauptsaaten2019108
Bezugsbasis [dt/ha]51,670,836,278,340,451,655,5
Bezugsbasis: Lomerit, Semper, Titus, California, Quadriga

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