Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen

Rinder

Feuchtgetreide fachgerecht konservieren

Anhaltende Niederschläge verzögern häufig die Getreideernte und machen so dem Vorsatz, das Getreide zum optimalen Erntezeitpunkt möglichst schnell lagerstabil zu machen, einen Strich durch die Rechnung.
Dies geht einerseits zu Lasten des Futterwertes, andererseits erhalten Mikroorganismen, vor allem Mykotoxinbildende Feldpilze, günstige Wachstumsbedingungen. Der hohe Feuchtigkeitsgehalt des Erntegutes erfordert eine Feuchtgetreidekonservierung. Nur so kann das Futter hygienisch einwandfrei gesichert werden. Hier bietet sich der Einsatz von organischen Säuren an. Die Anwendung von Futterharnstoff oder die Konservierung mit Natronlauge sind Alternativen, die allerdings eine Verfütterung dieses Getreides ausschließlich an Wiederkäuer bedingt.

Konservierung mit Säuren

Propionsäure ist der Hauptbestandteil der verwendeten Konservierungsmittel. Sie zeigt eine breite antimikrobielle Wirkung gegen Pilze, Hefen und Bakterien, die bei ausreichender Dosierung bis zu einem Jahr anhalten kann. Feldpilze und Lagerpilze werden zum Zeitpunkt der Ernte nahezu vollständig abgetötet, eine Vermehrung von Schimmelpilzen während der Lagerung unterdrückt. Aber Achtung: Pilzgifte, die bis zur Ernte von Feldpilzen (Fusarientoxine wie Zearalenon und Desoxynivalenon) gebildet wurden, werden durch die Behandlung mit organischen Säuren nicht eliminiert und verbleiben im Getreidekorn!
Zusätze von Ameisensäure und anderen organischen Säuren können die Wirkung der Propionsäure unterstützen. Die Aufwandmenge beträgt je nach Feuchtigkeitsgehalt der Körner sowie der gewünschten Konservierungsdauer 0,1 bis max. 3 % (bei Getreidefeuchten von bis zu 50 %), wie Tabelle 1 zeigt.

Organische Säuren sind ätzende Flüssigkeiten. Von daher muss der Hautkontakt sowie das Einatmen von Dämpfen auf jeden Fall vermieden werden. Zudem ist das Tragen von Schutzkleidung, dazu gehören in erster Linie säurefeste Handschuhe, Atemschutz und Schutzbrille, unerlässlich. Das Verdünnen organischer Säuren mit Wasser erhöht deren Korrosivität deutlich.

Unter besonderen Bedingungen wird auf die in Tabelle 1 angegebenen Mengen ein Zuschlag notwendig, zum Beispiel

  • mind. 10 % bei unmittelbarer Nachschaltung eines Gebläses an die Dosierschnecke sowie
  • bei Einlagerungstemperaturen von mehr als 35 o C.
Tabelle 1 Aufwandmenge für Propionsäure in Litern je dt Feuchtgetreide (ganze Körner)
ProduktPropionsäure (99,5 %)Gemisch
(mind. 92 % Propionsäure)
Gemisch
(mind. 53,5 % Propionsäure)
Feuchtigkeit (in %)Konservierungsdauer

(bis zu … Monaten)

Konservierungsdauer

(bis zu … Monaten)

Konservierungsdauer

(bis zu … Monaten)

 1 3 6121361213612
bis 160,350,450,500,550,400,500,600,650,700,901,001,10
16-180,400,500,550,650,500,600,650,800,801,001,101,30
18-200,450,550,650,750,550,650,750,900,901,101,301,40
20-220,500,650,750,850,600,800,901,001,00
22-240,550,700,850,950,750,951,051,15
24-260,600,800,951,050,901,101,201,30
26-280,700,901,051,151,051,251,351,45
28-300,801,001,151,301,201,401,501,60
30-320,901,101,251,451,351,551,651,75
 

(Quelle: BASF)

Einsatzbereich bis max.

50 % Feuchtegehalt

Einsatzbereich bis max.

40 % Feuchtegehalt

Einsatzbereich bis max.

20 % Feuchtegehalt

Bei diesem Konservierungsverfahren müssen möglichst alle Getreidekörner mit der Säure benetzt werden. Die Säureprodukte sollten mit speziellen Dosiergeräten über Düsen in eine Getreideförderschnecke eingesprüht werden. Die Dosierschnecke sollte mindestens 3 Meter lang sein, die Säure über mindestens zwei Düsen im Abstand von 1,5 Schneckengängen im unteren Teil der Schnecke aufgebracht werden. Die Düsenanzahl ist abhängig vom Durchmesser der Schnecke, wie aus Tabelle 2 hervorgeht.

Der Neigungswinkel der Schnecke sollte mind. 30 Grad betragen, um eine gleichmäßige Durchmischung und Benetzung der Körner zu gewährleisten.

Tabelle 2    
SchneckendurchmesserAnzahl Düsen
< 180 mm2 – 3
180 – 200 mm3 – 4
> 200 mmmind. 4
(Quelle: BASF)

Bei der Getreideeinlagerung entstehen Schüttkegel. Um Kamineffekte zu vermeiden, sollten sie glattgezogen werden. Getreidepartien unterschiedlicher Feuchte dürfen nicht zusammen gelagert werden. Ist dies aus lagertechnischen Gründen nicht vermeidbar, ist die gesamte Getreidemenge nach Maßgabe der feuchtesten Partie mit Säure in gleicher Dosierung zu behandeln, um einem Verderb vorzubeugen!

Propionsäure ist korrosiv. Korrosionsanfällige Materialien z.B. Behälter oder Silos aus Eisenblech oder verzinktem Blech sollten einen säurefesten Anstrich erhalten oder kleiden Sie die Silos mit einer säurefesten Kunststofffolie aus.

Dies gilt auch für abgepufferte Säureprodukte, so genannte NC-Ware (Non-Corrosiv). Diese sind zwar deutlich weniger korrosiv als reine Propionsäure, trotzdem kann die Zinkschicht angreifen werden und zu Lochkorrosion führen. Beim Einsatz dieser abgepufferten Säureprodukte ist zu beachten, dass diese eine höhere Viskosität (Zähflüssigkeit) als Propionsäure haben, die zudem auch noch stark temperaturabhängig ist. Von daher ist ein erneutes Auslitern des Dosiergerätes bei Produktwechsel oder Temperaturschwankungen notwendig, um eine Unterdosierung zu vermeiden. Zudem müssen diese höher dosiert werden. Insbesondere Gemische mit nur knapp 50 % Propionsäureanteil sind für Getreide mit höherem Feuchtigkeitsgehalt (> 20 %) nicht mehr geeignet (Tabelle 1).

Selbstverständlich sollten die Getreidepartien sensorisch kontrolliert werden. Temperaturkontrollen des gelagerten Getreides in regelmäßigen Abständen gehören ebenfalls dazu. Grundsätzlich ist von jedem Konservierungsverfahren abzuraten, für das der Hersteller des Säureproduktes keine Dosiertabelle in schriftlicher Form zur Verfügung stellt.

Propionsäure enthält in etwa doppelt soviel Energie wie Gerste, Lagerverluste treten bei sachgerechter Anwendung und Dosierung praktisch nicht auf. Die Eingangs beschriebene antimikrobielle Wirkung gegen Pilze, Hefen und Bakterien führt zu einer Stabilisierung der Futterhygiene. Dies ist im Rahmen der Verfahrenskostendiskussion mit zu berücksichtigen. Die Mehrkosten für eine Behandlung von Getreide mit 18 % Feuchtigkeitsgehalt und einer angestrebten Konservierungsdauer von 12 Monaten betragen ca. 0,75 €/dt zzgl. Mwst.

Propionsäure ist „Gefahrgut“

Landwirte, die keinen Gefahrgutführerschein (gilt nicht für abgepufferte Säuren) besitzen, dürfen max. 333 kg Propionsäure transportieren. Das bedeutet, dass Gebindegrößen wie z.B. ein Container mit 1000 kg Propionsäure ohne Gefahrgutführerschein nicht mehr selbst transportiert werden dürfen.

Konservierung mit Natronlauge

Feuchte Getreidepartien und Lagergetreide können auch mit Natronlauge (Ätznatron) behandelt werden. Dabei erfolgt ein „Aufschluss“ des Getreides und auch eine Konservierung. Das so behandelte Feuchtgetreide (Sodagrain) hat gegenüber Getreideschrot und Quetschgetreide einen als ganzes erhaltenen Mehlkörper. Auf diese Weise kann ein größerer Anteil an Stärke direkt, also unabgebaut, in den Dünndarm gelangen. Bei der Sodagrainherstellung entsteht Natriumbikarbonat. Im Pansen kommt es somit zu einer konstanteren Fermentation und der pH-Wert schwankt weniger. Die Behandlung selbst führt zu einer leicht verminderten Verdaulichkeit der organischen Substanz.

Zur optimalen Durchmischung von Ätznatron, Wasser und Getreide ist der Einsatz eines Futtermischwagens zu empfehlen. Der Umgang mit Ätznatron erfordert ähnliche Schutzmaßnahmen wie beim Umgang mit Säuren (siehe oben), Hautkontakt ist zu vermeiden.

Für die Konservierung von erntefeuchtem Getreide muss die Dosierung allerdings höher sein als zum Zwecke des Aufschlusses, nämlich mindestens 3,5-4 % Ätznatron je 300 Liter Wasser je t Getreide. Die dabei entstehende Natronlauge hat einen konservierenden Effekt. Bei zu geringen Mengen besteht die Gefahr des Verpilzens im Verlaufe der Lagerung.

Durch die Zugabe von Ätznatron und Wasser erwärmt sich das Getreide und muss vor der Verfütterung abkühlen und mind. zwei, besser acht bis zehn Tage lagern. Das so behandelte Getreide ist fast schalenlos und hat einen pH-Wert von ca. 11,0. Sodagrain selbst kann problemlos bis zu einem Jahr als Feuchtgetreide konserviert unter Dach ohne Folienabdeckung gelagert werden.

Verfüttert werden können pro Kuh und Tag ca. 4-6 kg Sodagrain. Schroten oder Quetschen der Körner ist nicht notwendig.

Achtung:

  • Die Tiere haben bei der Verfütterung von Sodagrain einen höheren Wasserverbrauch. Das Natrium muss mit entsprechenden Wassermengen über die Nieren ausgeschieden werden, da sonst die Gefahr von Nierenschäden besteht.
  • Da das im Getreide enthaltene Vitamin E durch die Behandlung mit Natronlauge vollständig zerstört wird, ist auf eine ausreichende Ausstattung des Mineralfutters für Kühe hinsichtlich Vitamin E zu achten.
  • Ätznatron ist futtermittelrechtlich für Rinder nicht zugelassen. Von daher ist derartig behandeltes Getreide nicht verkehrsfähig.

Die reinen Mittelkosten dieses Verfahrens belaufen sich auf etwa 3,90-4,50 €/dt zzgl. Mwst.

Konservierung mit Futterharnstoff

Das Verfahren der Feuchtgetreidekonservierung mit Futterharnstoff beruht auf der Zumischung von 2 – 2,5 kg Harnstoff je dt Getreide. Der in das Feuchtgetreide eingemischte Harnstoff wird relativ schnell aufgespalten, wobei u.a. Ammoniak entsteht, das sich mit der Feuchtigkeit im Getreide (Feuchtigkeitsgehalt mind.18 %) verbindet. Bei Druschfeuchtegehalten von weniger als 18 % sollten zusätzlich 0,5 l Wasser je dt zugefügt werden. Das gelöste Ammoniak hemmt insbesondere die Entwicklung von Schimmelpilzen und Hefen und bestimmten Bakterien, darüber hinaus auch die Entwicklung vieler tierischer Getreideschädlinge. Um den Harnstoff möglichst homogen in das Feuchtgetreide einzumischen, sollte die Zudosierung mit Dosiereinrichtung an einer Förderschnecke erfolgen. Bei der Dosiereinrichtung ist darauf zu achten, dass diese für Granulatprodukte verwendet werden kann.

Zur Lagerung bieten sich Flachlager an. Bei der Umsetzung von Harnstoff entstehen hohe Temperaturen, die zu einer dunkelbraunen Verfärbung des Getreides führen. Der Getreidestapel sollte etwa vier Wochen lose mit einer Folie abgedeckt werden, um ein Entweichen des Ammoniaks zu verhindern. Dabei ist darauf zu achten, dass das sich während der Umsetzung unter der Folie bildende Kondenswasser nicht in den Getreidestapel läuft. Harnstoff und die hohe Feuchtigkeit wirken geringfügig klebend, die Rieselfähigkeit des Getreides ist daher eingeschränkt.

Futtermittelrechtlich ist Harnstoff nur für Wiederkäuer mit Pansenfunktion zugelassen, d.h. so behandeltes Getreide darf nicht für andere Tierarten in den Verkehr gebracht werden. Das Futtermittelrecht stellt hohe Anforderungen an die Reinheit. Beschrieben wird Futterharnstoff als eine weiße, feinkörnige NPN-Verbindung in Form von frei fließenden konditionierten Prills, die chemisch identisch mit Düngerharnstoff ist. Aber: im Gegensatz zu Futterharnstoff ist Düngerharnstoff mit einem speziellen Konditionierungsmittel versehen und enthält auf Grund der geringeren Verarbeitungsintensität Verunreinigungen und darf daher nicht zur Futtermittelkonservierung eingesetzt werden.

Die durchschnittliche Korngröße von Futterharnstoff beträgt 1,6 mm bei einem Harnstoffgehalt von mindestens 98 % sowie einem Stickstoffgehalt von mindestens 46 und einem max. Biuretgehalt von 1 %.

Dokumentation erforderlich!

Die Verwendung von Harnstoff als Zusatzstoff oder Vormischung gehört nicht mehr zur Primärproduktion. Diese Tätigkeit ist der zuständigen Futtermittelüberwachung zu melden. Zudem müssen die Aufwendungen an Futterharnstoff entsprechend protokolliert werden. Details zum Einsatz und zur Dokumentation werden im Merkblatt „Teil 2 – Merkblatt zum Einsatz von Futterharnstoff“ des Zentralausschuss der Deutschen Landwirtschaft (ZDL) erläutert.

Aus den Unterlagen muss zudem hervorgehen, dass die gesetzlichen Höchstgehalte (10 g Harnstoff je kg TM der Gesamtration und 30 % des Gesamtstickstoffs der Ration aus Harnstoff-N) nicht überschritten werden.

Bei der Rationsberechnung für Wiederkäuer ist der Anstieg der Ruminalen Stickstoffbilanz (RNB) zu berücksichtigen.

Die Mittelkosten betragen ca. 0,80 €/dt zzgl. Mwst., ohne Berücksichtigung des positiven Effektes, der, durch die Harnstoffapplikation verursachten, Rohproteinerhöhung.

HACCP-Konzept erforderlich!

Beim Einsatz von Zusatzstoffen wie z.B. Propionsäure ist ein „vereinfachtes“ HACCP- Konzept erforderlich sowie die Anforderungen aus dem Anhang 2 der Futtermittelhygiene-Verordnung (EG 183/2005) einzuhalten. Dazu hat der ZDL ein „Merkblatt für den Einsatz von Futtermittel-Zusatzstoffen im landwirtschaftlichen Betrieb – Teil 1: „Säuren als Konservierungsmittel“ herausgegeben. In das dem Merkblatt beigefügten „Protokoll zum Einsatz von Säuren“ müssen Datum, eingesetzte Säure bzw. Säuremischung, Art, Menge und ggf. Feuchte des Futtermittels und Säuredosierung und Überprüfung der Dosiergenauigkeit eingetragen werden. Zu beachten ist, dass nur Produkte von registrierten Futtermittelunternehmern eingesetzt werden dürfen. Dies ist ebenfalls zu dokumentieren. Zum Nachweis der Rückverfolgbarkeit müssen Lieferscheine und Kaufbelege mind. 5 Jahre aufbewahrt werden.

Fazit

Die Feuchtgetreidebehandlung mit Säurezusatz ist nicht nur das in der Praxis gängigste Konservierungsverfahren, sondern daneben auch die kostengünstigste Lösung. Ein sicherer Konservierungserfolg setzt hierbei eine exakte Ermittlung des Feuchtegehaltes des zu konservierenden Getreides voraus. Unter Berücksichtigung der Lagerdauer kann dann die notwendige Säuremenge in Abhängigkeit der zur Verfügung stehenden Technik ermittelt und zudosiert werden.

Alternativ können für die Wiederkäuerfütterung Konservierungsverfahren mit Ätznatron oder Harnstoff zum Einsatz kommen. Zusatzeffekte, z.B. in der Milchviehfütterung, wie Verzicht auf Schroten oder Quetschen, Einfluss auf die Stärkebeständigkeit im Pansen oder eine positive Ruminale Stickstoffbilanz runden diese Verfahren ab.


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