Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen

Schafe & Ziegen

Nachlese zum Schaftag 2024: „Mit Schafen in die Zukunft“

Eine Veranstaltung des Tierwohl-Kompetenzzentrum Schaf

Am 13.01.2024 lud das Tierwohl-Kompetenzzentrum Schaf (TWZ Schaf) Interessierte nach Gießen zum Schaftag ein. Martin Steffens (Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen [LLH]) führte unter dem Motto „Mit Schafen in die Zukunft“ durch den Tag. Vorträge sowie eine Diskussionsrunde zu aktuellen Themen rund um Gesundheit, Tierwohl, Management und Vermarktung beherrschten das Programm.

Tierschutzfälle und Tierwohl beim Schaf – was ist die Realität?

Den ersten Vortrag hielt Dr. Henrik Wagner vom Hessischen Schaf- und Ziegenherdengesundheitsdienst der Tierklinik für Reproduktionsmedizin und Neugeborenenkunde der Justus-Liebig-Universität (JLU) Gießen. Er erläuterte aktuelle, das Tierwohl betreffende Tierschutzfälle aus Sicht der Praxis, Veterinärämter und Gerichte. So sind wiederkehrend der Witterungsschutz, die Klauenpflege, bzw. Lahmheiten oder nicht eingehaltene Schurtermine ein Thema. „Tierschutz spielt in der täglichen Praxis eine Rolle“, betonte Dr. Wagner. Jeder Tierhaltende – egal ob im Hobby oder Beruf – müsse sich den nötigen Sachverstand aneignen, um erkennen zu können, ab wann ein Schaf leidet und was Tierwohl bedeutet. Dr. Wagner appellierte zudem, den Dialog mit Nicht-Tierhaltenden zu suchen, um Missverständnisse zu den genannten Themenschwerpunkten auszuräumen.

Diskussionsrunde: Kupierverzicht umsetzen – wie kann es funktionieren?

Bild 1: v.l.n.r.: Dr. Henrik Wagner (Fachtierarzt für kleine Wiederkäuer, JLU Gießen), Reinhard Heintz (Ehrenvorsitzender des hessischen Verbandes für Schafzucht und -haltung), Nele Jung (Beratungsteam Tierhaltung, LLH), Prof. Dr. Sven König (Professur für Tierzüchtung, JLU Gießen); Foto: TWZ Schaf

In der anschließenden Diskussionsrunde zum bevorstehenden, ausnahmelosen Kupierverbot wurden Chancen und Herausforderungen aus Sicht der Praxis, Veterinärmedizin, Tierzucht und Beratung beleuchtet. Reinhard Heintz ist erfahrener Züchter sowie Ehrenvorsitzender des Hessischen Verbandes für Schafzucht und -haltung. Er sprach unter anderem die Herausforderungen an, die aus seiner Sicht mit einem Nichtkupieren von Schafrassen mit langen, bewollten Schwänzen einhergehen. Wichtig sei, unkupierte Böcke auf Auktionen zu zeigen und die Schwanzlängen der Lämmer nach der Geburt zu messen. Denn ohne das Wissen über die tatsächlichen Schwanzlängen einer Rasse könne keine gezielte Zucht auf Kurzschwänzigkeit erfolgen. Nele Jung, Beraterin beim LLH, berichtete von den Erfahrungen der am TWZ Schaf beteiligten Praxisbetriebe und erörterte die Vorzüge von Akkuschermaschinen, einem angepassten Weidemanagement und weiteren Maßnahmen für die Haltung unkupierter, langschwänziger Schafe. Dr. Henrik Wagner (Tierklinik für Reproduktionsmedizin und Neugeborenenkunde der JLU Gießen) informierte über die Vor- und Nachteile des Kupierverbotes aus tierärztlicher Sicht. Ebenfalls an der Diskussion beteiligt war Prof. Dr. Sven König, Leiter der AG Tierzucht (JLU Gießen), welcher auf Fragen zu den züchterischen Möglichkeiten einging.  Sollte zeitnah ein gesetzliches Verbot ausgesprochen werden, können Managementmaßnahmen die züchterischen Bemühungen begleiten.

Blick über den Tellerrand: „Lammvermarktung in Österreich“ und „Bockweide und Parasitenmonitoring in der Schweiz“

Bild 2: Matthias Pleschberger, Österreichischen Schaf und Ziegenbörse (ÖSZB); Foto: TWZ Schaf

Matthias Pleschberger (Geschäftsführer der Österreichischen Schaf- und Ziegenbörse [ÖSZB]) (Bild 2) präsentierte, wie die gemeinsame und zentralisierte Lammvermarktung über die seit 2008 bestehende ÖSZB funktioniert. Der Zusammenschluss von Betrieben über 12 Verbände hinweg – darunter viele Kleinbetriebe – vermarktet Lämmer und Schafe unter dem Credo, die vermeintlichen Schwächen zu Stärken umzuwandeln. So führt beispielsweise eine Rassevielfalt zwar zu uneinheitlichen Schlachtkörpern, komme aber dem Kundenwunsch nach Regionalität und dem Erhalt alter Rassen nach.

Aus der Schweiz online zugeschaltet gab Susanne Granzow (Beratungs- und Gesundheitsdienst für Kleinwiederkäuer) Einblicke in das Langzeitprojekt Bockweide. Dieses sucht nach Lösungsansätzen zum allseits bekannten Problem der zunehmenden Anthelmintikaresistenzen. Ein gezieltes Parasitenmonitoring in derselben Haltungsumwelt soll Aussagen zu den individuellen Bewältigungsstrategien und Resistenzvererbungen der Böcke ermöglichen.

Inwertsetzung süddeutscher Schafwolle: mehr Wolle auf den Textilmarkt bringen

Eine Kooperation der Wollerzeugergemeinschaften aus Bayern und Baden-Württemberg hat sich zum Ziel gesetzt, die süddeutsche Wolle wieder konkurrenzfähig zu machen. Auf dem Schaftag präsentierten Prof. Dr. Wilhelm Pflanz und die Doktorandin Natascha Zimmermann (Hochschule Weihenstephan-Triesdorf, Tierwissenschaften in der Ökologischen Landwirtschaft) (Bild 3) erste Erfolge und laufende Forschungen.

Bild 3: v.l.n.r.: Natascha Zimmermann, Prof. Dr. Wilhelm Pflanz, Tierwissenschaften in der Ökologischen Landwirtschaft, Hochschule Weihenstephan-Triesdorf; Foto: TWZ Schaf

Prof. Dr. Pflanz stellte klar: „Wir müssen Wolle sichtbar machen!“ Aus diesem Grund wurde die Kollektivmarke locwool gegründet. Über Details zur Verbesserung der Wollqualität, insbesondere der Wollfeinheit, aber auch über den Ansatz der genomischen Selektion, berichtete Zimmermann ausführlich. Neben der Zucht auf Wollfeinheit sei es wichtig, wieder ein größeres Augenmerk auf die Wollsortierung zu legen, da auch am Einzeltier Schwankungen der Wollfeinheit auftreten.

Praxiserfahrung zur Mischbeweidung: ein Plus für die Tiergesundheit

Bild 4: Dr. Gertje Petersen, Betrieb Weideland Qualitz GbR; Foto: TWZ Schaf

Abschließend gab Dr. Gertje Petersen von der Weideland Qualitz GbR (Bild 4) interessante Einblicke in die Mischbeweidung aus Sicht eines Praxisbetriebes. Der Betrieb legt den Fokus auf den Grünlandaufwuchs, das Parasitenmonitoring und eine leistungsfähige Genetik, um eine aufwandoptimierte und wirtschaftliche Tierhaltung zu realisieren. Er führt auf extensiven Flächen eine lockere Schafbeweidung durch. So wird den Dorperschafen erlaubt selektiv zu fressen. Die Nachbeweidung mit Rindern verhindert das Durchbrechen von Distel und Co. Unter Umständen werden daraufhin noch Pferde auf die Fläche geführt. Neben einer guten Verwertung des Aufwuchses und einer Verringerung des Wurmdrucks fördert der Betrieb so auch die Artenvielfalt. Dr. Petersen erörterte detailliert, wie es zu Anthelmintikaresistenzen kommt und wie diesen unter anderem durch die Mischbeweidung vorgebeugt werden kann. Trotz einiger Nachteile, zum Beispiel des erhöhten Arbeitsaufwandes, überwiegen für den Betrieb klar die Vorteile ihres Bewirtschaftungssystems.

Die Veranstaltung des TWZ Schafs verdeutlichte die großen Potentiale der Schafhaltung für die Zukunft, die durch Anpassungen im Management und der Zucht erreicht werden können. Wieder einmal zeigte sich, wie außerordentlich wertvoll der Austausch mit anderen Schafhaltenden sowie der Wissenschaft ist. Zwei weitere Veranstaltungen dieser Art werden noch bis zum Herbst in weiteren Bundesländern umgesetzt.


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