Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen

Rinder

Festliegende Kuh – Was tun?

Es kann immer wieder passieren, dass festliegende Kühe im Stall vorgefunden werden. Dies kann unterschiedliche Gründe haben. Die primären Ursachen, weshalb die Kuh nicht mehr ohne Hilfe aufstehen kann, sind z. B. Milchfieber, Ausgrätschen oder eine schwere Mastitis.

Welche Sofortmaßnahmen durchgeführt werden sollen und wie die weitere Versorgung aussieht, hat Dr. Theresa Scheu, Tierärztin vom Hofgut Neumühle, den Teilnehmenden der „Netzwerk Fokus Tierwohl“-Veranstaltung anhand eines Entscheidungsbaums erläutert.

Festliegende Kühe sind Intensivpatienten

Bei einer Unterbringung draußen muss vor Witterung, hier Sonneneinstrahlung, geschützt werden; Foto: © Dr. Cohrs

Laut Dr. Scheu sind festliegende Kühe Intensivpatienten: „Hier muss sofort gehandelt und geholfen werden.“ Denn nicht nur die primäre Ursache kann ein Problem werden: Beim Festliegen kann das Eigengewicht nach einer gewissen Zeit Muskeln und Nerven schädigen, das sogenannte „Kompartment-Syndrom“. Durch die verminderte Durchblutung können Muskeln absterben und die Kuh bleibt liegen, obwohl z. B. die primäre Ursache längst behoben wurde. Daher ist die Aufstallung, Pflege und das Aufrichten der Kuh durch die Tierhaltenden sehr wichtig für die schnelle Genesung.

Sobald eine festliegende Kuh vorgefunden wird, gilt es zuerst den Zustand der Kuh einzuschätzen. Ist das Tier ansprechbar, verfolgt es wie gewohnt Bewegungen und liegt in Brust-Bauch-Lage? Oder ist es sensorisch getrübt und reagiert nicht? Bei letzterem gilt die Kuh als Notfall und es muss sofort gehandelt werden. Der Hoftierarzt oder die Hoftierärztin müssen umgehend verständigt werden. Das Tier sollte in dieser Position belassen und die Umgebung gesichert werden. Bei ansprechbaren Tieren sollte zügig, innerhalb von zwei Stunden, Abhilfe geschaffen werden. Auch hier muss eine gefahrfreie Umgebung geschaffen werden.

Appell: Fußfessel ja bitte!

Wenn möglich, sollten die Tierärztin oder der Tierarzt beim Auftreiben oder -heben dabei sein. Dies erspart viel Arbeit und Stress, falls die Diagnose für das Tier schlecht ausfällt. Wichtig bei ausgegrätschten Kühen ist das Anlegen von Vergrittungsgeschirr (Fußfessel). Diese sollten auch später im Stroh nicht abgenommen werden, wenn das Tier alleine ist, da bei Aufstehversuchen weitere Schädigungen verhindert werden. Wenn die Tiere nicht aufgetrieben werden können, sind bei einer Verbringung in eine geeignete Umgebung Hebegeschirre, Big Bags oder Schleppmatten notwendig. Tiere niemals am Kopf oder an den Gliedmaßen ziehen oder sie in Beckenklammern hängenlassen oder transportieren. Eine geeignete Umgebung zeichnet sich durch einen rutschfesten Untergrund aus. Dies kann z. B. eine Stroh- oder Sandbucht sein oder ein Plätzchen auf der Weide. Bei einer Unterbringung draußen muss vor Witterung geschützt werden.

Intensive Pflege zwingend notwendig

Nach der Verbringung ist die intensive Pflege in den ersten 12 Stunden entscheidend, sofern eine Diagnose besteht und die Therapie eingeleitet wurde. Eine ausreichende Versorgung mit Futter und Wasser muss zwingend gewährleistet werden. Eine Fixierung des Tieres durch ein Halfter verhindert weitere Verletzungen. Die engmaschige Überwachung sowie das regelmäßige Wenden (Idealfall: drei- bis viermal pro Tag) gehören ebenso zu der Versorgung der Intensivpatienten. Hat sich der Zustand nach 24 Stunden nicht gebessert, muss in Rücksprache mit dem behandelnden Tierarzt oder der Tierärztin die Situation neu bewertet werden. Hierbei muss auch die intensive Pflege berücksichtigt werden (gesicherte Umgebung, mehrmaliges Wenden, Füttern, Tränken, Aufrichten, evtl. Anheben, ggf. Melken). Sollte nach drei bis vier Tagen keine Verbesserung eintreten, ist aus tierschutzrechtlichen Gründen eine Erlösung des Tieres notwendig.

Wenn diese intensive Pflege in ersten Tagen gewährleistet werden kann, hat die festliegende Kuh eine realistische Chance, wieder auf die Beine zu kommen.

Dr. Theresa Scheu ist Mitglied einer Arbeitsgruppe des Netzwerks Fokus Tierwohl, die sich mit dem Thema „Umgang mit kranken und verletzten Rindern“ auseinandersetzt. Die Fachinformationen einschließlich des Entscheidungsbaums für festliegende Kühe (Down Cow decision Tree, von Phil Poulton) sind auf der Projekt-Homepage unter https://www.fokus-tierwohl.de/de/rind zu finden.

Am 7. Februar 2024 findet eine Online-Veranstaltung zu diesem Thema statt. Hier geht es zur kostenfreien Anmeldung.


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