Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen

Unternehmensführung

Landwirtschaft: Was muss vom Unternehmensgewinn bestritten werden?

Angesichts der momentan öffentlichkeitswirksamen Demonstrationen der Landwirte und Landwirtinnen gegen die geplanten Kürzungen bei der Agrardieselerstattung rücken auch die Wirtschaftsergebnisse der Landwirtschaft in den Fokus der Diskussionen. Welchen Anteil haben diese Zahlungen am Unternehmensertrag und sind die Landwirte in ihrer Existenz gefährdet, wenn diese wegfallen würden?

Ohne auf diese Frage eine direkte Antwort zu geben, möchten wir an dieser Stelle einige Fakten zur wirtschaftlichen Situation und Interpretation der landwirtschaftlichen Gewinne zusammenstellen.

Auf Basis des § 2 Landwirtschaftsgesetz muss die Bundesregierung jährlich einen Bericht zur wirtschaftlichen Lage der Landwirtschaft veröffentlichen. Dieser basiert auf den Buchführungs­ergebnissen von bundesweit ca. 9.000 Testbetrieben. Hessen liefert hierfür ca. 470 Buchführungs­ergebnisse. Ergänzend zum Bundesagrarbericht veröffentlichen die einzelnen Bundesländer noch ihre Länderergebnisse in feinerer Untergliederung in ihren sogenannten Regionalstatistiken und verrechnen hierbei auch noch einige zusätzliche Buchführungsabschlüsse, die freiwillig bereitgestellt werden.

Für das Wirtschaftsjahr (WJ) 2022/23 liegen die hessischen Auswertungen bereits weitgehend vor, der Bericht des Bundesministeriums folgt erst im Laufe des Jahres 2024. In diesem ausgewerteten WJ 2022/23 haben die Betriebe ein außergewöhnlich gutes Ergebnis erzielen können. So konnten in der Gruppe der konventionell wirtschaftenden Haupterwerbsbetriebe (HE) in Hessen die Gewinne auf durchschnittlich 130.340 € gesteigert werden, ein Plus von 77 % gegenüber dem Vorjahresergebnis. (Datenbasis 298 Buch­führungs­abschlüsse) Dies ist ein Gewinnniveau, das bisher noch nie dagewesen ist und wahrscheinlich auch zukünftig nicht mehr erreicht wird. Für das laufende Wirtschaftsjahr 2023/24 wird ein Gewinnrückgang von ca. 30 bis 40 % erwartet.

Ursächlich für diesen außergewöhnlichen Gewinnsprung waren die extremen Preisausschläge für landwirtschaftliche Produkte nach oben nach Ausbruch des Ukrainekrieges, insbesondere für Milch, Getreide, Raps und etwas verzögert dann auch für Fleischpreise. Sie führten insg. zu einer Steigerung der betrieblichen Erträge von 26 %. Natürlich stiegen auf der anderen Seite auch die Aufwendungen für Dünger, Treibstoffe, Futtermittel usw. merklich, in der Summe aber „nur“ um 16 %. Unterm Strich ist diese Gewinnsteigerung für die Landwirtschaft sehr erfreulich, dürfte sich so schnell aber nicht wiederholen, denn inzwischen haben sich die Produktmärkte wieder normalisiert und auf ein deutlich niedriges Preisniveau eingependelt. So erzielen bspw. die Milchviehbetriebe aktuell nur noch ca. 41 ct/kg Milch gegenüber 56,4 ct/kg im WJ 2022/23.

Die Agrardieselbeihilfe in Höhe von 21,48 ct/l in der Landwirtschaft verbrauchtem Diesel macht ca. 28 €/ha LF im Durchschnitt der Haupterwerbsbetriebe aus (bei den Öko- und Nebenerwerbsbetrieben nur 21 €/ha LF), d. h. durchschnittlich werden ca. 130 l Diesel je ha LF benötigt. Für den durchschnittlichen HE-Betrieb mit 130 ha LF beträgt die Agrardieselbeihilfe also knapp 3.700 € im Jahr oder bezogen auf den Gesamt-Unternehmensertrag hat sie einen Anteil von 0,8 %.

Da die landwirtschaftlichen Produktmärkte mittlerweile sehr volatil sind und dadurch auch die Gewinne sehr stark schwanken, ist es angebracht, für eine sachgerechte Analyse einen mehrjährigen Zeitraum zu betrachten. Die Abbildung 1 weist die Gewinne der konventionell und ökologisch wirtschaftenden Haupterwerbsbetriebe in Hessen in den letzten 5 Wirtschaftsjahren aus. Im Durchschnitt dieser 5 WJ erzielten die konventionellen HE-Betriebe einen Unternehmensgewinn von 79.130 €, im gleichen Zeitraum erreichten die  ökologisch wirtschaftenden HE-Betriebe einen Gewinn von 62.867 €. (Datenbasis ca. 60 BF-Abschlüsse)

Was muss die Landwirtsfamilie alles vom Gewinn bezahlen?

Zunächst sind hier die über die Summe der Ersatzinvestitionen hinausgehenden notwendigen Nettoinvestitionen der Betriebe zu nennen. Die fortlaufende Anschaffung von Maschinen, technischen Anlagen und Wirtschaftsgebäuden lässt sich nicht allein aus der Abschreibungssumme finanzieren, sondern aufgrund der Inflation und des technischen Fortschrittes sind in der Regel deutlich höhere Investitionsbeträge notwendig. Diese sogenannten Nettoinvestitionen sind also erforderlich als Inflationsausgleich und für das kontinuierliche Wachstum der Betriebe. Sie müssen aus dem erwirt­schafteten Gewinn (und/oder aus einer eventuellen neuen Kreditaufnahme) finanziert werden. Im 5-Jahresdurchschnitt haben die HE-Betriebe Nettoinvestitionen in Höhe von 16.468 € getätigt.

Ebenfalls aus dem Gewinn muss die Tilgung betrieblicher Kredite erfolgen. Die Tilgung bestehender Kredite und Aufnahme neuer Kredite im Zusammenhang mit Wachstumsinvestitionen gehen oft einher. Im Durchschnitt der letzten 5 Jahre haben die Betriebe ihre Verbindlichkeiten nicht abgebaut, sondern im Saldo pro Jahr um 4.244 € erhöht, Nettoinvestitionen damit also teilweise mitfinanziert.

Nach Verrechnung dieser beiden Positionen kommt man auf den Bruttobetrag, der für die Unternehmer­familie noch zur Verfügung steht.

Davon sind die privaten Steuern und Versicherungen zu bestreiten. Im Durchschnitt der letzten 5 WJ haben die Betriebe hierfür 28.913 € aufgewendet. Die Steuerzahllast wird sich aufgrund der guten Gewinne in den nächsten beiden Jahren noch merklich erhöhen. Hinzu kommen betriebsindividuell sehr unterschiedlich die Altenteilszahlungen an die Hofabgeber, die im Durchschnitt 3.940 € ausmachten.

Fasst man alle Einzelwerte zusammen, so ergibt sich folgende Situation im 5-Jahres-Durchschnitt beim konventionellen HE-Betrieb:

79.130 €Unternehmensgewinn
– 16.468 €Nettoinvestitionen für Inflationsausgleich und notwendiges betriebliches Wachstum
+ 4.244 €durchschnittliche Netto Neu-Kreditaufnahme
= 66.906 €Bruttobetrag für die Unternehmerfamilie (erwirtschaftet von 1,5 bisher nicht entlohnten Familien-Arbeitskräften [AK])
– 28.913 €private Steuern und Versicherungen
– 3.940 €Altenteilszahlungen
= 34.053 €verbleibender Nettobetrag für die Familie zur Abdeckung der Lebenshaltungskosten, für private Anschaffungen, Urlaub, Finanzierung der Ausbildung der Kinder und private Vermögensbildung

Je Familien-AK entspricht dies einem monatlichen Nettoeinkommen von 1.892 €, das keineswegs eine großzügige Lebensführung ermöglicht. Bei dem einen oder anderen Betrieb mögen noch außerlandwirtschaftliche Einkommen (z. B. gewerbliche Einkünfte aus einer PV-Anlage oder außerlandwirtschaftliches Erwerbseinkommen des Ehepartners) hinzukommen, die den finanziellen Spielraum ggf. erhöhen.

5-Jahres-Gewinnverlauf der hessischen Haupterwerbsbetriebe (konventionell und Öko)

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