Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen

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Forum Landwirtschaft: Veränderungsbereite Betriebe mit besseren Zukunftschancen

Das Forum Landwirtschaft in Fritzlar beschäftigte sich in diesem Jahr mit dem Thema Landwirtschaft im Wandel. Das Interesse an Ansätzen zur Verbesserung von Betriebswirtschaft, Ökologie und Familienleben war so groß, dass alle 200 Plätze im Saal belegt waren.

Rentabilität stärkt Überlebenschancen

Das Publikum folgte gespannt den Ausführungen von Cort Brinkmann
„Wer in Zukunft mit seinem 60 ha Ackerbaubetrieb bestehen und diesen an die nächste Generation übergeben möchte, muss etwas ändern,“ so Cort Brinkmann von der Ländlichen Betriebsgründungs- und Beratungsgesellschaft. Er verwies auf die Wachstumsschwelle, die derzeit bei 100 ha liegt. Kleinere Betriebe müssten zwangsläufig ihre Wertschöpfung erhöhen und ihre Rentabilität verbessern, um eine Überlebenschance zu haben. Für Brinkmann ergibt sich daraus aber nicht zwangsläufig eine „Wachse-oder-Weiche-Strategie“. Ein Problem kleinerer Betriebe bestünde in den höheren Arbeitserledigungskosten, aufgrund der geringeren Flächenauslastung des Maschineninventars. Das Betriebseinkommen reduziere sich zusätzlich durch hohen Pachtanteil mit entsprechenden Pachtkosten. Wichtig sei es, betonte Brinkmann, eine Vollkostenrechnung zu machen. Sonst würden kalkulatorische Kosten wie die Abschreibung vergessen und somit zukünftige Investitionen verbaut.
Einen möglichen Lösungsweg sieht Brinkmann im Anbau von Sonderkulturen. Die Wertschöpfung werde erhöht und eine Betriebskooperation sei nicht notwendig. Allerdings verlange dies jedoch Knowhow und ein finanzielles Polster, um Probleme in der Startphase zu überstehen. Aber auch die Kapital- und Maschinenkosten zu senken durch die stärkere Zusammenarbeit mit Berufskollegen, sei ein weiterer Lösungsweg. Die Möglichkeiten reichten von Nachbarschaftshilfe, über Bewirtschaftungsverträge bis hin zur Vollkooperation. Das zunehmende Einsparpotential ginge dabei jedoch zu Lasten der Selbständigkeit.
Wirtschaftliche Zielgrößen bei den Maschinenkosten sind nach Brinkmann eine Flächenleistung von 200 ha/Ak, maximal 1 PS/ha bei 1500 €/ha Anschaffungswert der Maschinen. Der Schlepper müsse 1000 h/Jahr machen und die Akh zur Schlepperstunde im Verhältnis 2:1 liegen.

Herausforderungen machen Systemwechsel notwendig

Felix Prinz zu Löwenstein, Vorsitzender des Bundes Ökologischer Lebensmittelwirtschaft
Nach Auffassung von Felix Prinz zu Löwenstein, Vorsitzender des Bundes Ökologischer Lebensmittelwirtschaft, braucht es einen Systemwechsel in der Landwirtschaft. Probleme mit Stickstoffüberschüssen, der Verlust an Biodiversität und der Klimawandel machten dies notwendig. Ursachlich für die Stickstoffproblematik sei die teilweise regional konzentrierte Tierhaltung. Die Folgen seien belastetes Grundwasser, Zunahme von Stickoxiden und Absterben biologischen Lebens in Gewässern. Beim Problemfeld Klimawandel hob zu Löwenstein hervor, dass die weltweite Nahrungsmittelproduktion für 22 % der klimaschädlichen Gase verantwortlich sei. Die Berechnungen beziehen sich dabei auf die gesamte Kette: Von der Landnutzungsumwandlung für den Sojaanbau in Südamerika bis zu den Kühlketten der Nahrungsmittelindustrie. Gleichzeitig könne die Landwirtschaft einen erheblichen Beitrag zum Klimaschutz liefern, indem eine andere Bewirtschaftung den Humusaufbau fördere. Berechnungen ergaben, dass eine Steigerung des Humusgehaltes der weltweiten Agrarfläche um jährlich 0,4 % die jährlichen Treibhausgasemissionen kompensieren könnte.
Schließlich griff zu Löwenstein den Themenkomplex Biodiversität auf. Die Landwirtschaft sei auf funktionierende Ökosysteme angewiesen. Der Verlust an Insekten bringt er mit der Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln in Verbindung. Problematisch sei der Anstieg in den letzten 20 Jahren – vor allem im Hinblick auf die Tatsache, dass im selben Zeitraum der Ökolandbau um 8 % zugenommen hat. Gründe für die weiter ansteigenden Ausbringmengen sieht er in den punktuellen Eingriffen, die immer größere Behandlungen nach sich zögen. Seiner Auffassung nach werde in einigen Jahren der chemische Pflanzenschutz von mechanischen Verfahren abgelöst. Als Beleg führte er die Forschung der Landtechnik-Industrie in autonome Systeme an.
Bei Betrachtung all der genannten Herausforderungen spiele die Betriebswirtschaft eine wichtige Rolle. „Die veränderungsbereiten Betriebe müssen finanziell so unterstützt werden, damit es sich lohnt, mehr das Richtige zu machen, als das Falsche“, betonte zu Löwenstein. Im Rahmen der zukünftigen GAP könne die Verlagerung von Mitteln der ersten in die zweite Säule dies unterstützen.

Wert der Familie nicht aus den Augen verlieren

Claudia Jennewein, Dozentin der Andreas Hermes Akademie
„Bei der Entwicklung des Betriebes darf der Blick nicht auf die Betriebswirtschaft begrenzt werden, da sonst die Familie auf der Strecke bleibt.“ Diese Botschaft vermittelte Claudia Jennewein, Dozentin der Andreas Hermes Akademie, in ihrem Vortrag „Immer größer, immer schneller – wo bleibt der Mensch?“. In der Vergangenheit wäre es üblich gewesen, dass die Familie zurücksteckte, um die Betriebsentwicklung voranzubringen. Gespräche über persönliche Bedürfnisse abseits des Betriebsgeschehens seien dadurch oft zu kurz gekommen. Weiterhin auf eine solche Gesprächskultur zu beharren, sei für die landwirtschaftlichen Familien aus mehreren Gründen nachteilig und nicht mehr zeitgemäß. Das gesellschaftliche Wertesystem habe sich weiterentwickelt, von Streben und Trachten zu Multi-Kulti und Gleichberechtigung (Graves Model). Jüngere Betriebsleiter lebten bereits verstärkt die Balance zwischen Arbeit und Familie. Auch für das Image als Arbeitgeber sei es wichtig, eine andere Gesprächs- und Lebenskultur zu pflegen, so Jennewein. Arbeitnehmer achteten zunehmend neben der Vergütung auf das Betriebsklima. Hinzu käme, dass die Vernachlässigung der Familie zu Konflikten führe. Dies koste wertevolle Kraft. Widerstandskraft und Halt seien aber gerade die Vorzüge einer Familie – welche angesichts der Herausforderungen (wie z.B. gesellschaftliche Kritik oder Preisdruck) auch benötigt würden, schloss Jennewein.

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