Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen

Marktinformation & Preise

Bio-Milchmarkt in der Krise

Einige Biomilch-Molkereien sehen sich mit einem Preisverfall ihrer Produkte konfrontiert. Die Preise für konventionelle Milch sind im vergangenen Jahr deutlich schneller gestiegen als die Preise für Biomilch. Grund war ein Versorgungsdefizit am Weltmarkt.

Auf Erzeugerstufe kostete konventionelle Milch irgendwann fast genauso viel wie Bio-Milch. Eigentlich hätte das auch für die Endprodukte im Lebensmitteleinzelhandel Preisparität bedeuten müssen. Doch einige namhafte Discounter haben ihre Preise für Bio-Milch Ende des Jahres 2022 schlagartig um bis zu 60 Cent/l erhöht. Damit kam es zu sog. „Downsellling-Effekten“.

Warum ist der Absatz von Bio-Milch eingebrochen?

Aufgrund einer höheren Preiselastizität durch die Inflation griffen viele Verbraucher wieder zu den Handelsmarken im Preiseinstiegsegment. Nur etwa ein Drittel der Verbraucher in Deutschland sind „überzeugte“ Biokäufer. In der Folge ist der Absatz von Bio-Milch um 20-30% eingebrochen und es kam zu einem Angebotsüberhang. Dieser zwingt die Bio-Molkerien aktuell dazu, nach alternativen Absatzwegen zu suchen. Einige müssen ihre Bio-Milch inzwischen zu geringeren Preisen als konventionelle Milch vermarkten, andere gehen strategische Partnerschaften mit den Discountern ein. Solche Kooperationen sind jedoch nicht ohne Risiko, denn der Preis ist aus Sicht der Konsumenten auch ein Qualitätsindikator. Zumal bei Bioprodukten sog. „Vertrauenseigenschaften“ eine bedeutsame Rolle spielen. Werden Bioprodukte am Ende zu Billigpreisen verramscht, leidet nicht nur das Image dieser Produkte, sondern auch die Landwirte. Die Erfahrungen aus der Kooperation zwischen LIDL und Bioland zeigen, dass es daher wichtig ist, sich in den Verträgen auf bestimmte Mindestpreise und Fair-Play-Regeln zu einigen. Ein weiterer Lösungsansatz zielt auf die Angebotsseite. Einige Bio-Molkereien entwickeln bereits interne Modelle zur Mengenregulierung mit dem Ziel, dass ihre Mitglieder weniger Milch anliefern. Maßnahmen dieser Art greifen allerdings nicht sofort, denn Anpassungsprozesse in der Milchproduktion benötigen typischerweise eine gewisse Vorlaufzeit.

Was könnte der Staat tun, um den Biomilch-Markt zu stabilisieren?

In der Fachwelt werden Ansätze diskutiert, der Staat solle mit Infokampagnen für den Kauf von Bio-Milch werben oder den Absatz in öffentlichen Kantinen gezielt fördern. Dies wäre ein möglicher Ansatzpunkt. Derartige Interventionsmaßnahmen sind jedoch kritisch zu sehen, da sie den Berufsstand spalten könnten. Konventionelle Landwirte werden sich in diesem Fall möglicherweise benachteiligt fühlen.

Eine weitere Möglichkeit besteht darin, geltendes Recht anwenden und sich auf den § 210a GMO zu berufen, wonach sich Erzeuger seit 2021 miteinander abstimmen dürfen, wenn damit höherer Nachhaltigkeitsstandards erreicht werden. In diesem Fall würde kein Verstoß gegen das Kartellrecht vorliegen. Normalerweise erfolgt die Preisbildung am Milchmarkt jedoch von oben nach unten: Landwirte liefern ihre Milch an die Molkereien, diese verwertet den Rohstoff und teilt den Landwirten rückwirkend den Milchpreis mit. Die Landwirte sind also Preisnehmer. Im Einklang mit § 210a GMO könnten die Landwirte hingegen untereinander einen Milchpreis festlegen und die Vereinbarung an die Molkerei weiterreichen. Diese würde den Abnehmern schließlich ihre Preisforderung mitteilen. Es bedarf allerdings noch einer umfassenden juristischen Prüfung, ob diese Vorgehensweise mit EU-Recht vereinbar ist.

Handelt es sich um eine kurzfristige Delle oder wird der Biomarkt langfristig ausgebremst?

Themen wie Umweltbewusstsein, Tierwohl, Nachhaltigkeit und Regionalität zählen zu den sog. Megatrends, die auch in Zukunft weiterhin Bestand haben dürften. Aus Sicht vieler Verbraucher bedienen Bioprodukte diese Themen zumeist besser als konventionelle Produkte. Das wird durch die Inflation aktuell aber überlagert.

Wenn die Preise an den Märkten wieder deutlich fallen und die Realeinkommen steigen, wird die Nachfrage nach Bioprodukten vermutlich auch wieder anziehen.

Auf Erzeugerseite ist die Bereitschaft auf ökologischen Landbau umzustellen mit der geringen Preisdifferenz zwischen konventionell und Bio zurückgegangen. Es ist sogar in manchen Fällen auch zu beobachten, dass Betriebe wieder von Bio auf konventionellen Landbau rückumgestellt haben. Aktuell ist die Preisdifferenz zwischen Bio-Milch und konventioneller Milch aber bereits wieder auf das übliche Niveau gestiegen. Bio-Milch kostete im April mit 58,8 Cent/l durchschnittlich fast 14 Cent mehr als konventionelle Milch (45 Cent). Eine schnelle Kehrtwende ist nicht in Sicht. Wir gehen aber davon aus, dass sich der Biomarkt wieder stabilisieren wird.

Das Interview in voller Länge finden Sie in der Mediathek des Hessischen Rundfunks:

https://www.ardmediathek.de/video/mex/schleuderpreis-warum-die-gute-bio-milch-bei-aldi-so-billig-ist/hr-fernsehen/Y3JpZDovL2hyLW9ubGluZS8yMDM3MTQ

Milchpreise Deutschland; Quelle: Bioland, Stand: 19.05.2023

Drucke diesen Beitrag Drucke diesen Beitrag